Nur scheinbar ein vergebener Elfmeter. Tatsächlich haben die Roten in den vergangenen Tagen alles unternommen, um den Job ihrer Gegner gleich selbst zu erledigen. In einer in dieser Form wohl einzigartigen Bloßstellung des eigenen Parteichefs: Fünf Wochen vor der Wahl kamen der stellvertretenden Parteivorsitzenden Doris Bures schwere Bedenken bezüglich des in den wesentlichen Punkten ohnehin schon länger bekannten Wahlprogramms. Sie richtete diese schriftlich an ihre Präsidiumskollegen, woraufhin sie – wenig überraschend – umgehend an die Öffentlichkeit gerieten.
Und all das nur wenige Stunden nach dem parteiinternen Gezerre rund um den in der Brucknerhaus-Causa der Lüge überführten Linzer Bürgermeister Klaus Luger.
Dabei lief der rote Wahlkampf schon vor diesen beiden Affären alles andere als rund. Nach dem enttäuschenden dritten Platz bei der EU-Wahl dürfte laut allen Umfragen auch bei der Nationalratswahl kein besseres Ergebnis herauskommen. Kurzum: Von einem Babler-Effekt, den seine Fans vom linken Flügel der Partei herbeisehnen, ist auch ein Jahr nach seiner Wahl zum Parteichef nichts zu spüren.
Babler konnte Skeptiker nicht gewinnen
Von maßgeblichen Kräften in der Partei (SPÖ Wien, Gewerkschaft) damals nur deswegen unterstützt, um den burgenländischen Landeshauptmann Hans Peter Doskozil als Parteichef zu verhindern, gelang es dem Traiskirchner Bürgermeister nie, diese Gruppen von sich zu überzeugen. Im Gegenteil: Mit Forderungen wie einer Verkürzung der Arbeitszeit stieß er sie vor den Kopf. Öffentliche Kritik aus den eigenen Reihen – wie sie schon bei seiner Vorgängerin Pamela Rendi-Wagner an der Tagesordnung standen – folgten.
Es geht offenbar nicht nur um die Inhalte: Immer wieder ist der Vorwurf zu hören, die neue Führung würde sich von den Landesorganisationen abschotten.
SPÖ in mehrere Lager gespalten
Mittlerweile ist von mehreren Lagern innerhalb der SPÖ die Rede, die in Opposition zu Babler stehen: die alten Widersacher aus dem Burgenland sowie weitere Ländervertreter – und nicht zuletzt die „Liesinger Gruppe“ innerhalb der Wiener SPÖ, zu der neben Bures auch Wiens Bürgermeister Michael Ludwig gehört.
Ob es vor allem inhaltliche Bedenken waren, die Bures zu ihrer Kritik motiviert haben, ist aber fraglich. Schließlich sei ihr wie allen anderen Präsidiumsmitgliedern der Entwurf des Wahlprogramms schon seit Wochen bekannt gewesen, heißt es aus dem Babler-Umfeld. Viele der Punkte stammen zudem aus dem 24-Punkte-Programm, das bereits beim Parteirat im Mai beschlossen wurde.
Insofern nimmt man im Babler-Umfeld Bures auch ihre Kritik nicht ab, das Wahlprogramm sei ohne Einbindung der Funktionäre entstanden. „Zumal Bures selbst bisher nicht damit aufgefallen wäre, dass ihr innerparteiliche Demokratie ein besonders großes Anliegen wäre.“ Im Babler-Lager interpretiert man den Bures-Vorstoß vielmehr als „letztes Aufbäumen der alten Funktionärsgarde“.
Das Dilemma der Babler-Gegner: Im Vorjahr, als es um den Kampf um die Rendi-Wagner-Nachfolge ging, waren sie nicht in der Lage, einen eigenen Kandidaten ins Rennen zu schicken. Und auch bis dato zeichnet sich keine zugkräftige Persönlichkeit ab, die Babler ablösen könnte, sollte er nach einer Wahlschlappe am 29. September abtreten müssen.
Dass eine solche droht, ist nach den jüngsten Ereignissen jedenfalls noch wahrscheinlicher geworden, ganz gleich, ob für diese Babler selbst oder seine internen Gegner verantwortlich sind. Laut KURIER-OGM-Umfrage liegt die SPÖ derzeit bei 21 Prozent.