Größer, teurer, konsumfreudiger geht es in dem Land, das sich in einer rasanten Geschwindigkeit nicht nur zu einer wirtschaftlichen Großmacht, sondern mit Filmen, Serien und Popmusik zunehmend auch zu einem Motor der Kultur entwickelt hat, immer. „Dabei haben die Menschen hier spätestens seit den 1980er Jahren auch intensiv Kunst gesammelt“, erklärt Patrick Lee, Leiter der Frieze Seoul, im Gespräch mit dem KURIER. Seoul hat die höchste Dichte an Privatmuseen weltweit, als Land rangiert Südkorea mit 50 solcher Einrichtungen – die meisten nach 2010 erbaut – auf Platz drei weltweit. Viele dieser Museen stehen mit Namen in Verbindung, die man im Rest der Welt von Autos oder Elektronikprodukten kennt: Daewoo. Samsung. Hyundai.
„Korea ist im Vergleich zu vielen anderen Ländern in Asien wesentlich entwickelter, weil es dort seit langer Zeit Kunstakademien gibt, weil künstlerische Freiheit besteht und weil selbstbewusste Künstlerinnen und Künstler unbeeindruckt von dem, was in Europa oder Amerika passiert, ihre Kunst gemacht haben“, sagt Thaddaeus Ropac im KURIER-Gespräch. Der österreichische Galerist, in Salzburg, Paris und London etabliert, eröffnete in Seoul 2021 eine Dependance – noch bevor die „Frieze“ hier Fuß fasste. Zuvor, 2017, hatte die global aktive US-Galerie Pace hier ihre Zelte aufgeschlagen.
Heuer fahren die Großen des Galeriebetriebs ihrer Präsenz in der Stadt nochmals merkbar hoch, nicht immer mit großer Feinfühligkeit: So hat sich die Mega-Galerie Gagosian mit einem Pop-Up-Store direkt in die Lobby der imposanten Firmenzentrale des Konzerns „Amorepacific“ gesetzt, gleich neben das Privatmuseum, das es hier – selbstredend – auch gibt.
Dass der Influx westlicher Galerien Konkurrenz koreanischer Kunstanbieter werden könnte, stellt Frieze-Chef Lee freilich in Abrede. „Die koreanischen Galerien haben dadurch mehr Möglichkeiten, mehr Sammler und Kuratoren kommen hierher – die internationale Präsenz wertet das, was vor Ort passiert, auf“, sagt er. Was das Geschmacksspektrum für Kunst angeht, sei „West“ und „Ost“ längst nicht mehr klar zu trennen, der Hunger und die Offenheit sei groß.
Thaddaeus Ropac zeigt in Seoul derzeit mit Sean Scully und Georg Baselitz zwei Größen westlicher Malerei, an seinem Messestand sticht ein Bild der österreichischen Malerin Martha Jungwirth prominent hervor. Umgekehrt ist die Galerie für koreanische Namen wie Lee Bul, Lee Kang-So oder Heemin Chung längst zum globalen Verstärker geworden.
In den Gängen der Messen entsteht freilich schon der Eindruck, dass die Anbieter aus Europa und den USA abklopfen, was für den asiatischen Markt „passend“ sein könnte – Malerei überwiegt, vieles davon minimalistisch gehalten und knüpft an Künstler wie Park Seo-Bo oder Lee Ufan an, die in Korea eine eigene Tradition solcher Einfachheit begründeten. In den Gängen der KIAF wiederum dominiert das Knallige, selten sind Medien wie Videos zu sehen – auch wenn die junge koreanische Popkultur in der Lust an digitalen Erlebniswelten schwelgt.
Für Frieze-Chef Lee ist das Potenzial Seouls am Kunstmarkt noch lange nicht ausgeschöpft – ungeachtet der Tatsache, dass der globale Kunstmarkt gerade ein wenig schwächelt. „Wir brauchen Sammler und Institutionen aus aller Welt, und ich bin sehr zufrieden mit ihrer Präsenz hier“, sagt er. Thaddaeus Ropac dagegen sieht das Potenzial eher in Korea selbst – und ist skeptisch, was Seouls Rolle als globalen Umschlagplatz angeht: „ Wenn jeder das ein, zweimal gesehen hat, weiß man nicht, ob er immer wieder zurückkommt“, sagt er. „Ich hoffe es, will aber davon nicht ausgehen.“
Die Reise des KURIER wurde von Phileas – The Austrian Office for Contemporary Art in Kooperation mit der Koreanischen Zentrale für Tourismus (DE) und mit Unterstützung von Frieze Seoul, der Gwangju Biennale sowie der Busan Biennale organisiert