Am Weg zur größtmöglichen Hürde im Frauenfußball musste improvisiert werden. Eben in Barcelona gelandet, war vor dem Flughafen vom Team-Bus Richtung Hotel nichts zu sehen. Der Anruf beim Chauffeur ergab, dass der Katalane seine Muttersprache spricht, zur Not auch ein paar Worte Spanisch, aber sicher nicht Englisch oder gar Deutsch.
SKN-Trainerin Liese Brancao übernahm das Telefonat und beendete die kurzfristige Verzweiflung in der St. Pöltner Reisegruppe.
Die Brasilianerin spricht auch Spanisch, lotste den Chauffeur zum Treffpunkt und konnte sich wieder ihrer Hauptaufgabe widmen: Wie stelle ich einen Underdog, noch dazu stark dezimiert, auf die beste Mannschaft der Welt ein?
Ab 18.45 Uhr empfängt der große FC Barcelona den SKN aus St. Pölten (DAZN live und kostenlos). „Barcelona ist momentan für mich die Nr. 1, ganz klar“, betont Brancao vor dem dritten Spiel in der Champions League gegen den Sieger der beiden vergangenen Saisonen.
Dementsprechend überraschend war das 0:2 zum Auftakt gegen Manchester City.
Gegen Hammarby hat blaugrana ernst gemacht und Schwedens Meister – ein Top-10-Team in Europa – mit einem 9:0 gedemütigt.
Für vier Jahre die Nr. 1
Angeführt wird das Starensemble von Aitana Bonmatí, die nach 2023 erneut zur Weltfußballerin gewählt wurde. Davor hatte Mittelfeld-Kollegin Alexia Putellas zwei Mal in Folge das Siegel der Weltbesten bekommen.
„In der Liga steht für Barcelona der Clasico an – ich hoffe, dass nicht alle Stars 90 Minuten aufgeboten werden“, meint Brancao.
Muss man sich Sorgen machen um SKN-Torfrau Carina Schlüter, deren Vater extra aus Norddeutschland angereist ist? „Nein, wir müssen nur ausnahmsweise unser Spiel anpassen“, sagt die Trainerin.
An sich denkt Brancao im Barça-Stil über Fußball: „Dominanz, Positionsspiel, 4-3-3 – das ist alles meins.“
„Uns fehlen zu viele Stützen“
Aber so ein mutiger Auftritt wie gegen ManCity, der am zweiten Spieltag mit einem unglücklichen 2:3 im Viola Park endete, wäre Dienstagabend nicht umsetzbar: „Uns fehlen zu viele Stützen. Ich habe nur zwei bis drei fitte Kräfte auf der Bank. Wir müssen ökonomisch und kompakt, mit kürzeren Wegen aus einem tieferen Block heraus spielen“, erklärt die 43-Jährige.
Das SKN-Lazarett
Besonders in der Defensive wütete zuletzt der Verletzungsteufel. Mit Wenger und Klein fehlen zwei ÖFB-Teamverteidigerinnen. Weil ein Fußballerinnenleben nicht so viele Auftritte im Estadi Johan Cruyff auf der Trainingsanlage des Weltvereins vorsieht, ist beinahe der gesamte Kader mit nach Barcelona geflogen.
Aber ein halbes Dutzend davon kann – so wie Präsidentin Andrea Pichler und ihr Mann Franz von Hauptsponsor spusu – nur auf der Tribüne zuschauen.
„Es ist schwer für uns, mit dieser Unterlegenheit umzugehen, weil wir das Siegen gewöhnt sind. Aber wir dürfen nicht den Fehler machen, wie Hammarby ganz normal mitzuspielen und zu hoch zu verteidigen“, erklärt die Offensiv-Freundin Brancao diesmal als Pragmatikerin.
„Reise als Geschenk“
In ihrem Team wird viel gelacht. Statt Zittern dominiert Vorfreude. Aber von einem Punktgewinn als Ziel zu sprechen, wäre vermessen: „Wir wollen möglichst wenig zulassen.“
Und dann gibt es für Liese Brancao noch eine Währung, die ebenfalls zählt: „Was Barça verkörpert und wie sie Fußball leben, wollen wir im direkten Duell erleben und aufsaugen. Ich sehe diese Reise als Geschenk.“