2024 gab es rund 40.000 österreichische Privatflüge – 1.700 davon im Inland. Was für die AUA verboten ist, ist für Privatjets Usus. Das zeigt eine Datenanalyse der WZ. Die Distanzen sind gering, die Emissionen sind hoch.
Es ist Mittag am 17. März 2024, die Wolkendecke reißt gerade auf. Bei 14 Grad und einem sanften Nordwind von fünf Kilometern pro Stunde hebt der kleine Vierpersonen-Sitzer mit der Registrierung OE-FFB in Salzburg ab. Sein Ziel: Wien. Nach nicht einmal 45 Minuten hat er dieses erreicht.
Eigentlich wurde die Flugverbindung Salzburg-Wien vor fünf Jahren für Linienflüge eingestellt. Zumindest schrieb es die Bundesregierung im 600 Millionen Euro schweren Sanierungspaket für die AUA so vor. Sämtliche innerösterreichischen Flüge, die mit der Bahn unter drei Stunden zu bewältigen sind, sind seither gestrichen.
Doch das kleine Flugzeug vom 17. März fliegt privat. Das Modell ist eine „Cessna Citation Mustang“. Es gehört der Firma GlobeAir, der landesweit größten Charter-Fluggesellschaft. Im Funkverkehr werden ihre Flugzeuge mit dem Rufzeichen „Dream Team“ angesprochen. Ob ein:e Passagier:in an Board sitzt, ist unbekannt. Leerflüge machen rund 40 Prozent der Privatreisen aus – die Flugzeuge holen die Passagier:innen erst ab.
Superreiche: Mit dem Einkommen steigen die Emissionen
Fast viermal die Woche fliegt ein Privatflugzeug von Salzburg nach Wien. Was für die AUA verboten ist, ist für österreichische Privatjets die am meisten geflogenen Route 2024. Der Preis für die 251 Kilometer beträgt laut GlobeAir 6.441 Euro, bei anderen Charterfirmen noch mehr.
Ein Luxus auf Kosten der Umwelt. Die Distanz Salzburg-Wien verursacht mit einem kleinen Flieger 0,8 Tonnen an CO₂-Emissionen, je nach Größe des Privatjets auch bis zu 1,3 Tonnen. Würde man die gleiche Strecke mit dem Zug fahren, verursacht man laut Angaben der ÖBB nur 3,6 Kilogramm an CO₂-Emissionen. Mit einem Mittelklassewagen sind es rund 100 Kilogramm. Zum Vergleich: Um die Klimaziele des europäischen Grünen Deals zu erreichen, müsste dieser Wert langfristig auf maximal 0,4 Tonnen CO₂ pro Person und Jahr sinken. Der Privatflug Wien-Salzburg verursacht bereits das doppelte davon.
Privatflugzeuge und die, die sie mieten, beschleunigen also die globale Erwärmung. Insgesamt flogen österreichische Privatjets 2024 knapp 40.000-mal und verursachten damit rund 121.000 Tonnen an CO₂-Emissionen – etwa so viel wie 14.000 österreichische Einzelpersonen im Jahr.
Die Daten stammen aus den Fluglisten der Wissenschaftsdatenbank Opensky und der europäischen Flugkontrollorganisation Eurocontrol. Besonders auffällig: Knapp ein Drittel hat eine Distanz von weniger als 400 Kilometern. Sie gelten laut Verkehrsclub Österreich als Kurzstrecke. Rund die Hälfte der Privatflüge fliegt weniger als 500 Kilometer.
Kurzstrecke: Wohin die Reise geht
In den Fluglisten wurden im vergangenen Jahr rund 1.700 Inlandsflüge verzeichnet, welche mehr als 2.500 Tonnen an CO₂-Emissionen verursachten. 785 dieser Inlandsflüge waren reine Rundflüge – luxuriöse Sightseeing-Touren ohne konkretes Ziel für 2.000 bis 20.000 Euro pro Stunde.
Diese Rundflüge machten 2024 einen Großteil der Privatflüge aus, gefolgt von der anfangs erwähnten Route Salzburg-Wien. Ebenfalls beliebt ist die Flugroute von Linz nach Salzburg. Mit einer Flugzeit von etwa 15 Minuten zählt sie auch zu den kürzesten.
