Mit Anfang 20 machte sich Christina allein auf den Weg in die Welt. Sie tauchte in fremde Kulturen ein, entdeckte neue Seiten an sich und erfuhr, warum die schönsten Erinnerungen manchmal nur für einen selbst wichtig sind.
Mit 22 Jahren beschloss Christina, loszuziehen. Nach einer Trennung und mit zeitlich wenig flexiblen Freund:innen entschied sie sich damals, ihre erste Reise allein zu wagen. Den Flug gebucht und den Rucksack gepackt, fand sie sich schon bald darauf in der Hitze von Vietnams Hauptstadt Hanoi.
Noch während Christina ihren Rucksack im Hostel abstellte, hallten die Worte ihrer Mutter in ihrem Kopf wider: „Allein reisen? Und mit wem teilst du dann die schönen Erinnerungen?“ Sie plante in Gedanken schon ein Fotobuch, um später ihre Eindrücke zu teilen, da riss sie eine Stimme ins Jetzt zurück. Ein kanadischer Backpacker sprach sie an: „Neu unter den Alleinreisenden?“ Mit einem freundlichen Blick fügte er hinzu: „Ich wollte gleich zum Markt, kommst du mit?“
Wenig später wanderte sie durch die neonbeleuchteten Straßen Hanois, vorbei an geschäftigen Ständen und duftenden Garküchen. Neben ihr: eine Urlaubsbekanntschaft, die genauso viel Entdeckerlust verspürte wie sie und in diesem Moment dasselbe Ziel hatte – den Markt zu erkunden und die kulturelle Vielfalt Vietnams zu erleben.
Der Unterschied zwischen „allein“ und „einsam“
Christinas Erfahrungen spiegeln wider, was auch Studien belegen. Die chilenische Tourismus-Forscherin Constanza Bianchi hob in ihrer Arbeit (2016) hervor: „Besonders bereichernd ist für viele die Möglichkeit, neue und interessante Menschen zu treffen, die ihre Reiseerfahrung positiv prägen.“ Und auch wenn sich die Wege danach trennen, bleibt oft das Gefühl, zumindest ein Stück Welt mit jemandem geteilt zu haben.
„Es gibt einen Unterschied zwischen allein und einsam sein“, erklärt Christina. „Allein sein bedeutet, deine Zeit selbst gestalten zu können, ohne dich rechtfertigen zu müssen.“ Einsamkeit hingegen ist ein schmerzlicher Zustand, der sich dadurch auszeichnet, allein zu sein, ohne es zu wollen. Doch genau diese Selbstbestimmung, das Wählen, wann man unter Menschen ist und wann nicht, macht das Reisen ohne Begleitung für viele so wertvoll. Wie auch Bianchi betont, schätzen Solo-Reisende die Freiheit, ohne Kompromisse zu entscheiden, und die Möglichkeit, sich selbst dadurch neu kennenzulernen und zu erfinden.
Zwischen Freiheit und Vorsicht
Auf ein Neues durfte Christina diese Erfahrung zwei Jahre später auf einer Reise nach Namibia machen: In einem Hostel lernte sie drei andere Alleinreisende kennen, und innerhalb weniger Stunden beschlossen sie, gemeinsam ein Auto zu mieten und durch das Land zu fahren. „Es war so spontan und doch perfekt“, erinnert sie sich. Vier bisher einander Fremde durchquerten gemeinsam die Namib-Wüste. Was Christina dabei Sicherheit gab: ihr Bauchgefühl. Das hätte noch nie falsch gelegen, meint sie.
Doch nicht jedes Abenteuer verläuft unbeschwert. Auf einer Party in Kenia überkam Christina spät am Abend ein mulmiges Gefühl. Die Musik klang verlockend, die Stimmung war ausgelassen, doch ihr Bauch sagte angesichts der kenianischen Abgeschiedenheit etwas anderes. Sie hörte darauf, rief ein Taxi und verließ die Party zurück Richtung innere Stadt. Ein kurzer Moment der Vorsicht, der sie einmal mehr daran erinnerte, dass Freiheit und Sicherheitsmaßnahmen Hand in Hand gehen. Christina hat gelernt, vorbereitet zu sein: Mit Taxi-Apps, Reiseregistrierung, örtlicher SIM-Karte, Bargeld zur Hand (oder im BH versteckt) und angelesenem Wissen über Land und Kultur minimiert sie Risiken und fühlt sich trotzdem frei.
Eine Prise Mut hilft
Was braucht man wirklich, um sich allein in die Welt zu wagen? Christina hat darauf eine klare Antwort: Entdeckerlust, Mut und einen Funken Selbstvertrauen. „Am Anfang reicht ein kleines bisschen von allem“, erklärt sie. „Mit der Zeit wird man immer selbstbewusster.“ Auf die Frage, welche Emotionen sie auf den Reisen am meisten verspüre, antwortet Christina: „Vor allem spüre ich meine Lust auf das Abenteuer, doch in den Momenten dazwischen, wenn ich im Reisen und der fremden Kultur angekommen bin, ist da – so kitschig es klingen mag – auch sehr viel Dankbarkeit dafür, das erleben zu dürfen.“
Momente, die bleiben
Auf Reisen geschehen die schönsten Dinge oft unerwartet. So auch, als Christina im letzten Sommer auf einer italienischen Insel „un tavolo per uno“ (italienisch für „einen Tisch für eine Person“) bestellte. Nur wenige Minuten später trat ein weiterer Alleinreisender mit dem gleichen Wunsch ins Restaurant. Der Kellner zögerte nicht lang und schlug vor, die beiden könnten sich einen Tisch teilen – „damit keiner allein essen muss“. Aus einem spontanen Abendessen wurden lange Gespräche, aus den langen Gesprächen ein Wochenende voller spontaner Ausflüge und neuer Entdeckungen. „Es war so schön, einfach mit dem Moment zu gehen“, erzählt Christina. Und obwohl sich ihre Wege danach wieder trennten, blieb dieser Augenblick in ihrer Erinnerung.
