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Dann werden alle die Koffer packen

von Max

Er war im Verhandler-Team der FPÖ, wurde als FPÖ-Finanzminister gehandelt und sitzt nun für die FPÖ im Parlament. Der Ex-Finanzvorstand der ÖBB und Ex-Vorstand der Heta Asset Resolution Arnold Schiefer über das Glaubwürdigkeitsproblem von Wifo und IHS, das „Tamtam“ um Walter Rosenkranz und wen er „an den Ohren ziehen will“. 

KURIER: Wie oft haben Sie sich in den vergangenen Wochen gefreut, dass die FPÖ nicht in der Regierung und Sie nicht Finanzminister geworden sind?

Arnold Schiefer: Ich glaube nicht, dass die jetzige Regierung das Budget in den Griff bekommen und die richtigen Maßnahmen setzen wird. Ich bin also nicht froh, denn es ist von verlorenen Jahren auszugehen.

FPÖ und ÖVP haben im Jänner sondiert und 6,4 Milliarden Euro im System gefunden, nach Brüssel gemeldet, ein EU-Defizitverfahren abgewandt. Nun wird Österreich jedenfalls unter „EU-Kuratel“ gestellt, wie Sie zu sagen pflegen. Was ist so schlimm daran?

Es geht um das Mindset. Ich erinnere mich an den Budget-Ausschuss, nachdem Finanzminister Gunter Mayr aus Brüssel zurückgekommen ist und sagte: Wir haben aufgrund des Briefes und der gemeldeten Zahlen der Republik bereits 78 Millionen Euro gespart, weil die Rating-Agenturen uns nicht herabgestuft haben. Jetzt sagen die gleichen Experten, die unzutreffende Prognosen erstellen, die die Regierung auch bei der Inflationspolitik der letzten Jahre beraten haben, dass ein Defizitverfahren nicht so schlimm ist. 

Der Gmundner (Jahrgang 1966) studiert Betriebswirtschaft in Innsbruck, arbeitet ebendort im freiheitlichen Landtagsklub, wird Mitglied des Gemeinderates. 2000, während der ÖVP-FPÖ-Regierung, ist er im Infrastrukturministerium erst unter Monika Forstinger, dann unter Matthias Reichhold und Hubert Gorbach tätig. Später wechselt Schiefer zu den ÖBB, ist dort u. a. Projektleiter für den Bau des Hauptbahnhofes, 2006 wird er Vorstandssprecher der ÖBB-Infrastruktur Betrieb AG, unter ÖBB-Chef Christian Kern Finanzchef der Rail Cargo Hungaria, später Vorstand der Rail Cargo Austria. 2013 wird Schiefer Vorstand der Alpine Holding, 2015 Vorstand der Heta Asset Resolution, der Abbaugesellschaft/Bad Bank. 

2017 wie 2024 ist der ehemalige Aufsichtsrat und Ex-Finanzvorstand der ÖBB Teil des Verhandlungsteams der Freiheitlichen. Nach Bekanntwerden des Ibiza-Videos tritt der Oberösterreicher 2019 aus der FPÖ Wien aus, wenig später in die FPÖ Oberösterreich ein. 

Seit 24.10.2024 ist Schiefer, der Mitglied der Burschenschaft Teutonia ist, Nationalratsabgeordneter.

Herbert Kickl und Arnold Schiefer während der Sondierungsgespräche mit der ÖVP

Sie meinen IHS, Wifo, Fiskalrat…?

Exakt. Den Fiskalrat nehme ich hier aber aus. Wifo und IHS haben aktuell nicht nur ein Glaubwürdigkeitsproblem wegen der unzutreffenden Prognosen, sondern wegen der Finanzierungsstrukturen. Sie sind abhängig von öffentlichen Geldern. 

An welche Prognosen halten Sie sich?