Von den insgesamt 40.000 Privatflügen 2024 starteten oder landeten 9.200 in Österreich. Knapp 3.600 davon flogen wiederum eine Distanz von 400 Kilometern oder weniger. Laut ADAC wären für diese Strecke andere Verkehrsmittel wie der Zug oder das Auto schneller als zumindest ein Linienflug. Diese 3.600 privaten Kurzstreckenflüge sind auch für insgesamt 5.800 Tonnen an CO₂-Emissionen verantwortlich.
Wohin diese Kurzstreckenflüge gingen, zeigt folgende Grafik.
Zusammengefasst flogen österreichische Privatflieger 2024 im Schnitt eine Stunde und 15 Minuten, legten eine Distanz von 650 Kilometern zurück und verbrauchten 2,9 Tonnen an CO₂-Emissionen.
Österreich: Land der Privatflugzeuge
In Österreich sind laut Austro Control rund 340 Privatflugzeuge zugelassen. Die Besitzer:innen sind unterschiedlich: Es ist die Heizungsfirma im Innviertel, der Privatarzt in Döbling oder Großkonzerne wie Glock, Porsche oder Red Bull, die ihre Privatflugzeuge gern auch chartern.
Ein Großteil der österreichischen Privatflugzeuge befindet sich jedoch in der Hand von eigenen Charterunternehmen wie eben GlobeAir, Avcon Jet oder Sparfell Luftfahrt – die drei größten Charterunternehmen, die 2024 für gut ein Drittel der CO₂-Emissionen durch Privatflugzeuge verantwortlich waren. Obwohl Globe Air mit mehr als 6.600 Flügen die meisten Privatflüge verzeichnet und damit auch knapp 11.000 Tonnen an Treibhausgasen produziert, verursacht Avcon Jet mit nur rund 2.200 Flügen jährlich knapp doppelt so viel CO₂. Grund dafür sind die Größe und Ausstattung der Flotte.
Denn gerade Avcon Jet verspricht Luxus, Komfort, Freiheit und auch Nachhaltigkeit. Flüge egal wann und wohin sind die Norm. 24 Stunden Erreichbarkeit, Last-Minute- und Short-Notice-Buchungen gehören dazu. Ein Wochenendtrip von Wien nach Bozen: 22.000 Euro – Abholung per Helikopter und Limousine inklusive. Auf ihrer Website verspricht Avcon Jet Klimaneutralität. Die tatsächlich verursachten CO₂-Emissionen werden jedoch verschwiegen. Selbst die Hersteller der Privatflugzeuge sprechen ungern vom Verbrauch ihrer Flieger. Eine Anfrage der WZ an Avcon Jet bleibt unbeantwortet.
GlobeAir ist da laut eigener Aussage etwas bescheidener. Zwar blieb eine WZ-Anfrage ebenfalls unbeantwortet, doch in einem aktuell nicht mehr aufrufbaren Interview mit dem Magazin Trend aus dem Jahr 2021 spricht GlobeAir keineswegs von Luxus. Als es zu Corona-Zeiten wirtschaftliche Einbrüche und Stillstand gab, sah Bernhard Fragner, Gründer und CEO von GlobeAir, eine wirtschaftliche Chance. Weniger Restriktionen bei Einreisen durch Privatjets und aufgrund der damals geschlossenen Hotels zusätzlich noch Rückflüge am selben Tag. Die Idee ging auf. 2021 verzeichnete GlobeAir einen Rekordmonat nach dem anderen.
Auch der Kostenfaktor der Privatflüge sei für Fragner kein Thema. Im damaligen Trend-Interview sagt er: „Wenn man zu dritt oder zu viert unterwegs ist, dann liegt der Privatjet-Ticketpreis pro Person vielleicht um zwei-, dreihundert Euro über dem Linienflug – mehr Unterschied ist da nicht mehr.“ Auch den Champagner darf man laut Website selbst mitnehmen.
