Die deutsche Journalistin und Produzentin Sandra Maischberger und der Dokumentarfilmemacher Andres Veiel („Beuys“) standen vor 700 Kisten mit Material. Der Nachlass der deutschen Nazi-Regisseurin Leni Riefenstahl, deren Propaganda-Filme wie „Olympia“ und „Triumph des Willens“ die NS-Ideologie verherrlichten, umfasste private Filmaufnahmen, Tagebücher, Mitschnitten von Telefonaten und unzähligen anderen Dokumenten. Noch niemand hatte sie bislang zur Gänze gesichtet. Andres Veiel montierte daraus das faszinierende Porträt „Riefenstahl“ (derzeit im Kino), in dem er zeigt, dass Riefenstahl keineswegs „nur“ die Mitläuferin war, als die sie sich nach dem Krieg gerne darstellte.
KURIER: Herr Veiel, Produzentin Sandra Maischberger ist an Sie herangetreten, um einen Film über Leni Riefenstahl zu montieren. Haben Sie gleich zugesagt oder gezögert?
Andres Veiel: Ich brauchte erst mal Bedenkzeit, weil ich ja gar nicht wusste, was in den 700 Kisten, die der Nachlass umfasste, eigentlich alles drin ist. Da hat sich dann gezeigt, dass es sich um 100.000 Fotos, Tagebücher, Kalender, 300 Ordner, und unzählige private unveröffentlichte Filme handelte. Ich wurde sehr schnell angefüttert, vor allem durch die persönlichen Dokumente, die Widersprüche aufgeworfen haben. So kommt beispielsweise die Gewalt, die sich durch ihren Vater erlebt hat, in ihren veröffentlichten Memoiren nicht vor, spielt aber in den Entwürfen eine sehr große Rolle. Sehr bald stellte sich für mich die Frage: Was hat sie aus dem Nachlass entfernt? Wo sind Lücken? Wo sind Leerstellen? Wie konstruiert sie ihre Legenden, wo fängt eine offensichtliche Verbreitung von Fake News an? Das hat mich interessiert, und zwar nicht im Sinne der moralischen Empörung, sondern im Sinne von: Wofür steht die Lüge? Warum lügt sie hier?
Wie Sie in Ihrem Film zeigen, wurde Leni Riefenstahl Zeugin von einem Massaker an Juden in Polen. Später stritt sie ab, bei den Erschießungen dabei gewesen zu sein. Wie ordnen Sie diese Ereignisse ein?
Riefenstahl hat bis 1948/ 49 in ihren Notizen festgehalten, dass sie 1939 bei den Anfängen des Polenfeldzugs in Polen Augenzeugin eines Massakers an Juden geworden ist. Ab 1952 liefert sie eine vollkommen andere Erzählung: Auf einmal war sie selbst bei den Erschießungen nicht mehr anwesend, hatte alles nur von Weitem gehört, aber keinen einzigen Toten gesehen. Warum? Damit hätte sie eingestanden, dass sie sehr früh vom Holocaust und von den Anfängen der Judenvernichtung wusste, weil sie dabei war und sie miterlebt hatte. Und das passte dann nicht mehr in die große Erzählung, in der sie behauptete, sie hätte davon erst nach dem Krieg erfahren und wäre ganz entsetzt gewesen.
Tatsächlich war sie mehr als nur Augenzeugin des Massakers, oder?
In dem Nachlass findet sich ein Dokument eines Adjutanten, das noch sehr viel weiter geht: Es beschreibt, dass Riefenstahl nicht nur Augenzeugin war, sondern möglicherweise unwillentlich dieses Massaker mit ausgelöst hat, indem sie eine Regieanweisung gab. Glaubt man den Beschreibungen des Soldaten, dann wollte Riefenstahl für eine Filmaufnahme das perfekte, „saubere“ Bild haben, in dem „schmutzige Juden“, die mit eigenen Händen ein Grab für deutsche Soldaten ausgraben mussten, keinen Platz hatten. Sie wollte also die Juden aus dem Bild weghaben. Diese sind daraufhin misshandelt worden und weggerannt. Dann hat einer der ankommenden Soldaten das Feuer auf sie eröffnet, andere Soldaten haben es mit ihren Maschinengewehren gleichgetan und 22 Juden ermordet. Das war der Anfang der Judenvernichtung, und Riefenstahls Schuld war mit großer Wahrscheinlichkeit sehr viel größer als bislang bekannt war. Das strahlt natürlich auf ihre gesamte Biografie und damit auf den gesamten Film aus, weil sich die Schuldfrage damit nochmals anders stellt und auch die Notwendigkeit, Lügen zu erzählen.
