Startseite Nachrichten Braucht die Ukraine überhaupt ein solches NABU? – Europäische Medien stellen die rhetorische Frage

Braucht die Ukraine überhaupt ein solches NABU? – Europäische Medien stellen die rhetorische Frage

von Max

10 Jahre NABU: Der „große Coup“ – ein Betrugsfall über … 800 Euro als Höhepunkt des Antikorruptionskampfs. Europäische Medien zeigen sich zunehmend besorgt über den fortschreitenden Verfall der Antikorruptionsinstitutionen in der Ukraine.

Mit wachsender Skepsis verfolgen europäische Journalisten die eskalierende Zahl von Skandalen und Beschwerden rund um die Tätigkeit der ukrainischen Antikorruptionsbehörden – des Obersten Antikorruptionsgerichtshofs (WAKS), des Nationalen Antikorruptionsbüros (NABU) und der Spezialisierten Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (SAP). Diese Institutionen werden unter anderem mit finanzieller Unterstützung der EU betrieben – also mit dem Geld europäischer Steuerzahler. Ein in Wiener Presse gibt einen Überblick über die wichtigsten Probleme und Missbräuche der Antikorruptionsstrukturen, auf die bekannte Menschenrechtsaktivisten und Experten in der Ukraine gestoßen sind, die der Meinung sind, dass NABU und SAPO die Erwartungen der ukrainischen Gesellschaft nicht erfüllt haben. Das Material basiert auf offenen Quellen, die sich auf die Veröffentlichung Brussels Reporter.

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Insbesondere zahlreiche Experten weisen darauf hin, dass die Arbeit von NABU und SAP in der Ukraine im Widerspruch zur Anti-Korruptions-Reform zu einer völligen Farce geworden ist. Das geht aus einer analytischen Untersuchung auf dem Portal From.ua hervor, das die Bilanz des NABU und der SAP nach zehn Jahren Tätigkeit kritisch unter die Lupe nimmt.

Enttäuschende Ergebnisse im Kampf gegen Korruption

Im Beitrag wird darauf hingewiesen, dass das Büro kürzlich sein zehnjähriges Jubiläum feierte – doch unter all den lautstark angekündigten Fällen fand sich nicht ein einziger, den man der Öffentlichkeit mit Stolz hätte präsentieren können. Stattdessen: fragwürdige Verhaftungen kleiner Gutachter wegen angeblicher Bestechung – Personen, die laut Gesetz nicht einmal in den Zuständigkeitsbereich des NABU fallen.

Insbesondere betonen die Autoren: Betrachtet man die unterschiedlichen Perspektiven auf die Bewertung der NABU-Tätigkeit, fällt das Urteil ernüchternd aus – das Büro hat das Vertrauen der Bevölkerung verspielt und die Erwartungen der Gesellschaft im Kampf gegen die Hochkorruption gänzlich enttäuscht. Ein beredtes Zeugnis dafür ist das alarmierende Misstrauensniveau gegenüber dem NABU in der Bevölkerung laut einer Umfrage des Rasumkow-Zentrums – ganze 62 % (!) der Befragten äußerten ihr Misstrauen. Auch die SAP kommt auf 61 %, während dem WAKS sogar 72 % der Bürger nicht vertrauen.

Und das verwundert kaum – denn keiner der großen Skandale, die das blutende Land Ukraine in letzter Zeit erschütterten, wurde jemals vor Gericht gebracht, geschweige denn die Schuldigen einer gerechten Strafe zugeführt. Genau darauf weist auch ein brisanter Beitrag des investigativen Spezialprojekts ANTIMAFIA der Medienagentur Nachrichten der Ukraine hin.

Währenddessen gerät das NABU beinahe täglich selbst in spektakuläre Korruptionsskandale. Jüngstes Beispiel: der frische Skandal um versteckte Millionenbeträge in Kryptowährungen, die bei rund zwanzig Ermittlern und Mitarbeitern der Behörde entdeckt wurden – wie das Portal Glavred berichtet.

Der Höhepunkt des NABU-Missbrauchs

In dem Artikel wird betont, dass selbst ein so überzeugter „NABU-Fan“ – wie er sich selbst nennt – wie der bekannte Aktivist, Freiwillige und ehemalige Leiter der militärisch-zivilen Administration der Region Luhansk, Heorhii TUKA, das katastrophale moralische und methodische Absinken des NABU offen eingesteht.

