Seit Jahren droht dem FK Austria Wien die Pleite – nun naht die Rettung. Doch damit wäre nicht automatisch alles gut. Im Hintergrund tobt ein heftiger Machtkampf um den Fußballverein.
Rückendeckung gibt es im Verein keine mehr – selbst von höchster Stelle nicht. Als Austria-Präsident Kurt Gollowitzer zuletzt vom TV-Sender Sky gefragt wurde, ob er seinem Sport-Vorstand Jürgen Werner die volle „Rückendeckung“ gebe, erklärte der bloß: „Ich lasse das mal offen“. Im von Floskeln geprägtem Fußballgeschäft bedeutet so eine Aussage viel – sie ist eine Art Kriegserklärung.
Die WZ hat in den letzten Wochen mit Involvierten und Insidern gesprochen – und unter Zusicherung von Anonymisierung Redeschwalle, Wutreden und Schimpftiraden gehört. Tiefe Gräben verlaufen durch den Klub. „Der hat keine Ahnung von Fußball“, sagt ein Angestellter über den Präsidenten. „Der ist sowieso bald weg“, meint ein anderer über Werners Assistenten, den Sportdirektor Manuel Ortlechner.
Es geht um Geld, Befindlichkeiten, Einfluss
Die Wiener Austria, einer der ältesten Traditionsvereine des Landes, kämpft gerade an zwei Fronten. Einerseits geht es um die Rettung des schwer verschuldeten Klubs. Andererseits darum, wer im Verein das Sagen hat. Zwei Gruppen – Investoren, Funktionäre, Manager – prallen dabei aufeinander. Es geht um Geld, persönliche Befindlichkeiten, Einfluss – und am Ende auch ein wenig um das Wohl des 113 Jahre alten Klubs.
Eigentlich braucht der FK Austria Wien in seiner verfahrenen Lage keine Streitigkeiten. Denn: Seit Jahren kreist der Pleitegeier über dem Klub. Das 2018 eröffnete, großteils über einen Bankkredit finanzierte Stadion und der sportliche Misserfolg ließen einen riesigen Schuldenberg anwachsen. 67 Millionen Euro Verbindlichkeiten wies der letzte Geschäftsbericht aus. Die Austria musste sich zur Hälfte an Investoren feilbieten. 2022 verkaufte man in letzter Not 49,9 Prozent der FK Austria Wien AG um vergleichsweise günstige 12,5 Millionen Euro – und konnte sich so kurzfristig über Wasser halten.
Die Investoren bestehen aus zwei Partien. Einerseits: Vermögende, die sich als Austria-Anhänger bezeichnen. Andererseits: die Investorengruppe WTF rund um den Ex-Spielervermittler Jürgen Werner. Der 62-jährige Oberösterreicher ist ein erfahrener Fußballmanager, von dem sich die Austria zugleich erhoffte, dass er den Klub sportlich flottbekommt. „Make Austria Great Again“, erklärte er zu Beginn. Im Februar 2023 wurde der Investor Werner auch zum bezahlten Sport-Vorstand – und darf seither auf sportlicher Ebene alles entscheiden: Er ernennt Trainer, verpflichtet Spieler, bastelt an einem Masterplan, der in Ansätzen kein schlechter ist. Doch der Erfolg blieb aus. In den letzten beiden Spielzeiten wurde die Austria bloß Fünfter und Achter.
Die Bank Austria lässt dem Klub über 20 Millionen Schulden nach
Weil sich der Klub über sportliche Erfolge nicht sanieren konnte, benötigte es einen anderen Plan: einen Schuldenschnitt beim größten Kreditgeber, der Bank Austria. Die Idee wurde jahrelang gewälzt, aber verworfen. Ein Grund dafür: Robert Zadrazil, lange CEO der UniCredit Bank Austria AG und zugleich Austria-Funktionär. Er soll als Aufpasser agiert haben, damit die Bank ihr Geld wiedersieht. So wurde 2021 überraschend Gerhard Krisch zum Finanz-Vorstand des Klubs, der 30 Jahre für die Bank Austria tätig war und die Schulden brav „zurückführen“ wollte. Doch der Klub schrieb kontinuierlich hohe Verluste, zuletzt zweimal infolge sieben Millionen jährlich. 2023 musste Krisch gehen. Nun ergab sich doch eine Möglichkeit. Zadrazil ist seit April nicht mehr CEO der Bank, sondern bloß noch Country Manager. Dazu kommt: Der neue Finanz-Vorstand der Austria Harald Zagicek gilt als beinharter Sanierer, der nicht lange um den heißen Brei redet. Er verdeutlichte der Bank, dass der Klub ohne Schuldenerlass insolvent sei. Und siehe da: Laut WZ-Informationen hat die Bank dem FK Austria zuletzt die Hälfte des 46-Millionen-Euro-Schuldenberges erlassen. Die andere Hälfte borgte sich der Klub derweil von Gönnern aus dem Austria-Umfeld (die das Geld bald verzinst zurückbekommen sollen) und konnte so der Bank den offenen Betrag zurückzahlen.
