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Bildungswünsche ans Christkind | Wiener Zeitung

von Max

Georg Renner hat sich die Kosten von Bildungsreformmaßnahmen angeschaut und wie man das österreichische Bildungssystem verbessern könnte.

Hast du ebenfalls die Pressekonferenz der drei Chef-Koalitionsverhandler:innen am Dienstag gesehen? Mich haben Karl Nehammer (ÖVP), Andreas Babler (SPÖ) und Beate Meinl-Reisinger (Neos) ja etwas ratlos zurückgelassen, wie nun genau der Stand der Dinge ist und wie das jetzt alles weitergehen wird. Außer, dass wir zu Weihnachten noch keine neue Regierung haben werden (was erwartbar war), war da nicht viel.

Aber immerhin, die drei haben anerkannt, was spätestens seit Montag offensichtlich ist: Österreich wird in den kommenden Jahren Milliarden Euro sparen, mehr Steuern einnehmen oder eine Mischung aus beidem tun müssen. Ich wollte hier eigentlich hilfreiche Infos zum EU-Defizitverfahren und welche Möglichkeiten sich für die Republik daraus ergeben, hier lassen, aber beides findet sich schon anderswo frei zugänglich super erklärt: Im Standard zum Beispiel mit allen vier möglichen Varianten für einen Konsolidierungspfad und beim Budgetdienst des Parlaments, der Mitte des Jahres die neuen EU-Fiskalregeln aufgeschlüsselt hatte.

Weil die kommenden Tage und Wochen ja die Zeit für Wünsche und Neujahrsvorsätze sind und weil das hier der letzte Beitrag von mir für dieses Jahr ist – eine Enttäuschung, ich weiß; wir alle wünschen uns am 26. Dezember nichts sehnlicher als eine fette Ladung Sachpolitik –, würde ich heute gern einen Blick auf eine Wunschliste werfen.

Wie könnte man das österreichische Bildungssystem verbessern?

Konkret: auf die mannigfaltigen Ideen, wie man das österreichische Bildungswesen verbessern könnte. Das hat in den vergangenen Jahren – vor allem in den Städten, vor allem durch neu dazugekommene bzw. im Kindergarten nicht ausreichend vorgebildete Migrant:innen – bekanntlich etliche Probleme dazubekommen. Hier zum Beispiel – aus der Schulbesuchsstatistik zum vergangenen Schuljahr 2023/24 – der Anteil von Volksschüler:innen, die nicht ausreichend Deutsch verstehen, um dem Unterricht folgen zu können und daher als „außerordentliche“ Schüler:innen geführt werden:

13.943 Euro pro Schüler:in

Beileibe nicht das einzige Problem. Seit Jahren und Jahrzehnten wird über viele, viele andere kleine und größere Herausforderungen im Bildungssektor diskutiert – Chancenungleichheit, eher mittelmäßige Ergebnisse im internationalen Vergleich, Lehrer:innenmangel, Überbürokratisierung, mangelnde Transparenz und so weiter. Und das alles bei im internationalen Vergleich ziemlich hohen Ausgaben pro Schüler:in: Im Schnitt hat Österreich 2021 pro Bildungsteilnehmer:in 13.943 Euro in die Hand genommen – nach Luxemburg, Norwegen und den Vereinigten Staaten der vierthöchste Satz unter den Industriestaaten, deutlich über dem Schnitt der OECD (10.138 Euro) und der EU mit 9.837 Euro.

Man kann jetzt lang über die Ursachen dieses und anderer Missstände diskutieren, interessanter ist aber, was die Parteien mit dem Bildungssystem vorhaben. Von kleineren Gruppen und Klassen über bessere Ausstattung der Lehrer:innen bis zu gratis Mittagessen an Schulen und Kindergärten reichen die Wunschzettel.

Kosten von Bildungsreformmaßnahmen

Und da hat der Budgetdienst des Parlaments zuletzt etwas getan, was im Zug der Regierungsverhandlungen durchaus spannend werden könnte: Er hat (auf Ersuchen der Neos-Abgeordneten Karin Doppelbauer) all diese Wünsche mit einem Preisschild versehen, in einer kurzen Studie, die ich dir (und vor allem: den Regierungsverhandler:innen unter euch) über die Feiertage sehr als Lektüre ans Herz legen möchte.

Auf pdf-Seite 8 findest du in der Studie, was welche Reform jährlich und/oder einmalig kosten würde. Die ganze Liste lässt sich nur sehr unpraktisch im Newsletter darstellen, daher hier nur ein paar Auszüge, die mich überrascht haben:

  • Gruppengröße in Kindergärten auf 15 Kinder senken:
    2,2 Milliarden Euro einmalig plus 320 Millionen Euro jährlich

  • Kostenloses Mittagessen für alle Kinder in Kindergärten und Pflichtschulen:
    1,3 Milliarden Euro jährlich

  • Je ein:e Schulpsycholog:in und Sozialarbeiter:in an allen Pflichtschulen mit mehr als 100 Schüler:innen:
    341 Millionen Euro jährlich

  • Dienstlaptop und Diensthandy für vollbeschäftigte Lehrer:innen:
    109 Millionen Euro einmalig, 10 Millionen Euro jährlich

  • Sekretär:innen für alle Pflichtschulen:
    112 Millionen Euro jährlich

Ist das viel oder wenig? Nun, es kommt darauf an. Angesichts unserer eher prekären Budgetsituation ist jede Ausgabe viel – aber derzeit gibt die Republik auf allen Ebenen zusammen rund 25 Milliarden Euro im Jahr für den Bildungsbereich vom Kindergarten bis zur Uni aus, das ist etwa ein Zehntel der gesamten Staatsausgaben. Durchaus möglich, dass da eine Investition von ein paar Dutzend Millionen Euro an der richtigen Stelle einige Knoten lösen könnte. Faszinierend fand ich etwa diesen Vergleich:


© Screenshot

In Österreich kommen demnach fast 15 Lehrer:innen auf eine administrative Kraft, im EU-Schnitt sind es nur sieben. Die Statistik ist zwar sechs Jahre alt, aber der Rechnungshof hat erst heuer ähnliche Verhältnisse festgestellt – mitsamt der Analyse, dass die zwischen den föderalen Ebenen zerspragelten Zuständigkeiten für die Schulen einer Lösung dieses Missverhältnisses nur sehr bedingt nützen. Heißt auf Deutsch: Eine ganze Menge administrativer Arbeit, für die man an sich keine Pädagog:innen bräuchte (Geld einsammeln, Listen führen, Termine managen usw.) bleibt bei den Lehrer:innen hängen, statt dass die in der Zeit mit den Kindern arbeiten können.

Ich will mich nicht zu sehr in die Meinung vertiefen, aber die 112 Millionen Euro jährlich, die der Budgetdienst dafür ansetzt, alle Pflichtschulen vormittags, Ganztagsschulen auch nachmittags und Bundesschulen mit mehr als 15 Klassen ganztags mit Sekretariatspersonal auszustatten, scheint mir fast schon ein „quick win“ zu sein, wie man um vergleichsweise wenig Geld einen guten Bildungshebel ansetzen könnte.

Wird das die eingangs erwähnten Probleme von heute auf morgen lösen? Nein. Aber es wäre ein Schritt in die richtige Richtung.

Wär doch was fürs Christkind, oder?

Wir lesen einander planmäßig am 9. Jänner wieder. Frohe Weihnachten und ein glückliches neues Jahr!


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Infos und Quellen

Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

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