Der einstige Lichtblick thront am Laaer Berg in Wien-Favoriten, zwischen Verteilerkreis, Möbel Ludwig und McDonalds: das prachtvolle Stadion des FK Austria Wien. 2018 wurde die für 65 Millionen Euro runderneuerte Arena pompös eröffnet. Man träumte von Meistertiteln und Millionen. Und vom „Start in eine neue Ära“.
Es folgten Pleiten und Pannen. Die Austria rutschte ab. Der Stadionkredit wog schwer – und sportlich blieb der Erfolg aus. Bereits 2020 stand der Club vor einem Fiasko: 18,8 Millionen Euro Jahresverlust, 71 Millionen Schulden. Die traditionsreiche Austria kämpft seither nicht um Pokale, sondern gegen den Konkurs.
Doch die Rettung naht. Der größte Kreditgeber, die Bank Austria, hat dem Club die Hälfte der Schulden – mehr als 20 Millionen – erlassen. Und die Stadt Wien will der Austria das Stadion um 40 bis 45 Millionen abkaufen. Im März soll der Deal im Gemeinderats-Ausschuss endgültig fixiert werden.
Europaweit pumpen zunehmend Investoren viel Geld in den Fußball. In Wien tut das die öffentliche Hand.
Schon vor Jahren subventionierte die Stadt die Großvereine Rapid und Austria mit Infrastrukturspritzen von jeweils 26,4 Millionen Euro. 14,7 Millionen davon soll die Austria laut WZ-Infos in den Bau der Arena gesteckt haben. Nun kauft die Stadt dem Club ein Stadion ab, das sie einst selbst subventioniert hat. Dabei steht es um die Stadtfinanzen nicht gut. Das Budgetdefizit soll statt der prognostizierten 2,2 Milliarden auf 3,8 Milliarden anwachsen, vermeldete Finanzstadtrat Peter Hanke Anfang Jänner.
Wird da ein maroder Fußballclub auf Kosten der Steuerzahler:innen saniert? Warum will sich die Stadt das – trotz enormem Budgetdefizits – leisten? Und: Rettet das die Austria überhaupt nachhaltig?
Gute Kontakte
Der Wiener Fußball verfügt traditionell über gute Kontakte zur Stadt. Austria-Präsident Kurt Gollowitzer ist CEO der städtischen Wien-Holding, einem Hauptsponsor des FK Austria. Gollowitzers Vorgänger bei der Wien-Holding wiederum war Peter Hanke, nunmehr Wiener Finanzstadtrat.
Eigentlich suchte die Austria nach einem privaten Investor, der die Arena erwirbt und dem Club vermietet. Wiens Sportstadtrat Peter Hacker schien lang wenig offen für den Deal. „Koste es, was es wolle, wird es in Wien bei Sportstätten nicht geben“, erklärte er dem Kurier im April 2023. Seine Kritik: Außerhalb von Wien sei es „selbstverständlicher, um Geldgeber zu kämpfen“, in Wien dagegen werde „oft als erste und einzige Reaktion nach der Stadt geschrien“. Doch dann änderte sich sein Zugang. Mitte Dezember verkündete Hacker, dass die Stadt das Stadion kaufen wolle.
Stadion-Deal: Stadt Wien statt ungarischer Orbán-Freund
Der Hintergrund: In der zweiten Jahreshälfte 2024 zeigte der ungarische Milliardär Lorinc Meszaros, ein enger Vertrauter des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, Interesse am Stadion. Kurz darauf kam die Stadt ins Spiel. Die Austria-Arena möge „ein Wiener Stadion bleiben“, erklärte Hacker prompt. Der Club selbst kann dem Deal viel abgewinnen – er soll ihn laut WZ-Informationen sogar erbeten haben. Dem Verein droht die Insolvenz. Sogar die Bundesliga-Spielberechtigung für nächste Saison würde ohne Hilfe wackeln. Interessierte Investoren hätten eine zu hohe Miete und Einfluss gefordert.