Würden Sie sagen, dass dieser Fund ein komplett neues Licht auf Riefenstahls Biografie wirft?
Ja, möglicherweise war ihre Verstrickung in das Grauen des Regimes viel größer als bislang angenommen. Vielleicht musste sie deshalb auch jegliche Verantwortung dafür so massiv abwehren. – Ebenfalls neu war für mich: Nach dem Krieg blieb sie den Idealen des Regimes weiter treu. Das zeigte sich vor allem in den Telefonaten, die sie nach einer konfrontativen Talkshow im Jahr 1976 mit unzähligen Anrufern geführt hat. Sie hat 20,30 Stunden von diesen Gesprächen aufnehmen lassen. Und da wird deutlich, wie tief sie immer noch in der NS-Ideologie befangen ist. Da rufen auch ehemalige, bekennende SSler an und sagen: „Wir waren Idealisten.“ Und dann sagt Leni Riefenstahl: „Ja, ich auch, wir waren alle Idealisten. Aber das darf man heute nicht mehr sagen.“ Oder wenn ihr Gesprächspartner am Telefon sagt: „Es wird ein, zwei Generationen dauern, dann wird Deutschland wieder zu Sitte, Anstand und Moral zurückkehren.“ Und sie sagt darauf: „Ja, die Deutschen haben ja die Anlage dafür.“ Das ist fast gegenwärtige Prophezeiung: Die Sehnsucht nach einer starken, ordnenden Hand, die für Sauberkeit und Reinheit sorgt und fremde Elemente eliminiert oder zumindest fernhält. Dieser Wunsch, der damals ja noch hinter vorgehaltener Hand geäußert wurde, wird inzwischen wieder laut gesagt. Die Schamgrenze hat sich vollkommen verschoben. Dinge, die vor ein paar Jahren noch unmöglich gewesen wären zu sagen, werden jetzt mit Vehemenz verbreitet und noch mit Wählerstimmen belohnt. Das ist nicht nur hierzulande so. Man kann auch genauso gut in die USA blicken, wo ein Präsidentschaftskandidat sagt, Migranten verschmutzen das amerikanische Blut. Oder politische Gegner müssen wie schädliche Insekten eliminiert werden. Das ist Faschismus pur.
Wie ist es Leni Riefenstahl gelungen, nur als Mitläuferin entnazifiziert zu werden?
Leni Riefenstahl hatte eine unglaublich instinktsichere, schauspielerische Begabung, sich zu inszenieren. Das heißt, sie konnte sehr charmant sein. Sie konnte aber auch Wutausbrüche kriegen, mit denen sie Menschen einschüchterte. Wenn es persönlich bedrohlich wird oder wenn jemand in einem Interview insistierend nachfragt, dann brüllt sie und sagt, sie lasse sich doch von solchen Menschen nicht vergewaltigen. Sie versteht es mit Raffinesse, sich in einer Opfergeschichte einzurichten. Nicht die Juden sind die Opfer, sondern sie, die nach dem Krieg drei Jahre in Lagern und Gefängnissen einsitzen musste und wie eine Hexe verfolgt wurde. Ihre Haltung entspricht offenbar einem allgemeinen Bedürfnis der Bundesrepublik Deutschland in dieser Zeit, dass jetzt endlich einmal Schluss sein muss mit diesem Schuldgerede und Aufarbeitungsgetue. Diese zwölf Jahre waren doch nur, wie später jemand von der AfD gesagt hat, ein Vogelschiss in der großartigen Geschichte des Deutschen Reiches. Die Biografie von Riefenstahl ist eigentlich eine Erzählung aus der Zukunft. Es ist wie eine Warnung: Wie einfach Kunst propagandistisch instrumentalisiert werden kann und damit ein Katalysator für den Zerfall demokratischer Systeme wird.