Als ÖBB-Finanzvorstand habe ich einen Pool von Prognosen gehabt. Wir haben auf Daten von Wifo, IHS, Raiffeisen, Unicredit, der Baden-Württembergische Landesbank, ÖNB, IWF und anderen zurückgegriffen. Es ist fahrlässig, sich auf ein oder zwei Prognosen zu verlassen, die noch dazu staatsnahe sind. Für die Republik würde ich das Risiko nicht in Kauf nehmen.

Zurück zu den 6,4 Milliarden Euro …

Wenn der jetzige Finanzminister nicht sagt, wie er die Stufe 2 und 3 zu nehmen gedenkt, dann werden wir nicht nur ein Defizitverfahren bekommen, sondern auch Zweifel auf den Finanzmärkten säen und schlechter geratet. Es ist wie bei einer Bank: Ich bekomme keinen guten Kredit, wenn ich den gesamten Sanierungskurs nicht glaubwürdig darstellen kann. Der Aufschlag wird kommen wie das Amen im Gebet.

Sind die Stufen 2 und 3, also bis zu 12 Milliarden Euro an Einsparungen, heuer machbar?

Es ist unverständlich, wie das schwarze Loch immer größer werden kann. Mit Kosmetik und Marketinggags wird das nicht gelingen, sondern nur mit massiven Eingriffen im System und das passiert eben nicht.

Was wären massive Einschnitte?

Wir müssen schnell schmerzvolle Einschnitte machen, die zeitlich begrenzt sind, um wieder auf Kurs zu kommen und die Schulden zurückzahlen zu können. Eine never ending story bei der Sanierung der Staatsfinanzen ist den Bürgern nicht zumutbar. Die Maastricht-Kriterien zu erreichen, das allein wird nichts bringen, denn wir bauen weiter Schulden auf. Wir sollten uns ein Beispiel an Schweden nehmen, das vor Jahrzehnten in den Sozialstaat eingegriffen hat und sich gleichzeitig vorgenommen hat, ein Prozent Budgetüberschuss erwirtschaften zu wollen, um das Defizit zu tilgen. Erst wenn man eine politische Mehrheit für dieses Ziel hat, dann kann man sich für ausgabenseitige Einsparungen oder temporär neue Einnahmen entscheiden.

Neue Steuern, um das Defizit zu tilgen, sind also doch vorstellbar?

Vorrangig müssen wir uns ausgabenseitige Spielräume schaffen, um die Investitionsanreize und den Konsum zu stimulieren. Eine temporäre Steuererhöhung – wie in Schweden – kann nur am Ende aller Einsparungsmaßnahmen und Reformen stehen. Eine solche befristete Steuererhöhung könnte beispielsweise eine Massensteuer wie die Umsatzsteuer sein, wobei man dabei auf die Grundnahrungsmittel besondere Rücksicht nehmen muss. Ob die zuständige Regierung Steuererhöhungen plant wird man bei der Budgetrede im Mai sehen. Wir lehnen aber neue Steuern zur Budgetsanierung ab, jetzt gilt es Sparpotentiale in den Ministerien zu heben. Da werden wir darauf schauen.

Werden auch Nulllohnrunden nötig sein?

Hier muss man unterscheiden. Beginnen müsste man beim öffentlichen Dienst, wo ÖVP und SPÖ leider schon eine Erhöhung bis 2026 einzementiert haben. Das war grundfalsch.

Kann man so ein Paket aufschnüren?

Wir machen jetzt sicher nicht die Arbeit der Bundesregierung. ÖVP und SPÖ haben sich für den Job der Budgetsanierung beworben. Dort, wo es Sinn macht, werden wir zustimmen. Und dort, wo es keinen macht, werden wir sie ordentlich an den Ohren ziehen.

NR-WAHL: PRÄSENTATION FPÖ "WAHLPROGRAMM": SCHIEFER / KICKL / BELAKOWITSCH  / NEMETH

FPÖ „WAHLPROGRAMM“: Arnold SCHIEFER / Herbert KICKL / Dagmar BELAKOWITSCH  /Norbert  NEMETH

Die FPÖ wird ständig als destruktive Kraft kritisiert und hat bei keiner einzigen Maßnahme aufgezeigt. Wo würde sie überhaupt mitziehen?

