Ab 2025 wird voraussichtlich kein russisches Gas mehr nach Österreich fließen. Die Versorgung hierzulande gilt als gesichert, aber Preisanstiege sind wahrscheinlich. Die WZ gibt die wichtigsten Antworten.
Seit Mitte November liefert Russland kein Gas mehr an die OMV. Nach Österreich generell fließt aber sehr wohl noch russisches Gas – Betonung auf „noch“. Denn das dürfte sich sehr bald ändern: Mit Jahresende endet der Transitvertrag zwischen der Ukraine und Russland. Ohne Weiterleitung durch die Ukraine wäre Österreich vom russischen Gas abgeschnitten.
Wie wird es dann weitergehen? Wie ist Österreich auf diesen Fall vorbereitet und wie wird sich der Gaspreis entwickeln? Wir liefern Antworten auf die wichtigsten Fragen in diesem doch mitunter unübersichtlichen Thema.
Warum bezieht Österreich überhaupt noch russisches Gas?
Während Deutschland und Italien ihre russischen Gasimporte nach Kriegsbeginn im Februar 2022 auf null reduzierten, bezog Österreich durchgehend weiter Gas aus Russland. Auch 2024 lag der russische Anteil noch beständig bei 81 bis 97 Prozent. Regierung und OMV begründeten dies mit einem Langfristvertrag bis 2040, der Zahlungen auch ohne Gasabnahme vorsieht. Die Details des Vertrags hielt die OMV aber unter Verschluss.
Warum stieg die OMV jetzt aus?
Gazprom stellte im November die Lieferungen ein, nachdem die OMV angekündigt hatte, zugesprochene Schadenersatzzahlungen von 230 Millionen Euro mit laufenden Zahlungen zu verrechnen. Die OMV hatte diesen Schadenersatz vor einem schwedischen Schiedsgericht erstritten, weil Gazprom schon 2022 vereinbarte Liefermengen nicht einhielt und damit die Preise in die Höhe trieb. Der Lieferstopp bot der OMV nun die Gelegenheit für einen rechtlich sauberen Ausstieg. Der Zeitpunkt passt zum ohnehin bevorstehenden Ende des ukrainischen Gastransitvertrags Ende 2024.
Hätte die OMV nicht schon deutlich früher aussteigen können?
Vermutlich ja. Schon Mitte 2022 lieferte Gazprom nur ein Drittel der vertraglich vereinbarten Menge. Die Liefereinbußen wurden auch von der OMV selbst bestätigt. Mit derselben Argumentation wie jetzt hätte die OMV also wohl schon deutlich früher den Vertrag kündigen können. Dies hätte aber mutmaßlich ein zeitnahes Handeln infolge der Lieferrückgänge erfordert. Ein solcher Schritt war dem Konzern aber offensichtlich rechtlich zu riskant oder finanziell zu unattraktiv. Eine WZ-Anfrage zu den Gründen, warum die OMV nicht früher ausgestiegen ist, beantwortete der Konzern lediglich damit, ihre juristische Strategie nicht öffentlich zu kommunizieren.
Fließt aktuell noch russisches Gas nach Österreich?
Ja, die Mengen des gelieferten Gases sind bisher kaum gesunken. Neben der OMV gibt es viele weitere Abnehmer, wie etwa die Landesenergieversorger und Firmen. Die früher für die OMV reservierten und teilweise von ihr profitabel weiterverkauften Mengen landen nun an der österreichischen Gasbörse CEGH. Dort kann die OMV weiter russisches Gas kaufen, wenn auch teurer als mit dem ursprünglich abgeschlossenen, langfristigen Liefervertrag.
Wann wird kein Gas mehr aus Russland kommen?
Voraussichtlich am 1. Jänner 2025. Dann läuft der Transitvertrag zwischen Russland und der Ukraine aus. Die Ukraine will offiziellen Angaben zufolge den Vertrag nicht verlängern, um Putins Kriegskassa nicht länger als unbedingt nötig zu füllen. Mit dem Ende der Durchleitungen würde auch in Österreich kein russisches Pipeline-Gas mehr ankommen.
Wie ist Österreich auf diesen Fall vorbereitet?
Die Regierung sieht die Versorgung als gesichert an. Die Gasspeicher sind zu über 90 Prozent gefüllt, etwa die Hälfte davon gehört österreichischen Abnehmer:innen. Durch die Rezession und den milden Winter ist der Verbrauch derzeit niedrig. Unternehmen haben zudem alternative Lieferquellen aus Norwegen, Italien und Deutschland gesichert.
Welche Probleme gibt es dennoch?
Mit dem Ende russischer Gaslieferungen drohen Preissteigerungen aufgrund einer zumindest kurzfristigen Verknappung des Angebots. Die Gashandelspreise an der Börse dürften dadurch ansteigen, was Haushalte und Unternehmen weiter belasten und die Inflation neuerlich antreiben könnte. Diese Steigerungen sind aller Wahrscheinlichkeit nach weniger drastisch als als 2022/23, weil die Versorgungslage diesmal kein Problem sein wird. Doch selbst ein Anstieg um „nur“ zehn Prozent wäre spürbar.
Wie viel mehr wird das Gas kosten?
Die zu erwartenden Mehrkosten sind schwer vorherzusagen. Die meisten Expert:innen sind sich einig, dass es keine ganz großen Preisausschläge mehr geben wird. Leo Lehr von der E-Control, der Regulierungsbehörde für die österreichische Strom- und Gaswirtschaft, rechnet etwa mit moderaten, kurzfristigen Anstiegen von drei bis zehn Euro pro Megawattstunde. Bei derzeitigen Preisen von knapp 45 Euro pro Megawattstunde wäre dies ein Anstieg von 7 bis 22 Prozent.