Wovon hat Riefenstahl eigentlich nach dem Krieg gelebt?
Sie bekam für ihre Filme „Olympia“ und „Triumph des Willens“ unendlich viel Geld – auch nach dem Krieg. Obwohl von höchster Instanz festgestellt wurde, dass sie als ausführende Produzentin der Filme keinerlei Auswertungsrechte hat, erhielt sie trotzdem 70 Prozent der Tantiemen ihrer Filme. Dieses schöne Fertighaus, was wir im Film sehen, ist nach dem Krieg durch staatliches Geld finanziert worden, das ihr nicht zustand. Es ist also widerrechtlich, was nie thematisiert wurde. Insofern ist Riefenstahls Geschichte auch eine Geschichte der Bundesrepublik nach dem Krieg und die Schwierigkeit, so etwas wie Aufarbeitung zu betreiben, angesichts einer großen Mehrheit im Lande, die genug hatte von ihrer Schuld.
In einer geradezu skurrilen Szene hört man, wie sie mit dem Nazi-Architekten Albert Speer telefoniert und darüber spricht, dass sie nicht unter 5.000 Mark in einer Talkshow auftritt.
Ja, heute würde man Unique Selling Point dazu sagen. Die Nazi-Vergangenheit ist ein unglaubliches Verkaufsargument. Sie macht es sehr raffiniert. Sie sagt immer, dass sie über Politik nicht reden will: „Eine Frage über Politik zu Hitler und ich breche das Gespräch ab.“ Aber sie weiß genau, dass das Gespräch darauf kommen wird. Die Muster sind immer die gleichen. Sie empört sich kurzzeitig. Dann redet sie aber eine Stunde über Adolf Hitler und über ihre Rolle, weil sie weiß, dass das der Aufmerksamkeitsfaktor ist. Der britische Fotograf George Rodger hat, so wie Riefenstahl, auch das Volk der Nuba fotografiert. Ich würde mal sagen, fotografisch zum Teil besser, zum Teil vielleicht nicht ganz so spektakulär, aber mit einer Buchauflage von 5000 Stück. Sie, die ähnliche Fotos gemacht hat, aber das mit dem Hitler-Nimbus verknüpfte, hatte eine Auflage von 500.000 und eine Ausstellung in Japan. Sie hat instinktsicher gewusst, wie sie sich zu inszenieren hat, wie sie Verkaufserfolge erreicht. Sie war eine Taktikerin, aber keine Strategin, sonst hätte sie den Nachlass anders hinterlassen.
Frau Maischberger sagte in einem Interview, sie glaube, dass Riefenstahl gewisse auch belastende Dinge gar nicht vernichtet hat, weil sie vielleicht doch irgendwo unbewusst eine Art Bekenntnis hinterlassen wollte. Glauben Sie das auch?
Ich glaube, sie hat es nicht durchschaut. Sie hat diese wohlwollenden Telefonate und die zwei Postsäcke von Briefen, die sie da hinterlassen hat, als eine Art der Rehabilitierung angesehen und deshalb aufbewahrt. Sie hat sie als Wertschätzung gelesen und gemeint, sie werde nun als Künstlerin wieder geschätzt, die genug gelitten hat, die das Kreuz der Verfolgung auf sich genommen hat und – wie sie behauptet hat – drei Jahre in Gefängnissen und Psychiatrien verbrachte. Das sind übrigens Fake News. Ich habe nachgerechnet. Sie war vier Wochen in amerikanischer Haft, was nicht wirklich eine Haft war, sondern ein Hotelvollzug, wo sie nach einer Woche von den Vernehmern ins Casino eingeladen wurde und dort mit ihnen über ihre Bergfilme sprach. Sie wurde dann „unbelastet“ ohne Auflagen entlassen. Sie hat es mit ihrer raffinierten Opfergeschichte, die sie in die Welt gesetzt hat, geschafft. Sie konnte Stimmungen beeinflussen. Aber sie hat nicht durchschaut, wie sie sich vor allem durch das Schulterklopfen mit ehemaligen NS-Verbrechern auch selbst belastete. Sie sah in dem Moment einfach nur die breite Welle an Solidarität. Sie wollte der Nachwelt und sich selbst beweisen, dass das Volk anders denkt als die Medieneliten, die sie für ihre Nähe zu Hitler kritisieren und ihr immer wieder „mit dem Schmutz“ kommen, wie sie sagte.
