Douglas Hoyos, Generalsekretär der Neos, spricht von einer Dreier-Regierung auf Augenhöhe.
KURIER: Herr Hoyos, Sie haben Betriebswirtschaft studiert. Was denken Sie sich, wenn Sie hören, dass das Budget-Defizit dermaßen explodiert ist?
Douglas Hoyos: Es geht einem natürlich nicht gut, wenn man sieht, wie die finanzielle Lage der Republik ist. Es ist jetzt eine Kraftanstrengung, dieses Budget zu sanieren, diese Republik gemeinsam zu sanieren und zu reformieren. Wir werden in den nächsten Monaten und Jahren hart arbeiten, damit wir alle miteinander wieder in bessere Zeiten kommen.
Ist es für Sie eine Fahnenfrage, ob es wegen des Budgetlochs ein EU-Defizitverfahren gibt oder nicht?
Das liegt nicht in unserer Hand, das entscheidet die Europäische Kommission.
Wenn noch mehr eingespart wird als die 6,4 Milliarden Euro, dann könnte man der EU zeigen, dass wir es allein stemmen werden?
Wir liegen jetzt beim Jahresabschluss 2024 ja bei einem Defizit von 4,7 Prozent des BIP. Da sieht man, dass da schon einiges notwendig ist. Wir haben ein sehr ambitioniertes Spar- und Reformprogramm vereinbart. Darüber hinaus ist es natürlich von jedem die Aufgabe, zu schauen, ob es noch in irgendwelchen Bereichen Potenzial gibt, um zu sparen und effizienter zu werden. Gleichzeitig muss man aber immer auf die Wirtschaft schauen. Wesentlich ist jetzt, dass wir das EU-Defizitverfahren – wenn es tatsächlich kommt – nehmen und klar sagen, welche strukturellen und nachhaltigen Reformen langfristig notwendig sind. Da hat die EU-Kommission auch in den vergangenen Jahren immer wieder Maßnahmen gefordert.
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Einfacher wäre es, wenn man doch sagt, man wird Steuern erhöhen oder neue Steuern einführen, um zu mehr Einnahmen zu kommen.
Österreich ist bereits ein Höchststeuerland. Wir sehen sowohl bei den Einnahmen als auch bei den Ausgaben ein Problem, denn wir besteuern die Menschen und Betrieben zu stark und geben gleichzeitig zu viel aus. Das langfristige Sanieren des Staatshaushaltes geht nur über Reformen. Es kann nicht die Antwort sein, immer nur weiterzuwursteln wie bisher und irgendwie zu versuchen, über einzelne Steuersätze etwas zu machen.
Wie sehen Sie die Rolle der Bundesländer, wenn es ums Sparen geht? Deren Landesbudgets haben auch mit einem teilweise kräftigen Minus 2024 abgeschlossen.
Ja, auch Länder und Gemeinden haben deutlich zu viel ausgegeben – zusammengerechnet um 4,6 Milliarden Euro. Wir haben schon im letzten Jahr und in den Regierungsverhandlungen darauf hingewiesen, dass die Zahlen, mit denen man geplant hat, nicht nachvollziehbar waren. Und wir haben darauf gepocht, dass die Länder und Gemeinden an den Tisch geholt werden. Das ist diese Woche passiert – es gibt jetzt Klarheit und ein Bekenntnis dazu, dass auch die Landeshauptleute und die Landesregierungen ihre Verantwortung für die Sanierung des Budgets wahrnehmen müssen. Wir kommen nur gemeinsam aus der Schuldenkrise. Eine Reform wäre beispielsweise die schon lange diskutierte Steuerautonomie für Länder, die von zahlreichen Wirtschaftsforschern empfohlen und von uns unterstützt wird.
Kommen wir zurück auf die Koalitionsverhandlungen. Die Neos waren die einzige Regierungspartei, die sich einer Mitgliederabstimmung stellen musste. Die 94 Prozent für die Dreier-Koalition waren überraschend hoch. Dabei haben manche befürchtet, dass die Stimmung eher auf Nein steht.
Ich habe in meinem Leben grundsätzlich sehr wenig Angst, weil ich glaube, dass einen das nicht weiterbringt. Wir haben klar gesagt, dass wir auf diese Reise die gesamte Organisation mitnehmen müssen. Wir sind während der intensiven Verhandlungen sehr intensiv mit den Mitgliedern im Dialog gewesen. Es war einfach ein sehr guter interner Prozess. Im Nachhinein bin ich sehr froh, wie es gelaufen ist. Die 94 Prozent waren natürlich eine überwältigende Mehrheit, von der ich – offen und ehrlich – nicht geträumt habe.
Die angesprochenen Verhandlungen waren bereits der zweite Anlauf. Am Ende der ersten Runde waren die Neos vom Tisch aufgestanden. Was hatte sich danach geändert? Etwa nur die Tatsache, dass man FPÖ-Obmann Herbert Kickl als Kanzler verhindern wollte?