Fotobücher? Die hat Christina längst hinter sich gelassen. Stattdessen nimmt sie Erinnerungen mit, die in keinem Regal Platz finden. Sie trägt allerdings eine Kette, die ihr ein Einheimischer in Namibia geschenkt hat. „Vielleicht erinnert sich der Mann nicht mehr daran“, sagt sie, „aber für mich ist es ein Teil meiner Geschichte.“ Denn manchmal, denkt sie, sind die schönsten Erinnerungen nur für einen selbst bestimmt.
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Infos und Quellen
Genese
WZ-Trainee Daniela Pirchmoser reist auch gern allein und war auf diese Art schon in Malta, Kroatien und Griechenland unterwegs. Für diese Geschichte – und eventuelle zukünftige Reisepläne – wollte sie aber aus erster Hand erfahren, wie es ist, auch andere Kontinente allein zu erkunden.
Gesprächspartnerin
Heute ist Christina 29 Jahre alt. Sie kommt ursprünglich aus Graz, lebt aktuell in Wien und ist immer schon leidenschaftlich gern im Austausch mit anderen Kulturen. Sie spricht neben Deutsch und Englisch auch Italienisch und Französisch. Christinas bisherige Solo-Reiseziele: Vietnam, Kambodscha, Namibia, Kenia, Frankreich, Polen und Italien.
Daten und Fakten
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Laut Informationen von TUI Österreich machen immer mehr Menschen, insbesondere Frauen, gern allein Urlaub. Die Anzahl der Alleinreisenden bei TUI ist im Jahr 2024 im Vergleich zu 2022 um 27 Prozent gestiegen. Die Urlaubsformen sind unterschiedlich: Je nach Interessen und Alter buchen die Alleinreisenden entweder einen Cluburlaub, ein Hotel mit aktivem Nachtleben in unmittelbarer Nähe, eine Studienreise oder eine Abenteuer-Rundreise.
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Zur Orientierung listet TUI unter dem „Solo Female Travel Index“ über 150 Länder weltweit nach zehn Kategorien auf. Diese Kategorien reichen vom subjektiven Sicherheitsgefühl bis hin zum durchschnittlichen Preis einer Weinflasche im betreffenden Land. Die Top-3-Länder sind aktuell Deutschland, Spanien und Portugal. Als besonders sicher gelten Singapur und China, besonders günstig sind Nepal, Vietnam und Thailand.
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Booking.com listet als „perfekte Reiseziele für Alleinreisende“ folgende vier Destinationen: 1) Berlin, Deutschland; 2) Tokio, Japan; 3) New York, USA und 4) Lissabon, Portugal.
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Das österreichische Außenministerium rät, sich vor jedem Auslandsaufenthalt über die Reiseregistrierung zu registrieren, damit man im Fall des Falles unterstützt werden kann und automatisch wichtige, aktuelle Informationen zum Reiseland erhält. Das Ministerium empfiehlt, sich vor jeder Reise diese Fragen zu stellen: Habe ich einen gültigen Reisepass? Brauche ich ein Visum? Wie sicher ist mein Urlaubsland? Gibt es zu meiner Reisedestination besondere Sicherheitshinweise oder gar eine Reisewarnung? Habe ich eine Reiseversicherung?
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Im Ausland möchtest du sicher online gehen, um eine Unterkunft zu buchen, nach dem Weg zu schauen oder sprachliche Barrieren zu überwinden. Innerhalb der Europäischen Union ist das dank Roaming seit einigen Jahren kein Problem mehr, doch außerhalb hilft eine lokale SIM-Karte. Diese bekommst du fast überall, oft direkt am Flughafen, wo dir das Personal auch beim Einrichten hilft.
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Auf der Suche nach den gängigsten Taxi-Apps in deinem Reiseland hilft eine ganz einfache Google-Suche. Die bekanntesten Taxi-Apps weltweit sind 1) Uber (globaler Marktführer und in mehr als 70 Ländern vertreten); 2) Lyft (hauptsächlich in den USA und Kanada aktiv); 3) DiDi (beliebter Anbieter in China, aber auch teilweise in Asien, Australien und Südamerika); 4) Ola Cabs (führend in Indien); 5) Grab (aktiv in 8 Ländern Südostasiens); 6) Bolt (aktiv in über 50 Ländern in Europa, Afrika, Asien und Lateinamerika); und 7) Careem (operiert in 10 Ländern im Nahen Osten, Afrika und Südasien).
Quellen
Bianchi, C. (2016). Solo holiday travellers: Motivators and drivers of satisfaction and dissatisfaction. International Journal of Tourism Research, 18(2), 197–208. https://doi.org/10.1002/jtr.2049
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