Sie meinen also, dass es bis zuletzt kein Umdenken gab?
Nein, sie steht still. Für mich als Filmemacher ist es eine doppelte Herausforderung. Eine klassische Heldenreise erzählt ja immer von einer Entwicklung. Leni Riefenstahl verweigert sich nicht nur, sie wird immer sturer und verhärteter. Es wollten ja große amerikanische Stars wie Jodie Foster ihr Leben verfilmen. Es gab immer wieder Anläufe und ist nie passiert. Vielleicht ist die Schwierigkeit die, vor der ich auch stand: Wie erzählt man ein Leben, das stillsteht? Ab 1952 gibt es keine Auseinandersetzung mit der eigenen Rolle mehr, keinerlei Bewegung. Im Gegenteil, sie wird immer stärker verhärtet.
Wie haben Sie eine Entwicklung in Ihren Film hineingebracht?
Was mich gerettet hat, war die Gegenwärtigkeit dieser Biografie, also die Gegenwärtigkeit der Ideologie und ihrer Ästhetik. Ob das jetzt Aufnahmen von der Choreografie der Massen bei der Eröffnung der Winter-Olympiade im Februar 2022 in Peking sind – die Unterordnung des Einzelnen vor einer großen Idee wie bei „Olympia“; oder die Parade von Mai 2022 in Moskau, wo Putin und die vorbeiziehenden Massen aufgenommen wurden wie in „Triumph des Willens“. Es reicht bis zu den ideologischen Spiegelungen der faschistischen Ideologie – vom amerikanischen Präsidentschaftskandidaten bis hin zu den Populisten in Europa.
Wie erklären Sie sich die anhaltende Faszination für Riefenstahls Ästhetik?
Je verunsichernder und angstauslösender eine krisenbehaftete Welt ist, desto mehr sehnt man sich nach Erlösung, nach der Feier des Schönen und des Erhabenen, dass von der Grausamkeit und der Krisenhaftigkeit und der damit verbundenen Angst für Momente erlöst. Riefenstahl bietet so ein Weltbild an. Die Feier dieses starken Schönen zieht sich bei ihr biografisch durch. Das beginnt mit den Weltkriegsteilnehmern, mit denen sie ihre Bergfilme gedreht hat, die ja im Prinzip den Faschismus auch schon vorwegnehmen, indem sie sagen: Andere sind an den Kriegserfahrungen zerbrochen, aber wir sind gestärkt daraus hervorgegangen und haben uns dann vor der Fahne des Führers versammelt. Die sprechen für eine ganze Generation. Faschismus fängt eben nicht 1933 an, sondern hat tiefere Wurzeln. Da ist eine krisenhafte Welt, da ist die Sehnsucht nach Erlösung, nach einer starken, ordnenden Hand.
Es gibt ja auch einen Film von Riefenstahl, der misslungen ist, bei dem Hitler die Haare ins Gesicht fliegen und alle durcheinander rennen…
Das war „Der Sieg des Glaubens“ über den Reichsparteitag der NSDAP. Das war ihr erster Film von 1933, in dem sie noch improvisiert hat. Bei „Der Sieg des Glaubens“ war die Choreografie nicht perfekt, der Wind war zu stark, Hitler fiel immer wieder eine Strähne ins Gesicht. Dann rennen plötzlich alle durcheinander, weil fünf Ordner unterschiedliche Anweisungen bekommen haben. Dann fährt ein Auto durch und es staubt und alle husten. Im Prinzip ist es wie Slapstick. Aber genau das hat sie ja ausgemerzt. In „Triumph des Willens“ herrscht Totalkontrolle über jedes Bild. Und das unterscheidet sie von Eisenstein und anderen, die ja auch die Massen willensstark, aber individuell inszenieren. Aber da wollte sie nicht. Sie will die organisierte, sich ganz unterordnende Masseninszenierung. Das ist ihr gelungen.
Sie haben von einer Täter-Opfer-Umkehrung gesprochen. Riefenstahl behauptet, Goebbels habe sie vergewaltigt. Hat sie das erfunden oder gibt es dafür historische Belege?
