Es gibt einen Tag im Jahr, an dem Firmen, Institutionen und Medien landein, landaus kollektiv eine überraschende Entdeckung machen: Es gibt Frauen.
Und diese „Frauen“ machen sogar etwa 51 Prozent der Gesamtbevölkerung aus, also die Mehrheit. Deshalb reicht es auch völlig aus, einen Tag im Jahr über jene Anliegen, die sie betreffen, zu berichten, Veranstaltungen zu „Frauenthemen“ abzuhalten oder im Unternehmen eine weibliche Keynote-Speakerin zu buchen, die über den Gender Pay Gap referiert, während in diesem Unternehmen Frauen um 18,3 Prozent weniger Lohn erhalten als Männer.
Unbezahlte Arbeit für Feministinnen
Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, wahlweise auch Frauenkampftag oder feministischer Kampftag genannt, werden also die Feministinnen des Landes angerufen und angeschrieben, um gratis Interviews zu geben, um Vorträge zu halten und sich auf Panels zu setzen. Das alles auch am besten gratis, und wenn die Feministinnen dann sagen, dass sie für Arbeit gern bezahlt werden, fragt man entrüstet nach, ob sie nicht „für Frauen“ wären, schließlich ist der Event, den man organisiert, „für Frauen“. Jede Gelegenheit, Frauen gratis arbeiten zu lassen, ist eine gute Gelegenheit, und wenn man feministische Gründe vorschiebt, ist die Gelegenheit noch besser. Die Feministinnen des Landes sollen sich freuen, dass sie einmal im Jahr jemand um ihre Meinung fragt und sie sie gütigerweise in Interviews, auf Podien und auf Bühnen sagen dürfen, einmal im Jahr, sonst interessiert sich ja eh niemand für sie. Und wer so wenig Aufmerksamkeit kriegt, dem sollte Aufmerksamkeit als Bezahlung reichen.
Unbezahlte Arbeit für alle Frauen
Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, sind die Feministinnen des Landes im Dauereinsatz, ganz so, als könnte man sie nicht auch den Rest des Jahres über buchen.
Nach dem 8. März kann man dann die Frauenfrage endlich wieder für ein Jahr erleichtert beiseitelegen und sich wichtigeren Themen widmen. Dann kann man zuhause wieder für ein Jahr nicht darüber reden, wer all die unbezahlte Arbeit zuhause macht, wer Windeln wechselt und Kotze wegwischt, wer kocht und putzt und Konflikte in der Familie managed, wer die Arzttermine ausmacht für alle Familienmitglieder und wer den Mental Load trägt. Und in der Arbeit kann man wieder ein Jahr nicht darüber reden, wer 44 Tage im Jahr gratis arbeitet, während die Männer am Bürotisch nebenan schon bezahlt werden. Und in Medien kann man ein Jahr nicht darüber reden, wer im Anschluss an die unterbezahlte und unbezahlte Arbeit in der Altersarmut landet. Oder darüber, wie mit Praktikantinnen in diesen Medien verfahren wird, darüber, wie Journalistinnen – vor allem freie – bezahlt werden, wie groß die Geschlechterdiskrepanz in dieser Bezahlung ist oder darüber, welch weitverbreitetes Problem sexuelle Belästigung auch in der Medienbranche ist.
Männertag
Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, entdecken die Medien dieses Landes, die Unternehmen und Institutionen jedes Jahr zuverlässig das Nischenthema „Frau“ für sich. Und jedes Jahr fragen zuverlässig Männer in Kommentarspalten und auf Social Media, ob es denn nicht jetzt wirklich einmal reiche mit dem ganzen Weiberzeug. Ein Tag im Jahr ist zu viel für 51 Prozent der Bevölkerung und überhaupt: Wann ist Männertag? (Antwort: Es gibt gleich zwei Männertage; einer ist am 3. November, der andere am 19. November, aber an keinem der beiden Tage interessieren sich genannte Männer für den Männertag, das tun sie nur am Frauentag.) Und warum gibt es am Männertag keine Demos für Männerrechte wie am Frauentag für Frauenrechte? (Antwort: Weil ihr am Männertag keine organisiert, während wir das am Frauentag schon tun. Vielleicht tut ihr Männer es auch deshalb nicht, weil ihr sehr gut wisst, dass in keinem Land der Welt Männer gegenüber Frauen unterdrückt oder diskriminiert sind und Frauen in keinem Land der Welt Männern gegenüber wirklich gleichgestellt.)