Dazu kommen jedenfalls auch steigende Kosten für das Gasnetz, wie die E-Control kürzlich bekanntgab. Unter anderem deshalb, weil Österreich künftig keine Transiteinnahmen mehr aus der Durchleitung von russischem Gas in unsere Nachbarländer erhält. Das Netz muss aber trotzdem aufrecht erhalten werden, weshalb jeder künftig etwas mehr zahlen muss.
Was muss politisch passieren, um die Gasversorgung sicherzustellen?
Die Ausgangslage Österreichs ist zwar deutlich besser als noch vor zwei Jahren, Expert:innen sehen aber weiterhin Handlungsbedarf, vor allem bei den Leitungskapazitäten. Besonders wichtig ist in diesem Zusammenhang der „WAG-Loop“ im Mühlviertel.
Gemeint ist die West-Austrian-Pipeline (WAG). Zwischen Bad Leonfelden und Oberkappel fehlt ein 40 Kilometer langes Pipeline-Teilstück, um Österreich stärker an das deutsche Gasnetz anzubinden. Der Bau hat sich jedoch wegen unklarer Finanzierung – Kostenpunkt rund 70 Millionen Euro – mehrfach verzögert. Auch die Bundesregierung schien es nicht allzu eilig zu haben. Experten wie der frühere OMV-Chef Gerhard Roiss fordern seit langem, das Pipeline-Teilstück schnellstmöglich zu bauen, um für die Zukunft gerüstet zu sein und Preisausschläge möglichst zu verhindern.
Wie können sich Verbraucher vor Preissteigerungen wappnen?
Ein Gas-Tarifvergleich über den Preisrechner der E-Control ist ratsam. Die Wahl besteht zwischen teureren Festpreis-Tarifen mit Planungssicherheit und günstigeren „Floater-Tarifen“, die Börsenschwankungen folgen. Wenn es wie erwartet zu den erwarteten Preissteigerungen ab 2025 kommt, dürfte sich ein Vertragsabschluss vor Ende 2024 lohnen. Doch auch unabhängig davon lässt sich durch einen Tarifwechsel oft viel Geld sparen.
Da Gaspreise den Strompreis beeinflussen, lohnt sich auch beim Strom ein Vergleich, ebenfalls etwa bei der E-Control möglich. Sowohl bei Gas als auch beim Strom können Kund:innen mehrere hundert Euro pro Haushalt einsparen. Der Wechsel ist in aller Regel unkompliziert.
Stichwort Strom: Was kommt da auf uns zu?
Ein Teil der heimischen Stromerzeugung erfolgt in Gaskraftwerken. Wird das Gas teurer, steigt zwangsläufig auch der Strompreis.
Für künftig höhere Strompreise gibt es zwei weitere Gründe: Die E-Control hat erstens angekündigt, die Netzgebühren auch beim Strom deutlich erhöhen zu müssen. Auch hier sind die Ursache niedrigere Übertragungsraten im Netz, während die Netzkosten nach wie vor voll getragen werden müssen.
Und zweitens läuft Ende 2024 die Strompreisbremse aus, mit der bisher ein Grundkontingent pro Haushalt gefördert wurde. Die genauen Mehrkosten hängen von Tarif und Verbrauch ab.
Wird es neue Förderungen geben?
Das muss die neue Regierung entscheiden. Derzeit sind keine neuen Förderschienen geplant.
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Infos und Quellen
Genese
WZ-Autor Florian Bayer beschäftigt sich seit bald drei Jahren mit Österreichs Abhängigkeit von russischem Gas. Schon aus rein wirtschaftlichen Gründen war es ein Fehler, sich in einem so heiklen Bereich vor allem von einem einzigen Anbieter – der russischen Gazprom – abhängig zu machen. Das belegen nicht zuletzt die extrem gestiegenen Gashandelspreise, nachdem Russland im Jahr 2022 am Gashahn drehte. Die Preise gingen auch bei uns durch die Decke und verzehnfachten sich zeitweise.
Während andere Länder sich mittlerweile von Russland gelöst haben, gelang es Österreich bis dato nicht, aus freien Stücken aus dem Russengas auszusteigen. Die schwarz-grüne Regierung hat zwar einige sinnvolle Maßnahmen hinsichtlich Versorgungssicherheit beschlossen. Allzu eilig hatte aber auch sie den Ausstieg nicht und wurde ihren Ankündigungen nicht gerecht.
Wenn es nun aller Wahrscheinlichkeit nach zu einem Ende der Lieferungen aus Russland kommt, ist auch das keine souveräne Entscheidung unseres Landes. Sondern weil die überfallene Ukraine den Transitvertrag – aus verständlichen Gründen – nicht mehr verlängern will und schlicht kein russisches Gas in Österreich mehr ankommen wird.
Daten und Fakten
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Österreich und russisches Gas verbindet eine lange Geschichte: Als erstes westeuropäisches Land schloss die Alpenrepublik 1968, mitten im Kalten Krieg, einen Gasliefervertrag mit der Sowjetunion.
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In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich eine enge Partnerschaft zwischen der OMV und Gazprom. Durch seine geografische Lage und den wichtigen Gas-Hub in Baumgarten wurde Österreich zu einem zentralen Umschlagplatz für Gaslieferungen nach Westeuropa und Italien.
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Rund 80 bis 90 Prozent des österreichischen Gases stammten und stammen aus Russland. Diese Abhängigkeit ermöglichte zwar niedrige Preise, erwies sich aber als problematisch. Mittlerweile hat sich Österreich weitgehend von der Abhängigkeit gelöst – bisher aber nicht aus freien Stücken die Abkehr von Russland gewagt. Das könnte sich nun bald ändern, wenn der Transitvertrag zwischen der Ukraine und Russland mit Jahreswechsel 2024/25 endet.