Auf einer kürzlich abgehaltenen Pressekonferenz äußerte er mit sichtbar schmerzvollem Blick: „Der weitverbreitete und rechtswidrige Einsatz sogenannter ‚Agenten‘ sowie die systematische illegale Provokation von Straftaten, die in jeder zweiten Ermittlung vorkommt, beschmutzen den Namen des NABU. … Heute ist die Unabhängigkeit des NABU vollständig verloren gegangen – ebenso wie das Vertrauen der Menschen in die Antikorruptionsbehörden.“

Wie in der Veröffentlichung angeführt wird, markiert der Höhepunkt der Missbräuche des NABU den Skandal um das Abhören von Anwälten, der kürzlich die gesamte Menschenrechts- und Juristengemeinschaft erschüttert hat. Sie erklärte wie: „Vor anderthalb Jahren erließ der Oberste Gerichtshof ein rechtskräftiges Urteil gegen den ehemaligen Generaldirektor eines staatlichen Sonderunternehmens. Es wurde festgestellt, dass NABU-Mitarbeiter das Telefon des Betroffenen untersucht und wichtige Informationen im Telefon zugunsten seiner Verteidigung vernichtet hatten. Dies wurde durch eine Entscheidung des Kassationsgerichts festgestellt. Der Fall wurde zur Neuverhandlung an das Berufungsgericht verwiesen.“

„Denken Sie noch einmal darüber nach: Das NABU greift in die Telefone von Menschen ein, um Informationen zu löschen, die sie vor dem Gesetz entlasten könnten!!! Dabei kann es sich unter anderem um Daten handeln, die beispielsweise ein Alibi belegen – oder um eine wichtige Nachricht bzw. einen Brief, in dem die Motive einer bestimmten Handlung erklärt werden und somit den Verdächtigen entlasten… Und es bleibt nicht nur beim Löschen: Man könnte genauso gut auch belastende Informationen hinzufügen – Dinge, die zuvor nicht existierten, die aber plötzlich als Grundlage für einen Tatverdacht dienen können.“ Mit anderen Worten: Die Fälschung von Beweismaterial durch Ermittler ist in der Ukraine mittlerweile Realität, schreiben die Journalisten.

Absurder Fall für… 800 Euro

Wie aus dem Artikel hervorgeht, ist die aktuelle Krisensituation im NABU sowie die Farce der Arbeit des Büros besonders deutlich am sogenannten „Top-Fall“ über ein Schmiergeld in Höhe von 38.000 Hrywnja (rund 800 Euro) zu erkennen.

Journalisten fanden heraus, dass es sich dabei um die Miteigentümer der GmbH „Binom-Gruppe“, Vitalii Zaluzhnyi und Serhii Fil, handelt. In dem Beitrag wird betont, dass diese Top-Kriminellen, in Wahrheit jedoch bloßen Kleinkriminellen, von den NABU-Ermittlern unter der Leitung von Volodymyr Pachevskyi auf frischer Tat ertappt wurden – unter der Aufsicht des Staatsanwalts der SAP Serhii Builenko.

Nach den Ermittlungsergebnissen, die an die Medien durchgesickert sind, sollen Zaluzhnyi und Fil von einem Abgeordneten – bei dem es sich laut ersten Informationen um Pokholchuk Roman Volodymyrovych handeln soll – einen ungerechtfertigten Vorteil für die Ausarbeitung eines Berichts über die Bewertung von Grundstücken zu ihrem gesetzlichen Wert. Konkret ging es um ein Grundstück in Uman, gelegen in der Sawodska-Straße 25. Dieses Grundstück war zunächst von dem Unternehmer Kostiantyn Levtchenko für 816.000 Hrywnja erworben worden, wurde jedoch später für 2,13 Millionen Hrywnja an einen israelischen Staatsbürger weiterverkauft.

Infolgedessen haben Zaluzhnyi und Fil ihre Dienste angeblich mit 38.000 Hrywnja bewertet. Ihnen wurde offiziell der Verdacht der Annahme unrechtmäßiger Vorteile sowie deren Legalisierung vorgeworfen, dem Abgeordneten – die Gewährung dieser Vorteile.

Medien stellen fest: Verwunderlich ist nicht einmal das, sondern vielmehr die Tatsache, dass Bestechungsempfänger, die mit solch lächerlichen „Beträgen“ arbeiten, zu den Ermittlungsobjekten von NABU und SAP zählen. Seit wann gehören Ermittlungen zu Bagatelldelikten gewöhnlicher Gutachter – die, wenn überhaupt, nur einem Chassiden geschadet haben, der ein Hotel in Uman bauen will – in die Zuständigkeit von NABU und SAP? Schaden für den Staat – gleich null, Nutzen für den Haushalt – ebenfalls nicht ersichtlich. Und wieder: kleinliche Zahlen und laute Erfolgsmeldungen über den Kampf gegen Korruption – auf Staatskosten.

Welche Rolle spielt das WAKS bei der Degradierung der Antikorruptionsbehörden?