Verhindern allein hilft gar nichts. Außerdem hätte man uns dazu nicht gebraucht. ÖVP und SPÖ haben auch allein eine Mehrheit im Parlament.
Aber eine sehr schwache mit nur einem Mandat Überhang.
Natürlich ist eine stabile Mehrheit in so herausfordernden Zeiten positiv, das will ich gar nicht abstreiten. Aber es braucht darüber hinaus schon etwas mehr. In der zweiten Verhandlungsrunde habe ich Dynamiken und eine Bereitschaft, aufeinander zuzugehen kennengelernt, die wir davor nicht hatten. Und es ist in der Zeit zwischen den beiden Verhandlungen viel passiert, nicht nur Herbert Kickl. Es ist auch Donald Trump in den USA endgültig Präsident geworden. Das hat weltweit eine andere Dynamik ausgelöst, die auch bei uns spürbar war. Eine antieuropäische Regierung wäre in Zeiten wie diesen eine Katastrophe für das Land. Und es wurde im zweiten Anlauf mit sehr viel Respekt und auf Augenhöhe verhandelt.
Überraschend war es dennoch. Nach dem Scheitern am Beginn des neuen Jahres hatten sich gerade Neos und die SPÖ einiges ausgerichtet. Mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Wenige Wochen danach wird nun von Respekt und Augenhöhe gesprochen?
Zwischen der SPÖ und Neos, das kann ich durchaus offen sagen, wurde das in der Zeit aufgearbeitet, in der wir davon ausgegangen sind, dass sich FPÖ und ÖVP einigen und wir nicht in der Regierung sind. Wir haben damals darüber geredet, wie man in der Opposition zusammenarbeiten kann. In so intensiven Verhandlungen ist es einfach so, dass es Reibung gibt. Das gehört dazu, das ist der politische Diskurs. Man kann aber dennoch seine persönlichen Gefühle zurücknehmen und dann versuchen, bestmöglich für das Land zusammenzuarbeiten.
Die Neos sind in der Dreier-Koalition der Junior-Junior-Partner, also das kleinste Rad am Wagen. Welche Rolle will man da in dieser Regierung spielen?
Wir arbeiten zu dritt wirklich gut zusammen. Wir reden in diesen Gesprächen – gleichgültig, auf welcher Ebene sie geführt werden – nie darüber, wie viele Prozente die eine oder andere Partei hat. Das ist auch eines der Dinge, die sich ein stückweit gegenüber den ersten Verhandlungen verändert haben. In der Zusammenarbeit wird jedem sein Raum gelassen und man versucht, so zu gemeinsamen Lösungen zu kommen. Das ist eine positive Dynamik, die auch draußen spürbar ist.
Die Neos sind für das Bildungsressort zuständig. Ihre Parteichefin Beate Meinl-Reisinger hat immer gesagt, dass es wieder eine Bildungsreform geben muss. Was wollen die Neos da in Zeiten des Sparens erreichen?
Natürlich ist das Bildungsressort eine riesige Aufgabe. Da gibt es ganz viele Dinge zu tun und Minister Christoph Wiederkehr liefert auch jeden Tag. Ob es die Orientierungsklassen sind, ob es das Handyverbot in Schulen, oder ob es die Entbürokratisierung ist. Er setzt diese Dinge um. Er bringt da sehr viel Erfahrung aus Wien mit, wo er sehr viele Herausforderungen, gerade im Bereich der Integration, hatte. Er weiß auch, wo die Probleme der Länder in diesen Fragen sind.
Er weiß aus Wien auch, wie schwer es ist, sich gegen einen starken Bezirksvorsteher durchzusetzen.
Na ja. Die Hauptproblematik, mit der Christoph Wiederkehr zu kämpfen hatte, war leider sehr oft der Bildungsminister. Dazu gibt es auch diverse Briefwechsel, die dann veröffentlicht wurden. Aber gerade wenn es um Effizienz und Doppelgleisigkeiten im Bildungsbereich geht, ist es gut, jemanden zu haben, der beide Seiten kennt. Was uns im Bildungsbereich gelungen ist: Wir haben die Elementarpädagogik zurück im Bildungsministerium. Dementsprechend ist der Bildungsweg vom Kindergarten bis ins Schulwesen abgebildet.
Sehr oft ist es bereits passiert, dass die Juniorpartner in einer Regierung bei den darauffolgenden Wahlen untergegangen sind. Zuletzt mussten die Grünen das zur Kenntnis nehmen. Wie wollen Sie diesem Schicksal entgehen?
Ich weiß, dass dieses Bild in den Medien immer so gezeichnet wird. Es gibt internationale Studien, die das nicht belegen. Es gibt auch Beispiele, wo die Juniorpartner sehr erfolgreich waren. Im Wesentlichen ist es immer dasselbe. Solange man das liefert, was man vor der Wahl versprochen hat, kann man durchaus erfolgreich sein. Und wir werden liefern, trotz der budgetär schwierigen Zeiten. Da bin ich sehr, sehr optimistisch