Startseite Kultur Anna Brus, zentrale Frau des Wiener Aktionismus, im 82. Lebensjahr verstorben

Anna Brus, zentrale Frau des Wiener Aktionismus, im 82. Lebensjahr verstorben

von Max

Anna Brus, Frau des 2024 verstorbenen Aktionisten und Bilddichters Günter Brus, ist tot: Das gab das Universalmuseum Joanneum in Graz, das mit dem „Bruseum“ eine zentrale Stätte zur Auseinandersetzung mit Brus‘ Werk betreibt, bekannt. Die als Ana Steiner in Kroatien geborene Brus war seit 1961 an Seite des oft angefeindeten Aktionisten – als „seine Managerin, sein ultimativer Rückhalt und seine schärfste Kritikerin“, wie es in der Aussendung heißt. Sie sah sich selbst nicht als Künstlerin, war aber intensiv in Brus‘ Arbeit involviert: „Das Werk des Künstlers ist ohne die unterstützende Kraft seiner Frau nicht zu denken.“

Nicht nur Männerdomäne

Für jene oberflächlichen Betrachter, die den Wiener Aktionismus schlicht als eine künstlerische Männerbündlerei betrachteten und ihm gar frauenverachtende Tendenzen unterstellten, lieferte Anna Brus‘ Biografie stets ein Gegenargument.  „Brus gilt als wichtigste weibliche Mitwirkende bei den Aktionen der frühen 1960er-Jahre. Sie war Co-Akteurin und Gesprächspartnerin nicht nur für Günter Brus, sondern auch für Otto Muehl und Rudolf Schwarzkogler, die ihr eigene Aktionen widmeten. Mit Hermann Nitsch verband sie eine tiefe Freundschaft“, führen die Verantwortlichen des Joanneums, die der nun Verstorbenen 2023 eine eigene Ausstellung im „Bruseum“ widmeten, aus. „Als einzige Frau war Anna Brus die ganze Zeit über gleichberechtigt in die Gruppe integriert. Sich selbst hat sie nie als Künstlerin gesehen, sie war aber als Mitkämpferin für die Anliegen der Avantgarde den Männern ebenbürtig.“

Als Ana Steiner 1943 in Viškovci in Kroatien geboren, musste sie mit ihrer Familie kurz vor Kriegsende das Land verlassen. Die Erfahrung von Flucht, Armut und Ausgrenzung hat sie ein Leben lang nicht vergessen und diese hat ihr politisches Bewusstsein geprägt.  Die Rücksicht auf die Familie war es wohl auch, die Günter Brus davon abhielt, seine Körperkunst noch weiter ins Extreme zu treiben: Mit der Aktion „Zerreissprobe“ (1970) beendete er seine Auseinandersetzung mit dem Aktionismus im engeren Sinn. 

Zuvor hatten die Aktionisten mit der Aktion „Kunst und Revolution“ an der Wiener Uni die Aufmerksamkeit der Behörden auf sich gezogen, die Brus eine mehrmonatige Haftstrafe einbrachte. Als junge Mutter war Anna Brus von einem Tag auf den anderen alleine mit der gemeinsamen Tochter Diana. 1969 floh die Familie Brus gemeinsam nach West-Berlin, wo sie zehn Jahre lebten. Durch ihre Profession als Schneiderin konnte sie der Familie ein geregeltes Einkommen sichern. Ihre erfolgreiche Mode-Boutique besuchten damals Stars wie Santana oder Karl Lagerfeld.

Gegen das Schwarzweiß

Bis zuletzt machte Anna Brus kein Hehl daraus, dass sie sich selbst als Feministin sah – und in ihrer Mitwirkung an Aktionen eben nicht zum Objekt degradiert wurde, wie es viele unterstellten. Das Joanneum würdigt in seinem Nachruf ihren Einsatz für einen differenzierten Blick, „wo nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Kunstbetrieb eine zeitgeistige Schwarzweißmalerei vorherrscht und die Political Correctness den offenen und ehrlichen Blick auf die Vergangenheit verstellt.“ Am 4. April ist diese Stimme verstummt – „nach langer, schwerer Krankheit“, wie es vonseiten des Museums heißt.

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