Stadionverkauf und 10 bis 12 Millionen Euro auf der hohen Kante
Damit die Zwischenfinanziers ihr Geld aber auch wieder sehen, muss der zweite Teil des Plans aufgehen: das Stadion um 45 Millionen zu verkaufen. Dafür hat man die Viola Stadion Besitz GmbH gegründet, für die man gerade Investoren sucht und diesen eine jährliche Rendite zwischen sechs und acht Prozent zugesagt hat. Ein Großteil soll laut WZ-Informationen bereits gefunden sein – mehrere Banken und Unternehmen, etwa die luxemburgische Firma Quattrex. Aus dem Stadionverkaufs-Erlös will man dann sämtliche Schulden begleichen – und am Ende zehn bis zwölf Millionen Euro auf die hohe Kante legen.
Der vor kurzem noch hoch verschuldete Klub wäre mit einem Schlag ein reizvolles Investitionsobjekt. Und darum dreht sich der große Konflikt, der gerade ausgefochten wird. Im Verein geht nämlich die Angst um, dass so mancher Investor, den man zuletzt noch dringend benötigte, nun eine Gefahr werden könnte.
Konkret geht es um Jürgen Werner, der zwar nur einen kleinen Anteil besitzt, dessen Gruppe WTF aber gemeinsam mit einer englischen Beteiligung 40 Prozent des Volumens innerhalb der Investoren hält.
Das bereitet vielen im Verein Sorge. Denn: Die Austria versteht sich seit jeher als Familie. Ex-Spieler ohne Erfahrung rutschen in hohe Ämter. Und: Vermögende Austria-Fans, die dem Klub finanziell helfen, reden mit. Violettes Blut steht über allem. Dem studierten Betriebswirt Werner fehlt jeglicher Austria-Bezug. Zudem gilt er als umstrittene Figur im Fußballgeschäft. Einerseits führte er den Linzer ASK vor wenigen Jahren aus der dritten Liga in den Europacup. Andererseits wurde ihm vorgeworfen, er habe Transfergelder in dubiose Kanäle verschwinden lassen, was Werner vehement bestreitet. Die Bundesliga verdonnerte ihn zu einer zwölfmonatigen Sperre – weil er gleichzeitig LASK-Funktionär und Gesellschafter von „im Bereich der Spielervermittlung tätigen Unternehmen“ war. Andererseits: Während viele potentielle Investoren einst der Schuldenberg des Klubs abschreckte, nahm Werner das Risiko in Kauf, sein Geld im schlimmsten Fall abschreiben zu müssen.
Der Plan: Investoren-Anteile von der Werner-Gruppe zurückkaufen
Laut WZ-Informationen gibt es nun den Plan, Werner als Sport-Vorstand abzulösen und die Anteile seiner Investorengruppe zurückzukaufen. Im Verein fürchtet man nämlich ein Szenario, in das sich mehrere Personen gegenüber der WZ regelrecht hineinsteigern: Werner wolle mit der Austria nicht bloß Pokale holen, sondern Profit machen, wird geunkt. Denn: In einem Syndikatsvertrag soll, das bestätigen mehrere Personen gegenüber der WZ, festgehalten sein, dass die Anteile der Werner-Gruppe bei einem Rückkauf durch die Austria jährlich mit 20 Prozent zu verzinsen sind (jene der Austria-nahen Investoren aber bloß mit fünf Prozent). Dazu sicherte sich die WTF um Werner ein Vorkaufsrecht für die restlichen 0,2 Prozent – womit man Mehrheitseigentümer werden könnte. Kurz erklärt: In Österreich darf ein Investor derzeit nicht mehr als 49,9 Prozent eines Vereins besitzen. Sollte aber die Liga diesen Passus – und das wird immer wieder thematisiert – einmal fallen lassen, könnte Werners Gruppe im Handumdrehen den gesamten Klub übernehmen.
In der Werner-Gruppe wischt man diese Bedenken beiseite: Man habe einst dabei geholfen, die Austria zu retten und eben gut verhandelt. Selbst Werners Gegner räumen ein, dass 20 Prozent Rendite bei hohem Risiko zum damaligen Zeitpunkt durchaus vertretbar gewesen seien. Nun wären die Anteile an der Austria aber „viel mehr wert“, unkt ein Funktionär. Sollte Werners Gruppierung irgendwann Mehrheitseigentümer werden und den Klub an einen Scheich verscherbeln, hätten sie auf Kosten der Austria „das Geschäft ihres Lebens“ gemacht, so die Befürchtung. „Wir haben die Verantwortung, das im Sinne des Vereins zu verhindern“, betont der Funktionär.
Gegenüber der WZ betonen beide Seiten, nur das Wohl der Austria im Sinn zu haben. „Ich würde gerne beweisen, dass ich mich auskenne und mit Austria erfolgreich sein kann“, sagt Werner. Und Präsident Gollowitzer erklärt: „Unser Ziel ist es, die Austria komplett zu sanieren und für die Kinder unserer Kinder zu erhalten“.