Aber welchen Nutzen hat die Stadt? Bislang spielte nicht nur die Austria in der Arena – sondern auch der Football-Verein Vienna Vikings oder das ÖFB-Frauen-Nationalteam. Man wolle nicht „von den Launen eines neuen Eigentümers“ abhängig sein, der dann möglicherweise alle hinauswirft, heißt es aus dem Hacker-Büro. „Das Stadion in dieser Größe brauchen wir für die Stadt.“ Hacker wolle sicherstellen, „dass es multifunktional genutzt wird und viele Wienerinnen und Wiener davon profitieren“. Der Hintergrund: Das alte Ernst-Happel-Stadion ist zu groß und antiquiert für viele Sportevents. Rapid hat seinen Anrainer:innen zugesagt, dass nur das eigene Team aufläuft. Die Austria verfügt also über das einzig moderne Stadion der Stadt, das mit überschaubaren 17.000 Plätzen vielfältig nutzbar ist. „Ich bin eigentlich dagegen, dass die Stadt Fußballvereine rettet“, sagt ein Gemeinderat, der namentlich nicht genannt werden will, zur WZ. „Wenn wir es doch tun, müssen wir es halt irgendwie argumentieren und uns schönreden – etwa damit, dass auch andere Sportvereine davon profitieren.“
Klar ist: Die Stadt hat nicht nur die Aufgabe, Kultur, Bildung und Pflege zu garantieren, sondern auch Sport. Der FK Austria ist ein Traditionsverein mit hoher Bedeutung für Wien. Jahrhundertfußballer wie Herbert Prohaska und Matthias Sindelar kickten für den Club. Dazu verfügt er über eine breitgefächerte Nachwuchsabteilung. Das Stadion steht dazu auf einem Baugrund der Stadt, die ein Vorkaufsrecht besitzt.
Der Plan: Die Austria soll nach WZ-Infos das Stadion weiterhin betreiben – und jährlich eine Miete im niedrigen siebenstelligen Bereich an die Stadt überweisen (von etwa zwei Millionen Euro ist die Rede). „Für die Stadt ist es vor allem wichtig, dass es kein Verlustgeschäft ist“, verrät ein Wiener Gemeinderat, der namentlich nicht genannt werden möchte, der WZ.
Sportstadtrat Hacker hat zuletzt ein Wertermittlungsverfahren beauftragt. Er rechne mit einem Kaufpreis zwischen 40 und 45 Millionen Euro. In vielen Punkten sei man sich mit der Austria bereits einig. In wenigen Wochen soll das Gutachten fertig sein. Spätestens im April soll der Kauf im Gemeinderat beschlossen werden, teilt das Büro von Hacker auf WZ-Nachfrage mit.
Riskantes Geschäft?
Das Risiko für die Stadt ist schwer abzuschätzen. Im Gemeinderat fragt man sich, ob der angeschlagene Verein überhaupt die Miet-Forderungen erfüllen wird können? Die Austria ist zu einem chronischen Verlustgeschäft geworden. Man sitzt weiterhin auf 60 Millionen Verbindlichkeiten – trotz des Schuldenschnitts bei der Bank. In den Geschäftsjahren 2021/22 und 2022/23 wurde jeweils ein Minus von sieben Millionen eingefahren. „Ich will erst die Bilanzen sehen“, fordert ein Gemeinderat gegenüber der WZ.
Sanieren könnte sich die Austria über ihr Kerngeschäft, das Fußballspiel. Doch da versagt man – und pendelte lang zwischen Freunderlwirtschaft und Planlosigkeit. Während etwa Red Bull Salzburg oder Sturm Graz viel, viel Geld durch hohe UEFA-Prämien im Europacup und lukrative Transfers einnehmen (seit 2018 verdiente Salzburg mit Spielerverkäufen 300 Millionen Euro), gelingt das der Austria nicht. Im aktuellen Kader befinden sich kaum Kicker, die Geld einspielen könnten. Und im Europacup ist man regelmäßig nur Zuschauer.
