„Ich hätte die Verletzung leichter akzeptieren können, wenn es ein brutaler Abflug gewesen wäre“, sagt Ricarda Haaser, „aber ich bin einfach nur gelandet und dann hat es mir das Kreuzband gezupft.“
Mit drei Monaten Abstand kann die Tirolerin heute bereits ein wenig gefasster auf ihren persönlichen Unglücksfall zurückblicken. In den ersten Tagen nach dem Sturz im Super-G war Haaser nicht nur körperlich am Boden. „Du liegst daheim, schaust dir die Rennen an und siehst dann das volle WM-Zielstadion. Und ich bin nie dort unten angekommen“, sinniert die 31-Jährige.
Rücktrittsgedanken
Die Tirolerin macht kein Hehl daraus, dass sie sich in diesen Momenten auch mit dem Karriereende beschäftigte. „Diese Gedanken kommen bei jeder Verletzung und bei jedem Rückschlag“, sagt die WM-Dritte von 2023 (Kombination). „Die ersten Tage nach einer OP sind ja nicht witzig. Du bist mit den Krücken extrem eingeschränkt, es tut einfach jede Bewegung weh, der ganze Tag ist mühsam.“
Dabei schien die Karriere von Ricarda Haaser im WM-Winter richtig Fahrt aufgenommen zu haben. In der Abfahrt und im Super-G erreichte die Allrounderin vom Achensee mit fünften Plätzen jeweils ihre besten Weltcupergebnisse.
In Saalbach war sie von den Trainern gleich für vier Bewerbe vorgesehen. „Es war seit Langem die erste Saison ohne Beschwerden. Alles hat sich in die richtige Richtung entwickelt.“
Lähmungserscheinungen
Und das war so nicht unbedingt zu erwarten. Wie die meisten ihrer Rennläufer-Kolleginnen ist auch der Körper von Ricarda Haaser gezeichnet von den Herausforderungen im Extrembereich.
Die Tirolerin hat bereits drei Bandscheibenvorfälle hinter sich, nach dem letzten Vorfall im Jahr 2023 litt Haaser unter Lähmungserscheinungen im Bein. „Darüber habe ich nie geredet. Du bist gehandicapt, wenn du dein Maximum rausholen willst, aber genau weißt, dass du in gewissen Bereichen limitiert bist.“
Ski-Suche
Die schwere Knieverletzung bedeutet für Ricarda Haaser nun gleich einen doppelten Neustart. Sie muss nicht nur schauen, dass sie wieder auf die Beine kommt, die 31-Jährige braucht auch noch neue Ski. Ihr langjähriger Ausrüster Fischer reduziert aus wirtschaftlichen Gründen das Engagement im Skisport. Neben Haaser fallen noch fünf weitere ÖSV-Läuferinnen dem Sparstift zum Opfer.
Das Dilemma von Ricarda Haaser: Sie hat im Gegensatz zu ihren Kolleginnen nicht die Gelegenheit, andere Ski-Marken zu testen. „Was soll ich machen? Ich darf erst im Herbst wieder auf die Ski. Ich werde aus dem Bauch heraus entscheiden müssen, was ich künftig fahre.“
Immerhin muss sich Ricarda Haaser keine Sorgen um ihren Startplatz machen. Trotz des vorzeitigen Endes ihrer Saison ist die 31-Jährige in Abfahrt, Super-G und Riesentorlauf in den Top 30 und erspart sich daher die ÖSV-interne Qualifikation. „So kann ich mich voll auf die Reha konzentrieren und brauche deshalb auch keine Ho-Ruck-Aktion starten.“
Denn auch das hat die erfahrene Tirolerin in ihrer Karriere gelernt: Geduld und Kontinuität sind zwei wichtige Erfolgskomponenten. „Von meiner Seite aus ist sicher nicht immer alles richtig gelaufen. Aber ich hatte auch extrem viele Wechsel bei den Trainern und bei den Serviceleuten. Wenn es keine Kontinuität gibt, kann man sich nur schwer, gut entwickeln.“