Putzmittel und Haushaltsgeräte
Am 8. März, dem Internationalen Frauentag, kann man sich außerdem darauf verlassen, dass es immer Organisationen, Parteien, Medien und Unternehmen gibt, die es nicht einmal für einen Tag im Jahr schaffen, sexistische Peinlichkeiten zu umschiffen. So postete die Stadtverwaltung Cottbus zum Frauentag ein gänzlich frauenfreies Foto von vier Tulpen haltenden Männern . McDonald’s Austria hielt es indes für eine gute Idee, auf Instagram damit zu prahlen, dass über 50 Prozent der Inhaltsstoffe in ihren Burgern grammatikalisch weiblich sind (und nicht einmal das stimmt, da sie das Mehrzahl-„die“ mit einberechneten). Und dann sind da noch die zahlreichen Rabatt-Aktionen bei Schmucklabels und Modemarken und Drogerieketten, die Rosen, die verschenkt werden, und die verbilligten Putzmittel und Haushaltsgeräte.
Am 8. März dieses Jahres erregte hingegen der freiheitliche Nationalratsabgeordnete Wolfgang Zanger Aufregung, indem er ein besonderes Accessoire zum Frauentag verteilte: einen Kochlöffel mit FPÖ-Logo. Auf seinem Facebook-Profil erklärte er die Aktion danach wie folgt: „Oh meine lieben Emanzen umd Feministen, wisst ihr, für mich stehen halt die nicht bezahlten Hausfrauen und Mütter noch immer ganz vorne in der Liste jener FRAUEN, die meinen höchsten Respekt genießen.“ (sowohl das FRAUEN in all caps als auch das „umd“ sind ein direktes Zitat). Während liebe Emanzen umd Feministen sich über den Zangerschen Frauentagslöffel echauffieren, glaube ich fest daran, dass dieser eigentlich eine paradoxe feministische Intervention war. Mit einem Kochlöffel kann man schließlich allerlei Dinge tun, die über das stereotyp weibliche Zyankali-ins-Gulasch-Mischen hinausgehen. Beispielsweise wird er in südamerikanischen Ländern als Trommelwerkzeug bei Protesten (Cacerolazo genannt) verwendet. Der Kochlöffel ist also das perfekte Accessoire für jede Frauenrechtsdemo. Kochlöffel können als Schlagwaffe zur Selbstverteidigung genutzt werden, man könnte sie als Transparent-Halter verwenden oder um Sexisten aus dem Parlament zu jagen.
Beatrice Frasl schreibt alle zwei Wochen eine Kolumne zum Thema Feminismus. Alle Texte findet ihr auch in ihrem Autor:innenprofil.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns – sag uns deine Meinung unter [email protected]. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Zur Autorin
Beatrice Frasl war schon Feministin, bevor sie wusste, was eine Feministin ist. Das wiederum tut sie, seit sie 14 ist. Seitdem beschäftigt sie sich intensiv mit feministischer Theorie und Praxis – zuerst aktivistisch, dann wissenschaftlich, dann journalistisch. Mit ihrem preisgekrönten Podcast „Große Töchter“ wurde sie in den letzten Jahren zu einer der wichtigsten feministischen Stimmen des Landes.
Im Herbst 2022 erschien ihr erstes Buch mit dem Titel „Patriarchale Belastungsstörung. Geschlecht, Klasse und Psyche“ im Haymon Verlag. Als @fraufrasl ist sie auf Social Media unterwegs. Ihre Schwerpunktthemen sind Feminismus und Frauenpolitik auf der einen und psychische Gesundheit auf der anderen Seite. Seit 1. Juli 2023 schreibt sie als freie Autorin alle zwei Wochen eine Kolumne für die WZ.
Quellen
Das Thema in anderen Medien
Kleine Zeitung: Kochlöffel am Frauentag: FPÖ-Geschenk sorgt für Irritationen