Die Austria versuchte verzweifelt, andere Wege zu finden, um sich aus eigener Kraft zu retten. Doch am Ende blieben nur Flops. Ein Deal mit einem arabischen Sponsor sollte vor einigen Jahren zehn Millionen Euro bringen – doch das Geld kam nie an und musste wertberichtigt werden. Ein Riesenloch klaffte im Budget. Im März 2021 präsentierte die Austria die Insignia-Gruppe des Georgiers Michael Surguladze als „strategischen Partner“. Dieser wollte Millionen aufstellen und die Austria zu einer „Top-Marke im europäischen Fußball“ formen. Doch das Unternehmen, das – wie der „Falter“ später berichtete – in Malta eine Strafe wegen Verstößen gegen Geldwäscherichtlinien ausfasste, blieb ein Luftschloss. Es floss kein Geld, es kam zum Streit, im Oktober 2021 wurde die Partnerschaft beendet. 2023 musste sich die Austria in letzter Not zur Hälfte an Investoren verkaufen. Vermögende Austria-Freunde und eine Gruppe um den Ex-Spielerberater Jürgen Werner erwarben 49,9 Prozent der FK Austria Wien AG um vergleichsweise günstige 12,5 Millionen Euro. Der Club konnte sich so kurzfristig über Wasser halten. Doch das Tagesgeschäft, der Sport, blieb weiterhin schwer defizitär.
Stadt Wien: Sollte die Austria nicht zahlen können, „übernehmen wir die Betriebsführung des Stadions“
Der Stadion-Deal sei für beide Seiten „wie ein langfristiger Kredit“, erklärt ein Insider. Die Austria erhält Geld durch den Verkauf und zahlt Miete an die Stadt. Was aber, wenn der Club weiter hohe Verluste einfährt? „Dass die Austria die Miete zahlt, ist auch in ihrem Interesse, weil sie eine Spielstätte braucht“, heißt es aus dem Stadtrat-Büro. Nachsatz: „Sollte der Fall doch eintreten, übernehmen wir die Betriebsführung des Stadions.“
Mit den über 40 Millionen Euro Verkaufserlös möchte die Austria einen Großteil ihrer Schulden tilgen. Dennoch würden Verbindlichkeiten in Millionenhöhe bleiben. Und dann ist da noch eine andere Sache. Eine besonders heikle. Die Austria will baldigst die Anteile der Investorengruppe rund um den Ex-Spielerberater Werner zurückkaufen. Die hat sich bei ihrem rettenden Einstieg nämlich eine gehörige Rendite ausverhandelt. Sprich: Die Anteile sind bei einem Rückkauf jährlich mit 20 Prozent zu verzinsen. Nun wachsen der Austria die Zinsen über den Kopf. Acht Millionen Euro muss der Club mittlerweile auf den Tisch legen. Bis Ende März will man das tun. Doch mit welchem Geld?
Auch die Stadt holt sich Geld von den Sportvereinen
Es hat ein wenig den Anschein, als würde die Stadt der Austria ein mit hohen Subventionen gefördertes Stadion abkaufen – mit dessen Erlös sich der Verein dann stark verzinster privater Investoren entledigt. Keine gute Optik. Was die Austria mit dem Verkaufserlös anstelle, sei „Vereinsangelegenheit“, erklärt ein Sprecher aus dem Hacker-Büro. „Es ist nicht unsere Aufgabe, im Verein Einfluss zu nehmen.“ Bei der Austria beteuert man, nicht das Geld aus dem Stadionverkauf dafür aufzuwenden. Doch welches dann?
Die Austria braucht dringend sportlichen Erfolg, um wirtschaftlich in die Spur zu kommen. Sonst steht die Stadt mit einem Stadion ohne Pächter da. Im Club regiert das Prinzip Hoffnung. Immerhin: Momentan rangiert die Austria in der Liga auf dem zweiten Tabellenplatz. So gut wie lang nicht mehr.
Im März soll der Deal in den Gemeinderats-Ausschuss. Ein Beschluss im April wäre dann nur noch Formsache. „Für ein Scheitern gibt es keine Anzeichen“, heißt es aus dem Büro Hackers. Kritische Gemeinderäte unken dennoch: Es sei „natürlich verlockend, wenn die Stadt immer da ist, wenn es eng wird“.