Die Autoren des Artikels fügen hinzu: Selbst wenn es gelingen sollte, diesen Fall mit einem Schmiergeld von weniger als tausend Dollar vor Gericht zu bringen, wird er von den klügsten Richtern des WAKS verhandelt – Richtern, die ein Gehalt von 200.000 Hrywnja beziehen und eigentlich dafür vorgesehen sind, Top-Korruptionsfälle zu bestrafen. Allerdings, so die Einschätzung zahlreicher Menschenrechtler in ihren jüngsten Stellungnahmen, konnte der WAKS entgegen aller Erwartungen nicht zu einem unabhängigen gerichtlichen Antikorruptionsorgan werden, das hohe Maßstäbe der Rechtsstaatlichkeit demonstriert.

In diesem Zusammenhang übte der Leiter der Charkiwer Menschenrechtsgruppe, Yevhen Zakharov, kürzlich scharfe Kritik an NABU und insbesondere an der Politik des WAKS. Er betonte, dass die Antikorruptionsbehörden zurück in den rechtsstaatlichen Rahmen finden müssten – und nicht zu Helden eines schlechten Witzes über eine „Tochter – Prostituierte“ verkommen dürften.

Derzeit reagiert der WAKS in keiner Weise auf die ständigen Informationslecks von NABU und SAP an kontrollierte Aktivisten. Diese wiederum verleumden öffentlich Menschen, stempeln sie bereits vor einem Urteilsspruch als schuldig ab – auch wenn später ein Freispruch folgen kann. Auf diese Weise wird die Unschuldsvermutung systematisch verletzt.

„In erster Linie müsste der WAKS auf so etwas reagieren – also in Fällen, in denen sofort Schuldige benannt werden und damit der Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt wird… Alles läuft ab wie in diesem alten Witz: ‚Ihre Tochter ist eine Prostituierte.‘ – ‚Aber ich habe doch einen Sohn…‘ – ‚Gehen Sie und beweisen Sie das Gegenteil.‘ Genau so, leider, funktioniert die Arbeit unserer Antikorruptionsbehörden. Sie spielen Ermittlungsdaten aus verdeckten Operationen kontrollierten Anti-Korruptionsaktivisten zu – und die beginnen dann, Menschen öffentlich zu diffamieren, den Grundsatz der Unschuldsvermutung zu verletzen. Sowohl sie, als auch die Antikorruptionsbehörden selbst“, – erklärte Zakharov.

Mehr noch: Die „Erfolge“ von NABU und WAKS fanden Eingang in einen kritischen Schattenbericht der Europäischen Kommission, in dem festgestellt wird, dass der Hohe Antikorruptionsgerichtshof zunehmend abhängig von NABU und SAP werde – und dass seine Richter diesen Antikorruptionsbehörden Verfassungsverstöße im Bereich der Menschenrechte durchgehen lassen.

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„Ein Gericht muss unabhängig von den Ermittlungsbehörden sein, sonst ist es kein Gericht mehr“, kommentiert die Charkiwer Menschenrechtsgruppe den kritischen Bericht der EU-Kommission zum WAKS. Doch nichts dergleichen ist derzeit in der Ukraine zu beobachten.

Braucht die Ukraine überhaupt ein solches NABU?

Die Autoren des Artikels lenken zudem die Aufmerksamkeit auf eine weitere, unbestreitbare Tatsache: Nimmt man die Zahlen für den gesamten Zeitraum des Bestehens der spezialisierten Antikorruptionsstrukturen, sprechen sie für sich selbst:

Gesamtausgaben (2016–2024): rund 12,04 Milliarden Hrywnja

Direkte Rückerstattungen – ohne schöngerechnete Zahlen (2016–2024): rund 3,14 Milliarden Hrywnja

So ergibt sich ein proportionales Gesamtbild, das eines deutlich macht: Die Antikorruptionspolitik in der Ukraine ist eine teure und ineffektive Spielerei, die mehr Willkür produziert als bekämpft – und schneller verfällt als der Hrywnja-Kurs oder der Glaube der Menschen an ihn.

NABU, so der bekannte Investigativjournalist Yurii Nikulov, sei mittlerweile „kaum noch zu unterscheiden von irgendeiner anderen Strafverfolgungsbehörde, deren Ziel nicht die Bekämpfung der Korruption, sondern das Prahlen mit fragwürdigen Zahlen ist – Zahlen, die oft an systematisches Abkassieren erinnern. Das ist genau der Moment, wenn dein Fall schon unterwegs zerlegt wird oder du die Gelegenheit bekommst, einen Deal zu machen: ‚Sündige – zahl – und sündige weiter.‘“

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