„Alles wartet darauf, wer zuerst schießt“
Kommenden Donnerstag findet eine Vereins-Versammlung der Austria statt. Dort, das belegen WZ-Informationen, will Präsident Gollowitzer den Mitgliedern reinen Wein einschenken und sich ein Mandat dafür holen, die Anteile der Werner-Gruppe zurückzukaufen. „Wir wollen wieder mehr Eigenständigkeit“, sagt ein Funktionär. Zwischen sieben und acht Millionen Euro wären dafür nötig. Es werde bereits nach externen Geldgebern gesucht, heißt es im Klub. Andererseits soll auch Werner nach neuen Investoren suchen, die ihm dabei helfen, die Anteile seiner Kontrahenten aufzukaufen (was er ab Jänner 2025 dürfte und weshalb seine Gegner nun verstärkt Druck machen). Werner bestreitet das auf WZ-Anfrage: „Alles Blödsinn! Ich sehe das alles entspannt. Es gibt für den Verein Möglichkeiten, uns rauszukaufen. Aber lasst uns einmal die Saison spielen, dann kann man entscheiden.“
Momentan sieht es danach aus, dass der Klub schuldenfrei werden könnte – aber nicht frei von Problemen. Ein Insider beschreibt die Situation so: „Beide Gruppen sitzen da, mit der Pistole in der Hand – und alles wartet darauf, wer zuerst schießt.“
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Infos und Quellen
Genese
Die Wiener Austria, Stammverein von Jahrhundertfußballer Herbert Prohaska, kämpft seit Jahren gegen die Pleite. Nun könnte die Rettung tatsächlich gelingen – doch die Probleme werden deshalb nicht weniger. Ein harter Machtkampf zieht gerade tiefe Gräben durch den Verein. WZ-Autor Gerald Gossmann hat mit Entscheidungsträgern, Funktionären und Managern gesprochen und zeichnet das Bild eines Dilemmas.
Gesprächspartner
Die WZ hat über mehrere Wochen mit zahlreichen Funktionären, Managern, Investoren und Insidern gesprochen, die mehrheitlich anonym bleiben wollten. Dazu gab es offizielle Nachfragen bei Sport-Vorstand und Investor Jürgen Werner und Präsident Kurt Gollowitzer.
Daten und Fakten
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Die Tradition: Die Wiener Austria ist einer der ältesten, größten und traditionsreichsten Fußballklubs des Landes. Jahrhundertfußballer Herbert Prohaska lief einst für den Verein auf, ebenso wie Andreas Ogris oder Matthias Sindelar.
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Die Schulden: Seit Jahren droht dem Verein die Insolvenz. Im Geschäftsbericht 2022/23 wurden ein negatives Jahresergebnis von knapp sieben Millionen Euro und Verbindlichkeiten in der Höhe von 67 Millionen ausgewiesen. Im neuen Geschäftsbericht will man bald einen sanierten Klub präsentieren.
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Der Sport: Um nachhaltig wirtschaftlich erfolgreich zu sein, muss der Klub im Kerngeschäft erfolgreich sein: dem Fußballspiel. Denn: Wer es in die Champions League schafft, kassiert alleine für das Antreten 18 Millionen Euro. Red Bull Salzburg nahm zuletzt 77 Millionen Euro durch Spielerverkäufe ein – in einer Saison. Bei der Austria herrscht Ebbe in der Kassa: Man schafft es nur selten in den Europacup und generiert nur geringe Transfererlöse. Werner setzt auf einen ähnlichen Stil wie RB Salzburg: einen angriffiger Pressing-Fußball. Innerhalb der Austria haben Werners Gegner bereits andere Ideen: Sie wollen das alte Austria-Spiel, einen gepflegten Ballbesitz-Stil zurück. Im Klub wird bereits ein Nachfolger für Sport-Vorstand Werner debattiert: etwa der Ex-Austria-Spieler Michael Wagner, der im Verwaltungsrat sitzt, im Brotberuf Unternehmer ist und zuletzt den Landesligisten TSU Obergänserndorf trainierte.
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Der Verein: Der Verein ist ein kompliziertes Konstrukt. Der Profibetrieb des FK Austria Wien ist in die FK Austria Wien AG ausgelagert – an dieser hält der Verein 50,1 Prozent der Anteile und Investoren 49,9 Prozent. Die Investoren sind dazu in zwei Gruppierungen gesplittet: Vermögende, die der Austria nahestehen – und: die Investorengruppe WTF um den Ex-Spielermanager Jürgen Werner. Im Verein reden knapp 100 Personen mit: Es gibt ein Präsidium, einen Verwaltungsrat, einen Aufsichtsrat und zahlreiche Investoren – die, so erklärt ein Insider, „mördermächtig“ seien. „Schließlich geht es um ihr Geld.“
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Die Führungsriege: Der aktuelle Präsident ist Kurt Gollowitzer, 52, promovierter Jurist, im Brotberuf Chef der Wien-Holding.
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Wirtschafts-Vorstand ist Harald Zagicek, 49, zuletzt Geschäftsführer der Wirtschaftsbetriebe Burgenland.
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Sport-Vorstand ist Jürgen Werner, 62, einst ÖFB-Teamspieler, studierter Betriebswirt und Ex-Spielerberater mit eigener Spielerberatungsagentur.