Daniel Beichler war noch keine 29 Jahre alt, als er 2017 seine Fußballschuhe aufgrund anhaltender gesundheitlicher Probleme an den Nagel hängen musste. Das einstige Supertalent von Sturm saß in einer sportlichen Talsohle fest: Das Training mit der Kampfmannschaft von St. Pölten erstritt sich der Offensivspieler vor Gericht; wegen Verletzungen und Krankheiten blieb er bei fünf Länderspieleinsätzen stehen.
Dabei mischte „Beichi“ rund zehn Jahre vorher – gemeinsam mit Jakob Jantscher – die österreichische Liga auf: Die beiden Grazer galten auf und neben dem Platz als die jungen Wilden: Dynamisch, frech aber liebenswürdig. Doch während Jantscher 2010 ein Angebot von Ligakrösus Salzburg annahm und anschließend eine erfolgreiche Auslandskarriere startete, sollten die sportlichen Erwartungen seines Kumpels nicht erfüllt werden. Beichlers Berliner Großmutter Hertha zeichnete dem damals 21-jährigen den Weg zu seiner ersten Auslandsstation zwar quasi vor, doch in der Heimat seiner Oma sollte dem gebürtigen Steirer das Glück nicht hold sein: Nach einer Leisten-OP, öffentlicher Kritik am Trainer und Sonderurlaub hinterließ Beichler nur verbrannte Erde in der deutschen Hauptstadt. Im Winter 2011 verlieh man ihn nach St. Gallen, wo er mit einer rätselhaften Viruserkrankung ausfiel. Nach weiteren Leih-Stationen in Duisburg und im heimischen Ried, dockte der damals 24-jährige schließlich beim SV Sandhausen an.
Im 15.000-Einwohner-Städtchen in Baden-Württemberg wollte Beichler seine angeknackste Karriere wieder in ruhigere Bahnen lenken. Ein leichtsinniges Versprechen abseits des Platzes führte mitten in der Saison aber dazu, dass er ungewollt in den Fokus rückte: Am 9. April 2013 traf sich die Sandhausener Kampfmannschaft um das CL-Viertelfinal-Rückspiel zwischen Borussia Dortmund und dem FC Málaga gemeinsam anzuschauen. Treue BVB-Anhänger haben dieses Match als die legendären „69 Sekunden zur Ewigkeit“ in Erinnerung: Nach einem 0:0 im Hinspiel führten die Spanier bis zur Nachspielzeit mit 2:1, weshalb zwei Tore für einen Aufstieg Dortmunds vonnöten waren. Nachdem die Chancen für das Heimteam wirklich schlecht standen, ließ sich Daniel Beichler im Kreise seiner Teamkameraden zu einer Wette hinreißen: „Wenn der BVB das noch dreht, laufe ich nackt durch Sandhausen!“, versprach er grinsend. Es kam, wie es kommen musste und der BVB erhörte ihn: Langer Ball von Hummels, Subotić passte zu Santana, Marco Reus verwertete den Nachschuss. Kurze Zeit später war es umgekehrt: Reus Schuss mutierte zum Querpass, der von Felipe Santana beinahe unfreiwillig über die Linie gedrückt wurde: 3:2. Das Fußballwunder war geschafft!
Doch nicht nur im Signal-Iduna-Park wurde gejubelt als gebe es kein Morgen, auch die Mannschaft von Sandhausen johlte – wenn auch aus einem anderen Grund: Beichler wurde bei seinem Wort genommen und aufgefordert – als Ehrenmann – seine Wettschulden prompt zu begleichen. Nachdem schon das ein oder andere Bier geflossen war, erklärte sich die Hertha-Leihgabe schließlich bereit einen Abendspaziergang der besonderen Art hinzulegen. Die Mitspieler ließen es sich nicht nehmen Daniels Strip im Autocorso durch das verschlafene Örtchen zu begleiten: Mit einem Hupkonzert generierten sie weit nach 22 Uhr die Aufmerksamkeit der wenigen Passanten. Beichler war die Situation peinlich. Nur im Adamskostüm versuchte er die Sache rasch hinter sich zu bringen, während seine Kollegen ihren Spaß hatten. Dieser Abend stellte eine willkommene Abwechslung im Abstiegskampf dar.
Letzteren verlor der SV Sandhausen am Ende der Saison allerdings, einzig der Lizenzentzug des MSV Duisburg rettete den 1916 gegründeten Verein vor der Drittklassigkeit. Daniel Beichler wechselte nach dem Auslaufen seiner Leihe endgültig zu seinem Stammklub Sturm zurück, für den er noch zwei Jahre spielen sollte ehe sein Karriereausklang in St. Pölten folgte. Aktuell werkt „Beichi“ als Cheftrainer des FC Liefering und meint: „Ich will den Jungs Dinge mitgeben, die mir geholfen haben und wo ich nicht ideal gehandelt habe.“ Noch als Hertha-Spieler hatte er keinen Hehl daraus gemacht, dass seine Sturheit, Ungeduld und fehlender Einsatz im Training in seiner Laufbahn nicht hilfreich waren. Fehlenden Teamgeist kann man Daniel dagegen nicht vorwerfen; das werden vor allem seine ehemaligen Mitspieler aus Sandhausen bestätigen.
Marie Samstag, abseits.at