Kurz beschleicht einen der Verdacht, man könnte in ein Zeitloch gefallen sein. Aber nein: Das Plakat auf einem alten Pappaufsteller in der Sigmund-Haffner-Gasse hat sich nur gut erhalten. Es wirbt für eine Ausstellung, die das Museum Rupertinum von 14. 12. 2000 bis zum 4. 2. 2001 (!) zeigte: „Meisterzeichnungen von Picasso bis Beuys“.
In Salzburg ist das, was gestern und vorgestern „Moderne“ hieß, häufig nebeneinander präsent. Es gibt Zeitkapseln wie die traditionsreiche Galerie Welz und die „Art & Antique“-Messe in der Residenz, die das Gewesene präsent halten. Es gibt dazu Innovatoren und international ausgerichtete Galerien. Die Diskussion, was in der österreichischen Kunst bewahrenswert, frisch oder auch nur marktfähig ist, offenbart sich oft auf engstem Raum.
Im Rupertinum, das heute Teil des „Museums der Moderne“ ist, regieren 25 Jahre nach dem Werbeplakat wieder die Klassiker: Die Sammlungsschau „Slice of Life“ zeigt hier Werke „Von Beckmann bis Jungwirth“. Die Auswahl kündet von einem Krisenmodus, vieles erzählt von Krieg und Vertreibung. Gegen Ende des Parcours hängt eine Zeichnung von Maria Lassnig mit dem Titel „Introspektion“. Von Martha Jungwirth ist ein Bild der „Indesit“-Serie zu sehen, mit der sie 1977 auf der Kunstschau documenta gastierte – eine abstrahierte Version eines Geschirrspülers.
Auf und ab (und auf)
Jungwirth, heute 85 Jahre alt, hat zuletzt einen zweiten Karriere-Höhenflug hingelegt. Er verdankt sich nicht unwesentlich dem Umstand, dass der Galerist Thaddaeus Ropac die Künstlerin in eine internationale Umlaufbahn katapultierte. Nach Ausstellungen in Venedig, Bilbao und Schanghai richtet Ropac nun seine Salzburger Frühjahrsschau für die Malerin aus: Unter dem Titel „Der letzte Tag ist der schlimmste“ (ein Zitat aus einem Zeitungsbericht) sind meist großformatige Werke der vergangenen fünf Jahre zu sehen.
Alle hat die Künstlerin auf den für sie typischen Karton gemalt, alle sind sie Ausdruck eines Schwebezustands: Ein Gegenstand, eine Figur ist in den Bildern mal mehr, mal weniger stark angedeutet, das Konkrete löst sich auf im Akt des Malens. Was bleibt, ist der Sinn dafür, Fläche und Farbe – mal kursorisch schnell aufgetragen, mal intensiv vermischt und verdichtet – zu einem stimmigen Ganzen zu bringen.
Zwischen 90.000 und 500.000 Euro kosten die Werke in Ropacs Schau. Dass sich Jungwirths Aufschwung auch auf den sogenannten Sekundärmarkt auswirkt, auf dem Werke von Vorbesitzern gehandelt werden, ist auf der „Art & Antique“-Messe zu beobachten: Die Händler Wienerroither & Kohlbacher bieten hier eine Malerei auf Papier (2019) um 170.000 € an, Kolhammer & Mahringer eine Zeichnung um 24.800 €.
Der Linzer Händler Walter Freller versucht inzwischen, ein Gemälde von Albin Egger Lienz, „Das Mittagessen“ von 1920, an den Mann zu bringen. Das Bild existiert in mehreren Fassungen, von denen sich fünf bereits in Museen befinden. Die angebotene Version ist besonders groß und gut erhalten, auf dem veranschlagten Preis – er ist „siebenstellig“, sagt Freller nur – will der Händler beharren. Dass manche Kunden in unsicheren Zeiten ausbleiben, bestätigt Freller – „manche Immo-Entwickler sieht man nicht mehr so oft als Kunden“, sagt er. „Aber wir jammern auf hohem Niveau.“
Krisenmodus?