Wir sehen den Willen zum Sparen in der Struktur nicht. Das Geld wird momentan weiterhin nur verwendet, um Unsinnigkeiten zu finanzieren. Warum sollten wir die Regierung jetzt massiv unterstützen? Unsere Anträge werden meist vertagt und im Parlament wird die FPÖ bei jeder zweiten Wortmeldung geschmäht.

Was verspricht sich die FPÖ von der Ministeranklage gegen Ex-Finanzminister Magnus Brunner?

Die ÖVP hat das Rekorddefizit mitverursacht, für Kanzler, Finanz- und Wirtschaftsminister ist es ja gut gelaufen. Der eine geht zur Investitionsbank, der andere wird OeNB-Gouverneur und der Dritte ist EU-Kommissar. Die Regierung gibt gerade der Bevölkerung zu verstehen: Es ist egal, wenn Du im Job versagst, Du wirst auch noch dafür belohnt.

Sie wollen ein Exempel statuieren?

Es geht darum, dass es nicht egal ist, wie jemand performt hat. Brunner wusste bereits während des Wahlkampfs 2024, dass die Zahlen nicht halten, aber er hat geschwiegen. Die Prognosen fallen nicht mit dem Fallschirm vom Himmel in die Hände des Herrn Felbermayr, sondern werden über mehrere Wochen erarbeitet.

IWF-Wirtschaftsprognose

Laut IWF ist Österreich das einzige EU-Land, das in einer Rezession ist. Das ist exogenen Faktoren geschuldet…

…ich widerspreche! Alle hatten Corona, eine Energie-Krise und eine hohe Inflation. Österreich hat massiv bei der Inflationsbekämpfung versagt und die türkis-grüne Regierung dachte, dass sie ihre Unbeliebtheit mit ungedeckten Schecks wie Klimabonus und Co wettmachen kann. ÖVP und Grüne wollten sich mit nicht vorhandenem Steuergeld Wählerstimmen kaufen.

Förderungen oder das Klimaticket für 18-Jährige wurde gestrichen.

Das Klimaticketfür 18-Jährige ist reine Klientelpolitik. Ich zahle dem, der keine Öffis benutzen kann auch kein Fahrrad oder Moped. Das ist eigentlich eine Frage der Gerechtigkeit.

Herbert Kickl hat mit Donald Trump sympathisiert. Der setzt nun Zölle um, die unserer Wirtschaft zusätzlich schaden. Die USA sind unser zweitgrößter Exportmarkt, was sollen wir jetzt machen?

Wir sollten primär damit anfangen, Österreichs Neutralität zu streicheln.

Was heißt das?

Dass die Außenministerin mit ein paar Mozartkugeln in die Schweiz hätte fahren sollen, statt bei ihrem ersten Staatsbesuch in die Ukraine zu reisen. In erster Linie müssen wir für alle ein beliebter Handelspartner bleiben. Darüber hinaus muss auch Europa seine Rolle wiederfinden.

Sind Sie ein Transatlantiker, also für eine starke Zusammenarbeit mit den USA?

Die Frage ist, wo unsere Märkte sind. Mit Blick auf die Lohnstückkosten in Asien, wird es immer schwieriger, mit unseren Produkten dort wettbewerbsfähig zu sein. Trump zwingt Unternehmen wiederum, in den USA zu produzieren. Wer nicht international agiert, wird es mittelfristig sehr schwer haben, irgendwo hinzuexportieren. Soll heißen: So wie es war, wird’s nicht bleiben.

Wohin geht die Reise, wenn wir nichts ändern?

