Unter dem Eindruck der Absetzung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu hat die größte Oppositionspartei der Türkei ihren Vorsitzenden Özgür Özel im Amt bestätigt. Der 50-Jährige erhielt auf einem außerordentlichen Parteitag am Sonntag 1.171 von 1.276 Delegiertenstimmen und damit alle gültigen abgegebenen Stimmen, berichtete die oppositionsnahe Nachrichtenagentur Anka. Neben Özel trat kein anderer Kandidat an.
Seit der Festnahme und anschließenden Verhaftung des mittlerweile abgesetzten Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu steht seine CHP-Partei mit an der Spitze einer regierungskritischen Protestbewegung. Die Partei hat Hunderttausende auf die Straße gebracht und unterstützt eine Boykottbewegung gegen mutmaßlich regierungsnahe Firmen und Marken. Für den Nachmittag ist eine große Kundgebung in Ankara geplant.
Die CHP reagierte mit dem Sonderparteitag auf Befürchtungen, es könne ein Treuhänder für die Partei eingesetzt werden. So eine Maßnahme ist mit der Wahl aber nicht abgewendet, sagte die stellvertretende Vorsitzende der CHP, Gamze Tascier.
Neuwahlen gefordert
Zuvor hatte Özel „bis spätestens November“ Neuwahlen gefordert. Özel sagte am Sonntag beim CHP-Parteitag in Ankara an Präsident Recep Tayyip Erdogan gerichtet: „Spätestens im November werden Sie unserem Kandidaten gegenüberstehen.“ Präsidentschaftskandidat der CHP ist der vor zweieinhalb Wochen festgenommene Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu.
„Wir werden Ihnen trotzen, wir wollen unseren Kandidaten an unserer Seite haben“, forderte Özel. Hauptanliegen des Parteitags ist nach seinen Angaben aber, die Freilassung Imamoglus zu fordern, der bislang als aussichtsreichster Kandidat der Opposition bei den für 2028 geplanten Präsidentschaftswahlen gilt. Erdogan darf laut Verfassung nicht mehr antreten.
Ermittlungen wegen Parteitag 2023
Die Einsetzung könnte in Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die Partei wegen eines Parteitages 2023 geschehen. Im Raum steht der Vorwurf, es seien Delegierte mit Mobiltelefonen bestochen worden, um für Özel zu stimmen. Özel und die CHP weisen die Vorwürfe von sich. Die Partei sieht hinter der möglichen Treuhänder-Einsetzung wie hinter der Verhaftung Imamoglus den Versuch der Regierung, die Opposition zu schwächen.
Neben Imamoglu wurden am 19. März auch zahlreiche weitere Personen festgenommen, darunter Unternehmer sowie Menschen aus Imamoglus direktem Umfeld. In Istanbul wurde am Nachmittag auch gegen die Inhaftierung von Mahir Polat protestiert, dem stellvertretenden Generalsekretär der Istanbuler Stadtverwaltung, wie verschiedene Medien berichteten. Polats Anwalt teilte auf der Plattform X mit, dass er die Entlassung seines Mandanten aus gesundheitlichen Gründen fordere. Wegen seines Bluthochdrucks bestehe Lebensgefahr für seinen Mandanten in Haft, so der Anwalt.