Generell ist die Messe ein Indikator für das, was Händler gerade für verkäuflich halten; dass es wieder mehr Sicherheitsbedürfnis zu geben scheint, verheißt die Präsenz gut etablierter Namen der österreichischen Moderne. Schneemotive des Kitzbühelers Alfons Walde sind so häufig zu sehen, dass Walter Freller – ansonsten Experte für genau diese Ware – verzichtet hat, solche Bilder heuer anzubieten. Dafür zeigt er Waldes eher untypisches Wimmelbild „Bauernmarkt“ aus dem Jahr 1913. Preis: Ebenfalls „siebenstellig“.
Bestätigung
Den Wunsch nach Stabilität und Musealität garantieren dazu noch Herkunftsgeschichten: Das Gemälde „Gefallenes Mädchen“ von Maria Lassnig (Galerie Kovacek, 580.000 €) etwa erhält zusätzliche Bestätigung dadurch, dass es sich einst im Besitz des Rupertinum-Direktors Otto Breicha befand.
Auch der vormalige Albertina-Chef Klaus Albrecht Schröder ist ein Garant für Seriosität: Am Freitag eröffnete er die Ausstellung von Ben Willikens in der Galerie von Nikolaus Ruzicska. Willikens, einst Rektor der Münchner Kunstakademie, hatte 2022 eine große Albertina-Ausstellung, einige Bilder gelangten durch eine Schenkung an das Museum.
Die Salzburger Schau („Archäologie des Schweigens“) vereint nun Bilder jüngeren Datums, mit denen Willikens Motive aus seinem Frühwerk, in dem er seine Erfahrungen in einer geschlossenen Anstalt verarbeitete, wieder aufnimmt – „nicht als Remix, sondern als Aktualisierung“, wie Willikens sagt. Krankenbetten, Neonlampen oder Sessel sind die Motive, entlang derer Willikens ein Programm der malerischen Reduktion durchzieht – doch subjektive Blickwinkel und farbliche wie kompositorische Details schleusen durch die Hintertür fast schon wieder spielerische Facetten ein. Ein Gemälde kostet 45.000 Euro. Es ist nicht die Art Kunst, die normalerweise auf Antiquitätenmessen landet.
- Die Kunstmesse Art & Antique findet heuer zum 48. Mal in den Räumlichkeiten der Residenz in Salzburg statt (bis 21. 4., Tickets regulär 15 €, ermäßigt 12 €).
- Die Ausstellung von Martha Jungwirth – „Der letzte Tag ist der schlimmste“ – läuft bis 31. 5. in der Galerie Thaddaeus Ropac (Mirabellplatz 2, Mo–Sa 10–18 Uhr, So 10–14 Uhr, Eintritt frei).
- Die Schau von Ben Willikens, „Archäologie des Schweigens“ in der Galerie Nikolaus Ruzicska ist bis 16. 5. zu sehen (Faistauergasse 12, bis 17. 4. täglich 10 bis 17 Uhr, danach Di-Fr 9.30–16 Uhr, Sa nach Voranmeldung).
- Weitere Galerieausstellungen: Gottfried Mairwöger in der Galerie Welz (Sigmund Haffner-Gasse 16, Mo-Fr 10–18 Uhr, Sa 10–13 Uhr), Julia Haugeneder und Raphaela Riepl bei Sophia Vonier (Franz-Josef-Straße 5/3, Mi-Fr 12-17 Uhr, Sa 11–14 Uhr).
- Das Museum der Moderne in der Altstadt (Rupertinum) zeigt die Schau „Slice of Life – von Lassnig bis Jungwirth“. In einem Gastspiel im Rupertinum präsentiert das Salzburg Museum frühe Fotografie aus Salzburg (bis 19. 10.)
- Am Mönchsberg eröffnete „Cascade“, eine Schau der russisch-britischen Bildhauerin Nika Neelova. Sie läuft bis zum 12. April 2026. Noch bis 15. 9. ist die Werkschau der belgischen Konzeptkünstlerin Jacqueline Mesmaeker zu sehen. Am 4. 5. endet die zwischen Theater, Film und Museum angesiedelte Werkschau der Britin Rose English.