Doch da ist noch eine andere Seite. Die Stadt gibt nicht nur. Sie nimmt auch. Als einziges Bundesland schneidet Wien bei den großen Sportvereinen mit: zehn Prozent der Ticketerlöse. Etwa eine Million Euro pro Jahr fließt so von Rapid und Austria in die Stadtkasse. Die Stadt holt sich ihr Geld auf Umwegen also durchaus wieder zurück.
Dir hat dieser Beitrag besonders gut gefallen oder du hast Hinweise für uns – sag uns deine Meinung unter [email protected]. Willst du uns helfen, unser gesamtes Produkt besser zu machen? Dann melde dich hier an.
Infos und Quellen
Genese
Die Stadt Wien könnte den Traditionsverein Austria Wien retten. Sie will das Stadion des Clubs um mehr als 40 Millionen Euro erwerben, das sie einst selbst mit 14,7 Millionen subventioniert hat. Es bleiben zwei Fragen: Wird hier mit Steuergeld ein maroder Fußballclub saniert? Und: Wie viel Risiko steckt in dem Deal? WZ-Autor Gerald Gossmann hat sich in Wiener Kreisen, im Gemeinderat, dem Austria-Umfeld und im Büro des Wiener Sportstadtrats Peter Hacker umgehört.
Gesprächspartner
Die WZ hat mit Wiener Gemeinderäten, Personen aus dem Austria-Umfeld und einem Sprecher von Sportstadtrat Peter Hacker gesprochen.
Daten und Fakten
-
Tradition: Die Wiener Austria ist einer der ältesten und traditionsreichsten Fußballklubs des Landes. Jahrhundertfußballer Herbert Prohaska lief einst für den Verein auf, ebenso wie Matthias Sindelar oder Toni Polster.
-
Schulden: Seit Jahren droht dem Verein die Insolvenz. Aktuell sitzt man trotz eines Schuldenschnitts bei der Bank Austria auf Verbindlichkeiten in der Höhe von knapp 60 Millionen Euro.
-
Austria und Politik: Der Wiener Fußball und die Stadtpolitik pflegen eine enge Beziehung. Rapid und Austria erhielten einst für Infrastrukturmaßnahmen wie ihre Stadionerrichtungen je 26,4 Millionen Euro Subvention. Mit der Wien Holding (FK Austria) und Wien Energie (SK Rapid) fungieren städtische Betriebe als Großsponsoren. Gute Kontakte ins politisch rote Wien sind dabei von Vorteil. Rapid steht der SPÖ-nahe Ex-ORF-Chef Alexander Wrabetz als Präsident vor, dem FK Austria Wien-Holding-Chef Kurt Gollowitzer.
-
EU-Beihilferecht: Die Stadt Wien will das Austria-Stadion, die Generali-Arena, erwerben. Dabei müssen die beiden Parteien (FK Austria und Stadt Wien) aufpassen, nicht das EU-Beihilferecht zu verletzen. Es geht für die EU-Kommission dabei darum, ob Stadt, Land, Bund marktkonform handeln und keine unzulässigen Beihilfen vorliegen. Deshalb wurde von der Stadt Wien ein unabhängiges Wertermittlungsgutachten beauftragt, um dem Deal Marktkonformität zu attestieren. Auch die Miete, die die Stadt Wien von der Austria einheben will, muss demnach marktkonform sein, damit eine zulässige Beihilfe vorliegt.
-
Sportförderungsbeitrag: Neben den Förderungen, die die Stadt Wien ausschüttet, nimmt sie auch eine solche ein. Mit dem „Sportgroschen“, der heute Sportförderungsbeitrag genannt wird, kassiert die Stadt bei Sportveranstaltungen zehn Prozent der Ticketerlöse. Zwei Millionen Euro werden so pro Jahr in die Stadtkasse gespült. Die Gelder fließen aber wieder zurück in den Sport, erklärt ein Sprecher des Sportstadtrates. Die Fördermittel werden demnach an die drei Wiener Sportdachverbände ASKÖ, ASVÖ und Sportunion, den Wiener Fußballverband und an die rund 70 Wiener Sportfachverbände ausbezahlt.