Nein, das wissen wir nicht. Goebbels hat das in seinen Tagebüchern wohlweislich nicht näher ausgeführt. Es gibt dazu unterschiedliche Geschichten. Einmal spricht Riefenstahl über Goebbels wie eine gekränkte Geliebte. Ein andermal berichtet sie von der Vergewaltigung, von diesem Ekel vor Goebbels, der sie überwältigen wollte und das wohl auch getan hat. Zusammenfassend entsteht der Eindruck, dass die Beziehung auch 70 Jahre danach noch sehr emotional aufgeladen war. Offenbar hat sie einen sehr hohen Preis für ihren Erfolg bezahlt, der durch eine Parteielite ermöglicht wurde, zu der natürlich in allererster Linie Hitler und Goebbels gehörten.
Man hat das Gefühl, man sieht zwei Stunden lang einer Frau beim Lügen zu. Hatten Sie das Gefühl auch, als Sie das Material montiert haben?
Ja, das Interessante ist ja eben nicht die moralische Frage. Sie lügt, sie verändert Wahrheiten und schafft dadurch neue Wahrheiten, die nicht mehr hinterfragt werden. Und das finde ich eigentlich das Interessante, oder das Gefährliche, weil das es sehr heutig ist. Wir erleben tagtäglich, dass sich Fake News, obwohl sie längst entkräftet wurden, weiterverbreiten, weil sie mit Vehemenz wiederholt vorgetragen werden. Und dann irgendwann nicht mehr infrage gestellt werden. Bei ihr ist das genau so passiert. Je älter sie wurde, desto akzeptierter wurden diese Fake News. Sie galt als Heldin, die das Alter und die Krankheit besiegt, weil sie einen Hubschrauberabsturz überlebte und danach im Krankenhaus gefilmt wird wie sie sagt, sie habe mehr Metall als Knochen im Körper: „Aber in einer Woche gehe ich auf die Malediven zum Tauchen.“ Ja, das ist Instagram. Das ist letztendlich der Sieg über einen schwachen Körper. Das ist genau diese Ideologie, die sie an sich selbst sehr gut zu verkaufen weiß. Sie ließ sich lückenlos dokumentieren. Wir hätten sogar ihre letzten Atemzüge zeigen können, bei denen ihr Lebenspartner sie noch gefilmt hat. Wir hatten Bilder von ihr in der Badewanne, wo sie als 85-Jährige mit ihm flirtet: „Baby, guck mal, Beinbruch, und ich kann das Bein jetzt schon so bewegen.“ Wir haben Nachweise von unzähligen Schönheitskosmetik-Operationen. Wir haben dieses Material nicht verwendet und sie in diesem Sinne vor sich selbst geschützt, weil wir keinen Ausverkauf betreiben wollten. Aber im Prinzip nimmt sie vieles vorweg, was sehr heutig ist, auch was Selbstvermarktung und die Inszenierung als eine ewig Siegreiche betrifft.
In Ihrem Film sagen Sie einmal in einem Voice-Over, Österreich sei Hitlers erstes Opfer gewesen. Dieser Opfermythos hat lange die Vergangenheitsbewältigung in Österreich verzögert. Warum verwenden Sie dieses Wording?
Wir haben das natürlich sehr genau überlegt, weil wir auch diese Bilder hatten, auf denen Hunderttausende auf die Straße gegangen sind und sich eben nicht als Opfer gesehen haben, sondern jubelnd Adolf Hitler begrüßen. Aber das hat vielleicht auch etwas mit meiner Familiengeschichte zu tun. Mein Großvater war kommandierender General der Wehrmacht und einer der Befehlshaber in Wien. Natürlich gab es da sehr viele, die jubelnd an den Straßen standen. Aber auch wenn da die Panzer meines Großvaters mit einem Blumenregen begrüßt wurden, gab es Hunderttausende, die nicht jubelten und bald in den Konzentrationslagern verschwanden. Und für die war es kein Blumenkrieg. Und von denen, die bald verschwanden, wusste auch mein Großvater, wusste auch ein Kurt Waldheim. Rückwirkend hätten viele eingestehen müssen, dass sie sich für ihren Jubel schämen.