Startseite Sport Anekdote zum Sonntag (250) – Von Spiel zu Spiel » abseits.at

Anekdote zum Sonntag (250) – Von Spiel zu Spiel » abseits.at

von Max

Die Art, wie der DFB die Spielernominierungen zur Heim-EM 2024 bekannt gab, gefiel vielen Fußballfans: Unsre Lieblingsnachbarn veranstalten einen PR-Gag und ließen die Namen jener Kicker, die es in den endgültigen Kader geschafft hatten, unter anderem in einem beliebten Fußballpodcast, durch Influencer in den sozialen Medien oder in einer Nachrichtensendung verlautbaren. Früher liefen die Einberufungen in die Nationalmannschaft eher unspektakulär ab; ein Telefonanruf des Teamchefs war die gängigste Methode. Sehr überraschend dagegen kam der heutige ORF-Experte Roman Mählich vor über 30 Jahren zu seinem Länderspieldebüt. Die Umstände, die diese Premiere begleiteten, waren etwas ungewöhnlich:

Mählich werkte in seiner Fußballkarriere acht Jahre lang als Arbeitsbiene von Sturm Graz und wurde in dieser Zeit zu einem der erfolgreichsten Kicker Österreichs; drei Cupsiege, zwei Meistertitel, Champions League-Erfolge und eine WM-Teilnahme sprechen Bände. Dabei stand der Abräumer nie groß im Rampenlicht; einen seiner wenigen Starmomente hatte der Defensivspieler, als er David Beckham in einer CL‑Partie abmontierte und ihm dabei nette Worte mitgab: „Du G’schissener!“, hieß Mählich die Nummer 7 der Red Devils nach einem Schlag ins Gesicht.

Über sein Verhältnis zu Sturm Graz sagte Roman nach seiner Profikarriere Unterschiedliches: Einmal bezeichnet er den Kultklub als seinen „Herzensverein“, dann wieder erklärt er, dass man als Spieler Opportunist sei: „Ich hab‘ dort [Anmerkung: bei Sturm] gespielt, vor mehr als 20 Jahren, aber mehr verbindet mich nicht. Du spielst dort, wo du einen Vertrag bekommst, ist ja logisch.“ So oder so – wegen seiner erfolgreichen Zeit in Graz glauben viele, dass der heute 53-jährige Steirer ist. Das ist jedoch falsch: Nachdem er in Wiener Neustadt das Licht der Welt erblickte, wuchs Mählich in einem Gemeindebau in Wien-Donaustadt auf. Als echter Käfigkicker schaffte er es als Teenager in die Jugend des Wiener Sportclubs und feierte 1989 sein Debüt für die Kampfmannschaft der Dornbacher. Drei Jahre später lief er erstmals für das rot-weiß-rote A-Team auf: In der 86. Minute des Freundschaftsspiels Österreich gegen Portugal sollte der Defensivspieler für Peter Stöger eingewechselt werden.

Dass ihm diese Ehre zu Teil werden würde, hatte Mählich erst drei Tage zuvor zwischen Tür und Angel erfahren: Am Sonntag, dem 30. August 1992, stand der Defensivspieler bei einer sogenannten Matinée gegen Wacker am Feld. 10:30 Uhr war damals Anpfiff in Wien-Hernals. Während sich Mählich auf dem Feld verausgabte, beobachtete ihn von der Tribüne niemand geringerer als Teamchef Ernst Happel. Nach dem das Pflichtspiel mit einem 0:0 endete, wurde dem noch nicht 21-jährigen auf dem Weg in die Kabine gesagt, dass ihn Happel in wenigen Stunden beim Treffpunkt des A-Teams sehen wolle: „Happel hat gesagt, der Bua soll mitkommen.“ Mählich war begeistert: Die typische Fußballer-Phrase „Von Spiel zu Spiel“ bekam für ihn eine neue Bedeutung. Aufgeregt aber euphorisch setzte er sich in seinen Golf und brauste nachhause. Viel Zeit hatte er nicht: Der spätere zweifache Meister konnte sich gerade noch frischmachen, umziehen und das Notwendigste für den Teamlehrgang in Oberösterreich einpacken. Dann hastete er schon zum Treffpunkt des Nationalteams. Im ÖFB-Bus nickte ihm ein von seiner Krebserkrankung schon schwer gezeichneter Happel zu und meinte mit spitzbübischem Lächeln: „Na Bua, ist sich das Duschen eh noch ausgegangen?“ Mählich bejahte ehrfurchtsvoll und setzte sich. Mehr sollte Happel nicht zu ihm sagen; der Grantler war kein Freund vieler Worte.

Drei Tage später feierte der spätere Sturm-Spieler sein Debüt für das A-Nationalteam auf der Linzer Gugl. Es sollte sein erster und einziger Einsatz unter dem „Wödmasta“ bleiben: Happel starb rund zwei Monate später an Lungenkrebs und Mählich wurde in die U21 Österreichs zurückbeordert. Erst 1997 ergatterte der Defensivspieler wieder einen Kaderplatz in der Ersten und fuhr ein Jahr später unter Herbert Prohaska zur WM-Endrunde nach Frankreich. An diese Zeit denkt der dreifache Vater bis heute gern zurück: „Dass wir den Aufstieg ins Achtelfinale nicht geschafft haben, ärgert mich gar nicht mehr, die Freude bei einer WM gespielt zu haben überwiegt!“ So war der Fußballer Mählich – geerdet und bodenständig und wenn es darauf ankam, haute er sich ins Zeug: Ob gegen Beckham oder bei seiner überraschenden Einberufung ins Nationalteam.

Marie Samstag, abseits.at

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