Es ist beileibe nichts Neues, dass Schiedsrichter ein dickes Fell brauchen. Schmähgesänge und Buhrufe in den Stadien gehören seit jeher zum guten schlechten Ton, dazu kommen Respektlosigkeiten von Spielern und Trainern und unverhohlene und oft auch überbordende Kritik.
Auch die Einführung des VAR (Video Assistant Referee) konnte die oft überhitzte Atmosphäre nicht abkühlen.
Die Hetz-Kampagne, der sich ein österreichischer Bundesliga-Schiedsrichter gerade ausgesetzt sieht, hat freilich noch einmal eine neue und unappetitlichere Dimension.
Auf digitalen Plattformen und in Internetforen wurde der Schiedsrichter nicht nur aufs Übelste beschimpft, auch die Wohnadresse des Mannes wurde online veröffentlicht – mit der Androhung von Übergriffen.
„Es wurde auch aktiv zu Handlungen gegen ihn aufgerufen. Die Auswirkungen sind erschütternd: Angehörige des Schiedsrichters, darunter auch seine Eltern, sehen sich Drohungen und Beleidigungen ausgesetzt“, heißt es in einer Aussendung des ÖFB.
Der Name des betroffenen Schiedsrichters wird in diesem Statement zwar nicht genannt, aber man darf davon ausgehen, dass Sebastian Gishamer und seine Familie die Opfer der Hasstiraden sind.
Anzeige erstattet
Der 36-Jährige hatte sich erst am Sonntag den Unmut der Fans von Sturm Graz zugezogen, als er beim 0:1 gegen die Austria zwei Grazer vom Feld stellte und dem Meister den späten Ausgleichstreffer aberkannte. Sturm-Präsident Christian Jauk war nach dem Schlusspfiff erzürnt aufs Spielfeld gestürmt, die Grazer Spieler schoben allesamt dem Schiedsrichter den schwarzen Peter zu.
Dass die Entscheidungen Gishamers, der am Freitag für das Spiel Ried – Admira eingeteilt war, im VAR-Rückblick alle bestätigt und als korrekt eingestuft wurden, tat dann nichts mehr zur Sache. Die Hetzkampagne im Internet war da längst losgetreten.
Auch zum Entsetzen des ÖFB, der in seinem Statement schreibt: „Fußball ist ein Sport voller Leidenschaft und lebt von Emotionen – gerade in der entscheidenden Phase der Meisterschaft geht es heiß her. Doch was sich in den vergangenen Tagen in Zusammenhang mit einem ÖFB-Schiedsrichter ereignet hat, überschreitet jegliche Grenze des Akzeptablen.“
ÖFB und Bundesliga wollen nun in aller Konsequenz gegen diese Angriffe vorgehen. In Abstimmung mit dem Innenministerium wurde bereits Anzeige erstattet.
„Der ÖFB wird sämtliche zur Verfügung stehenden rechtlichen Schritte vornehmen, um den Schutz des Schiedsrichters und seiner Familie sicherzustellen“, betont ÖFB-Generalsekretär Thomas Hollerer. „Hetze, Bedrohung und Gewalt haben im Fußball keinen Platz!“
Bundesliga-Vorstand Christian Ebenbauer stellt klar: „Der Schutz der Schiedsrichter und ihrer Integrität ist eine Grundvoraussetzung für unseren Sport.“
Doch Übergriffe gegen die Schiedsrichter scheinen gerade überhandzunehmen.
So rastete Real-Madrid-Verteidiger Antonio Rüdiger im spanischen Cup-Finale völlig aus und schleuderte Eiswürfel in Richtung des Schiedsrichters. In Frankreich attackierte
Lyon-Trainer Paulo Fonseca den Schiedsrichter und wurde bis November gesperrt.