Es ist fünf Minuten nach zwölf. Wenn man jetzt nicht schnell klare Signale Richtung Wirtschaft und Industrie sendet, dann werden alle, die können, die Koffer packen. Die Regierung muss eine Liste erstellen, welche Industrie sie hier halten will. Und dann geht es darum, wettbewerbsfähig zu bleiben: mit niedrigeren Energie- und Lohnstückkosten, aber auch niedrigeren Gehaltsabschlüssen. Wenn wir das nicht wollen, wird es eine Deindustrialisierung geben. Und dann können wir uns den Sozialstaat in der Form auch abschminken.

Welche Branchen sollten auf dieser Liste stehen?

Zum Beispiel Maschinenbau, Medikamente oder auch Batterien. Wir lagern und transportieren im Unternehmen Batterien in Ungarn und exportieren sie nach Mexiko. Warum in Ungarn? Weil beispielsweise in der Steiermark der Lithium-Abbau nur schwer durch die Umweltverträglichkeitsprüfung geht. Hier fehlen einfach politische Grundsatzentscheidungen.

Die Wiener FPÖ hat die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionisten kritisiert. Dabei war das bereits Teil des blau-türkise Sparpakets, auch wenn es nicht explizit im Brief an die EU gestanden ist.

Genau! Wir hatten uns nur darauf geeinigt, dass wir 270 Millionen Euro für die Sozialversicherungen brauchen. Wie die Summe zustande kommt, das war offen, auch wenn Herr Wöginger anderes behauptet. Da waren Modelle im Gespräch, bei denen wir die Pensionisten nicht schnapsen, zum Beispiel eine temporäre Anhebung der Maximalgrenze bei den Sozialversicherungsbeiträgen. Das hätte Besserverdiener getroffen.

Auf Pensionen fallen auch bei 6 Prozent immer noch niedrigere Krankenversicherungsbeiträge an als auf Löhne. Was ist daran unfair?

Hier fehlt einfach die soziale Staffelung. Sechs Prozent sind für den einen mehr, für den anderen weniger. Wer am Existenzminimum lebt, spürt das.

Die FPÖ will Bargeld in die Verfassung schreiben. Zahlen Sie bar oder mit Karte?

Mit beidem, aber ich bin natürlich ein Freund des Bargeldes. Junge Menschen erkennen oft nicht mehr, wie leicht sie ihre mühsam erkämpften Freiheiten gegenüber vermeintlichen Bequemlichkeiten abgeben. Wenn aber irgendwann das Wahrheitsministerium die Macht übernimmt, bekommt nur noch ein Konto, wer brav ist.

NATIONALRAT: ROSENKRANZ

Nationalratspräsident Walter Rosenkranz

Sie sind derzeit in der Privatwirtschaft und als Abgeordneter tätig. Verdienen Sie zu viel?

Ich habe mein Gehalt in der Privatwirtschaft massiv reduziert und bin jetzt mit dem Nationalratsgehalt dort, wo ich vorher ohne war. 

Verstehen Sie die Aufregung darüber, dass Nationalratspräsident Walter Rosenkranz als Vorsitzender des Nationalfonds nicht zur Seite getreten ist?

Nein. Er hat sich nichts zu Schulden kommen lassen. Er war Volksanwalt und Präsidentschaftskandidat. Ihm wird in diesem Vortrag der anderen subkutan unterstellt, dass er als Blauer und Mitglied einer Burschenschaft für dieses Amt moralisch oder fachlich nicht geeignet wäre. Und das gefällt mir nicht. Das gilt jetzt für dieses Amt, dann für das nächste und am Schluss haben wir ein Verbot von Parteien. Wo hört man auf, diesem Druck nachzugeben?

Zum Beispiel dort, wo Holocaust-Überlebende ein Problem mit einer Personalie haben?

Ich habe Freunde aus allen Glaubensrichtungen, auch aus dieser. Man will es nicht glauben, aber es gibt auch dort Menschen, die kein Problem mit der FPÖ haben, sie sogar wählen. Hier spielt sich eine Gruppierung als Sprecher für alle auf und die Anti-FPÖ-Koalition und manche Medien machen daraus ein Tamtam.

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