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Der Kampf um das Dieselprivileg

von Max

Was genau ist das Dieselprivileg und warum ist es so umstritten? Was würde es bedeuten, dieses abzuschaffen?

Weil das hier ein strikt sachpolitischer Newsletter ist, halte ich mich mit Kommentaren zur aktuellen Politik grundsätzlich sehr zurück – das tue ich auch heute; dafür lasse ich unsere beiden Regierungsparteien (ÖVP und Grüne, zumindest nach Stand Mittwochabend) für sich selbst sprechen.

Uneinigkeiten

Nach der Präsentation des um Monate zu spät nach Brüssel zu übermittelnden Nationalen Energie- und Klimaplans am Dienstag, kurz davor per Umlaufbeschluss von der gesamten Regierung abgesegnet, waren sich beide nämlich schnell wieder uneinig, was da eigentlich drinsteht.

Zuerst postet Klimaministerin Leonore Gewessler auf ihren Social-Accounts unter anderem das:

Deshalb bin ich froh, dass wir uns auf die Abschaffung klimaschädlicher #Subventionen geeinigt haben. Damit gehen wir endlich auch Themen wie das #Dieselprivileg oder den Steuervorteil für Dienstautos an.

Darauf ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker:

Als Volkspartei stehen wir hinter dem Klimaplan, die Interpretationen von Umweltministerin Gewessler erinnern aber an ‚Leonore im Wunderland‘. Wie die Umweltministerin darauf kommt, dass das Dieselprivileg abgeschafft wird, ist mir ein Rätsel.

Darauf die Grüne Generalsekretärin Olga Voglauer:

Der nationale Klima- und Energieplanplan sieht schwarz auf weiß den Abbau von klimaschädlichen Subventionen vor. Das heißt natürlich auch, dass wir das Dieselprivileg und damit verbundenen Tanktourismus angehen.

Das umstrittene Dieselprivileg

Und so wird es sicher noch ein paar Wochen weitergehen. Statt darauf einzusteigen, was die Republik der EU-Kommission mit der Passage „Ziel ist es, durch einen schrittweisen Abbau kontraproduktiver Anreize und Subventionen zum Zieljahr 2030 einen Treibhausgasreduktionseffekt von mindestens 2 Mio. t CO2-Äquivalent pro Jahr zu erreichen“ genau verspricht – du findest sie auf Seite 204 und 205 des NEKP – scheint es mir zielführender, uns dieses umstrittene Dieselprivileg ein bisschen genauer anzuschauen: Was es ist, woher es kommt und was es hieße, es abzuschaffen.

Also: Das „Privileg“ ist, dass die Mineralölsteuer – mit Einnahmen von mehr als vier Milliarden Euro die wichtigste Verbrauchsabgabe in Österreich – für Diesel niedriger ist als für Benzin. Auf den Liter Diesel schlägt der Finanzminister nach dem Mineralölsteuergesetz 42,5 Cent auf, auf den Liter Benzin dagegen 51,5 Cent. Der ÖAMTC zeigt den Unterschied, den das beim Tanken von 50 Litern macht, recht anschaulich:


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Heute diskutieren wir diese Differenz vor allem aus der Perspektive der auf schwere Fahrzeuge angewiesenen Wirtschaft (und besonders der Landwirtschaft), weil Lkw vorrangig dieselbetrieben sind – und eine Preissteigerung diese ganz besonders treffen würde.

Strategische Industriepolitik

Das war aber nicht immer so: Als das Parlament 1949 das erste österreichische Mineralölsteuergesetz mit Werten von 26 Schilling pro 100 Kilo Benzin gegenüber 10 Schilling auf 100 Kilo Diesel beschlossen hat, schaute man vor allem ins niederösterreichische Zistersdorf. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage hieß es damals zum Diesel:

Für die Schaffung des niedrigeren Steuersatzes war der Gedanke maßgebend, die Gas- und Treiböle niedriger zu besteuern, um anregend auf den Bau von Dieselfahrzeugen sowie Dieselstandmotoren zu wirken und damit den Absatz von inländischem Gasöl zu sichern. Das inländische (Zistersdorfer) Rohöl enthält nur eine geringe Ausbeute an Benzin (rund 4 bis 6 v. H.), dagegen ist es sehr ergiebig an Gasöl (Dieselöl).

Sprich: Es ging bei der Schaffung des Dieselprivilegs um strategische Industriepolitik – man wollte die Möglichkeit haben, primär das heimische Öl zu nutzen, statt auf Benzinimporte aus dem Ausland angewiesen zu sein.

Das hat nicht so ganz funktioniert, wie wir heute, bald acht Jahrzehnte später, wissen. Und noch mehr: In der exzellenten Wifo-Studie zu klimaschädlichen Subventionen aus dem Jahr 2022 (im Auftrag des Klimaministeriums) heißt es:

Diesel stellt aufgrund der Treibhausgasemissionsintensität pro Liter und dessen Anteil an der Verschmutzung durch Stickoxide und Feinstaub im Vergleich zu Benzin eine höhere Belastung für die Umwelt dar. Diesel wird jedoch im Vergleich zu Benzin niedriger besteuert (…). Die unterschiedlich hohen Steuersätze drücken somit nicht die relative Umweltschädlichkeit aus. Im Jahr 2019 wurden ca. 68% der Treibhausgasemissionen des Pkw-Verkehrs von Dieselfahrzeugen verursacht.

Des Dieselfahrers Freud ist in dem Fall aber nicht nur des Klimas, sondern auch des Finanzministers Leid; das Wifo hat hier unterschiedliche Varianten berechnet, wie viel dem Fiskus durch die niedrigere Besteuerung dieses Kraftstoffs entgeht:

Renner

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Abschaffung klimaschädlicher Subvention

Die Szenarien für sich könnt ihr in der Studie nachlesen, aber was ihr hier mitnehmen könnt: Da steckt bis zu über eine Milliarde Euro drin, die der Staat durch die Abschaffung des Privilegs holen könnte – und das unter dem Mäntelchen „Abschaffung klimaschädlicher Subvention“ auch noch mit grünem Anstrich.

Ich will nicht sagen, dass das unbedingt kommen wird, jedenfalls nicht mehr in dieser Legislaturperiode – aber wenn nach der Wahl ein Sparpaket anstehen sollte (und: es sollte), würde es mich überraschen, wenn nicht doch wieder jemand auf die Idee kommen würde, zumindest schrittweise die Besteuerung von Diesel an jene von Benzin anzugleichen.

Nicht zuletzt, weil auch die Green-Budgeting-Einheit im Finanzministerium recht genau ausweist, dass die niedrigere Dieselbesteuerung eindeutig kontraproduktive Wirkung entfaltet – wie hier in der Liste des Spending Reviews Klima und Energie im BMF:

Renner

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Also: Ich würde den Kampf „Dieselprivileg abschaffen“ oder „sicher nicht“ vor der Wahl erst einmal ignorieren – schauen wir, was die nächste Regierung aus dem NEKP macht.


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Genese

Innenpolitik-Journalist Georg Renner erklärt einmal in der Woche in seinem Newsletter die Zusammenhänge der österreichischen Politik. Gründlich, verständlich und bis ins Detail. Der Newsletter erscheint immer am Donnerstag, ihr könnt ihn hier abonnieren. Renner liebt Statistiken und Studien, parlamentarische Anfragebeantwortungen und Ministerratsvorträge, Gesetzes- und Verordnungstexte.

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