Dicke Luft herrscht in der Steiermark. Nicht so sehr ob der Feinstaubbelastung im Grazer Kessel, weil die Freiheitlichen den 100er auf der Autobahn gekippt haben. Sondern weil das Geld fehlt – ganz besonders in der Kultur.
Nonchalant gestand Günter Riegler, der Grazer Kulturstadtrat (ÖVP), kürzlich in der Kleinen Zeitung ein, dass es „Kürzungen von 1,8 Millionen Euro im Subventionstopf für die freie Szene“ gibt. Daher sei – Pech aber auch – „echtes Fair Pay“ nicht möglich. Die Kunstschaffenden dürfen sich also weiter selbst ausbeuten. Sollte es einen Aufschrei der Entrüstung gegeben haben: In Wien war er nicht zu vernehmen. Vielleicht gab es auch keinen, weil KPÖ und Grüne mit der ÖVP die Stadt regieren.
Gerhard Ruiss, Rächer der Enterbten, ist trotzdem ganz in der Höhe. Der Sprecher der IG Autorinnen und Autoren initiierte mit Yvonne Gimpel von der IG Kultur Österreich eine „österreichweite Solidarisierungsaktion“. Denn: „Wir beobachten mit Bestürzung den Versuch der neuen steirischen Landesregierung, die vielfältige Kunst- und Kulturlandschaft der Steiermark auszuhungern und zu zerstören. Die ersten bis zu 100 % reichenden Kürzungen wurden bereits vorgenommen, das für fachliche Entscheidungen zuständige Kulturkuratorium wurde parteipolitisch umbesetzt, darunter mit Vertretern extrem rechter Ideologien. Die FPÖ-geführte Landesregierung beginnt mithilfe der ÖVP ihr auf ,heimisches Brauchtum‘ und ,steirische Volkskultur‘ ausgerichtetes Kunst- und Kulturprogramm zu verwirklichen.“
Spinnefeind
Da schrillen allerorts die Alarmglocken – und binnen Stunden hatte man tausend Unterschriften, darunter viele schillernde Namen, beisammen. Die Frage ist bloß: Stimmt denn das, was Ruiss und Gimpel beobachten?
Tatsächlich sind sich FPÖ und „Steirischer Herbst“ spinnefeind. Keiner lässt die Chance aus, den anderen vorzuführen. Das einstige Avantgardefestival agiert nur marginal subtiler: Im Herbst 2024 wurde ein – na ja – parodistisches Wahlkampfplakat affichiert und mit großer Geste abgerubbelt. Von Konzeptkunst darf man sich eigentlich mehr Tiefe erwarten.
Die FPÖ unter Landeshauptmann Mario Kunasek wird daher nichts unversucht lassen. Und Karlheinz Kornhäusl, eigentlich Mediziner, scheint als Kulturlandesrat (ÖVP) eher unbedarft.
Quasi handstreichartig wurden am 27. Februar 13 der 15 Mitglieder des Kulturkuratoriums weit vor Ende der Funktionsperiode abberufen. Es folgte eine „stramm politische Neubesetzung“, wie die Kleine Zeitung titelte.
Kornhäusl spielte am Dienstag im Landtag den Naiven: In seinem Ressort lägen keine Daten zu den politischen Einstellungen der Nominierten vor; für jene sieben, die von ihm verantwortet werden, sei „die Expertise ausschlaggebend“ gewesen. Wie kann man sowas behaupten, ohne knallrot zu werden? Christian Buchmann wurde zum neuen Vorsitzenden des Kuratoriums gewählt. Er war ein Vorgänger von Kornhäusl, musste zurücktreten, weil er als Student plagiiert hatte, und fiel hinauf: Die ÖVP entsandte ihn in den Bundesrat.
Die Zusammensetzung des Kuratoriums ist in der Tat befremdlich. Die FPÖ nominierte ausschließlich Männer, darunter Franz Koiner, den Marketingleiter der Grazer Verlage Leopold Stocker und Ares. Dort erscheint nicht nur rechtsextremistisches Zeugs, publiziert wurde auch die Biografie über Kunasek: „Ein Leben für die Steiermark“. Dass eine Hand die andere wäscht, liegt irgendwie auf der Hand. Irritierenderweise war Stocker auf dem Stand des Hauptverbands des Österreichischen Buchhandels bei der Leipziger Buchmesse 2024 vertreten – und niemand fand etwas dabei, auch nicht Andrea Mayer, damals Kulturstaatssekretärin (Grüne), und Bundespräsident Alexander Van der Bellen.
Weggeblendet wird von jenen, die jetzt das große Wort führen, aber auch, dass die jetzige Landesregierung nicht hauptverantwortlich für die Budgetmisere ist. Sie hat sich nur zum Ziel gesetzt zu sparen. Das wäre auch schon im vergangenen Jahr notwendig gewesen. Die ÖVP hatte aber wohl keine Lust, die lautstarke Kunstszene vor der Landtagswahl gegen sich aufzubringen. Und so dürfte es – gerüchteweise – zu massiven Vorgriffen gekommen sein.
Nun ist das Dilemma groß: Das bereits ausgegebene Geld steht nicht zur Disposition, was bedeutet, dass es zu Subventionskürzungen kommt, auch wenn das Budget gleich bleibt. Das bisherige Kulturkuratorium unter dem Vorsitz von Edith Draxl wollte dies nach außen kommunizieren, damit sich die Szene darauf einstellt. Aber es hat prinzipiell Stillschweigen zu wahren. Kornhäusl argumentiert daher mit Vertrauensmissbrauch.
Er beteuerte am Dienstag erneut, für die Kunst und Kultur zu kämpfen. Seine Gegner wird er aber nicht erreichen: Für Donnerstag um 18 Uhr ist eine große Demo geplant.