Obwohl die Privatflüge erhebliche CO₂-Emissionen verursachen, verspricht GlobeAir gleichzeitig, klimaneutral zu sein – gar von „doppelter Neutralität“ ist die Rede, wenn man je eine Flugstunde mit 66 Euro kompensiert. Dabei setzt GlobeAir auf nachhaltigen Flugzeugtreibstoff, den Schutz des brasilianischen Regenwalds und plastikfreies Catering. Eine Kooperation mit der ÖBB bietet ebenfalls die Möglichkeit, den Flug in eine Bahnreise umzutauschen.
Wie wirksam die Maßnahmen in der Realität sind, bleibt unbeantwortet. Denn solang die Privatflüge weiterhin abheben, bleiben auch die CO₂-Emissionen enorm.
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Infos und Quellen
Genese
Privatflieger verursachen sehr viele CO₂-Emissionen. In Österreich ist die Dichte an Privatfliegern besonders hoch. Die Wissenschaftsdatenbank Opensky und die europäische Flugkontrollorganisation Eurocontrol geben Einblicke, worüber Charterfirmen schweigen.
Gesprächspartner
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Stefan Stadler, Greenpeace Investigative
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Peter Schmidt, Austro Control
Daten und Fakten
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Die Wissenschaftsdatenbank Opensky und die europäische Flugkontrollorganisation Eurocontrol liefern mit 25 Gigabyte an Daten für das Jahr 2024 einen detaillierten Einblick in die weltweiten Flüge.
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In Österreich werden alle angemeldeten Flugzeuge und Helikopter in einem öffentlichen Datensatz von Austro Control verzeichnet. Der Datensatz beinhaltet unter anderem Informationen über die Registrierung und den/die Halter:in des Flugzeugs.
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Die Fluglisten von Opensky und Eurocontrol wurden mit dem Verzeichnis von Austro Control nach den in Österreich registrierten Flugzeugen gefiltert. Die Privatflugzeuge wurden nach Größe und Maximalgewicht der Flieger aussortiert. Alles über dem von der WZ gesetzten Maximalwert war zu groß für einen Privatjet, wie beispielsweise ein Airbus A380 mit einem Startgewicht von 560 Tonnen. Alles unter dem von der WZ gesetzten Minimalwert war zu klein, wie beispielsweise ein durchschnittliches Segelflugzeug mit einem maximalen Startgewicht von 850 Kilogramm.
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Firmen, die eine besonders hohe Anzahl an Flügen verzeichneten, wurden ebenfalls aus der Auswertung gefiltert, da es sich dabei meist um Flugschulen handelte, oder Flugzeuge, die Fallschirmsprünge ermöglichen.
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Nicht alle Flüge verzeichneten lückenlose Daten. Beispielsweise fehlte immer wieder der Start- oder Landeflughafen, wenn dieser nicht exakt bestimmt werden konnte. Gelegentlich verschwinden Flugzeuge auch vom Radar, was passieren kann, wenn der Funk ausfällt oder das Flugzeug außerhalb der Radarreichweite oder in niedriger Höhe fliegt. Oder auch, wenn das Flugzeug Europa verlässt, da Eurocontrol nur die europäischen Flugdaten aufzeichnet. Technische Fehler oder ein manuelles Abschalten sind ebenfalls nicht ausgeschlossen. Wurde in der Liste für ein Flugzeug ein Start- oder Landeflughafen beim Flug davor oder danach vermerkt, wurde im Fall einer Lücke dieser Start- oder Landeflughafen herangezogen. War am Ende immer noch der Start- oder Landeflughafen unbekannt, wurden diese Flüge bei der Flugroutenauswertung zuvor herausgenommen.
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Bei der Berechnung der CO₂-Emissionen wurde die Flugzeit verwendet. Flüge mit einer Flugzeit unter fünf Minuten wurden zuvor gefiltert, es handelt sich dabei um Fehler in der Aufzeichnung, beispielsweise wenn ein Flug nur wenige Sekunden aufgezeichnet wurde.
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Nicht bei allen Flugzeugen ist der tatsächliche Verbrauch bekannt, da auch die Hersteller gern darüber schweigen. In diesem Fall wurde ein Verbrauch von einem Flugzeug mit einer ähnlichen Größe und ähnlichem Maximalgewicht herangezogen.