Helmut Bernkopf: Unser Wirtschaftswachstum wäre davon mit rund 0,25 Prozentpunkten betroffen. Die Exportbilanz war in den letzten Jahren sehr positiv und es ist unser zweitgrößter Markt hinter Deutschland. Gerade im Automotivebereich haben wir sehr viele Investitionen begleitet und beobachtet. Die Beteiligungsfinanzierung für Produktions- und Vertriebsaktivitäten in den USA hat schon unter Trumps erster Amtszeit sehr stark zugenommen. Nicht abschätzbar sind die Folgen für Mexiko und Kanada. Es gibt nur bedingt volkswirtschaftlichen Modelle für solch erratischen Zugänge. Gut ist es aber auf keinen Fall. Wirtschaft braucht Klarheit, Planbarkeit und Rechtssicherheit. Ich habe noch nie so oft zwischen 5 und 6 Uhr in der Früh nachgeschaut, was in der Nacht passiert ist. Es kann sich täglich etwas ändern.
Sind die Unternehmen, die sich seit längerem direkt vor Ort engagieren, im Vorteil?
Absolut. Das wird in großen Volkswirtschaften immer wichtiger, weil man damit von Zöllen und Sanktionen geringer betroffen ist.
Bei Russland hat man sich damit aber verkalkuliert.
Ja, wobei existenzbedrohend ist es nur für die, die ausschließlich auf diesen Markt gesetzt haben. Das ist nie gut. Unsere große Abhängigkeit von Deutschland ist aktuell auch ein Nachteil. Das sagt sich allerdings immer sehr leicht, KMU tun sich halt am leichtesten in der Heimat und am zweitleichtesten beim Nachbarn. Die Osterweiterung war daher sehr wichtig. Hier ist die Frage, ob wir dort schon alles ausgereizt haben, denn diese Volkswirtschaften wachsen doppelt so schnell wie der Westen. Da gibt es noch große Chancen. Aber auch in Lateinamerika oder asiatischen Ländern wie Indien gibt es immenses Potenzial für Unternehmen, die die Möglichkeit haben, in solche Märkte vorzudringen.
Welche Rolle spielt dabei die OeKB?
Wir sehen uns als Stütze der Exportwirtschaft und agieren dabei zunehmend auch proaktiv. So bieten wir beispielsweise ausländischen Banken oder großen Projektentwicklern flexible Finanzierungslinien für Einkäufe von Waren oder Dienstleistungen aus Österreich. Mit diesen „Shopping Lines“ können wir gerade auch KMU den Zugang zu neuen Wachstumsmärkten und großen Projekten erleichtern. Das entwickelt sich sehr positiv.
Bedeutet die zunehmende Vor-Ort-Produktion eine Gefahr für den Standort Österreich?
Ja, die schleichende Absiedelung passiert ja gerade, weil der Standort zu teuer geworden ist. Aber auch wegen der Genehmigungsverfahren, das ist ein Knackpunkt. Die sind teilweise so mühsam, dass man die Produktion lieber woanders macht. Das ist wohl das leichteste, wo man politisch gegensteuern könnte. Das Bekenntnis der neuen Bundesregierung zum Wirtschaftsstandort ist sehr groß. Wie schnell sich das im föderalistischen Österreich umsetzen lässt, wird man in ein bis zwei Jahren an den Taten messen. Die Komplexität hat man in Europa geschaffen und hier verschärft, Stichwort Gold Plating.
Wie steht die heimische Wirtschaft aus Ihrer Sicht da?
Die Energiekosten sind schon vor dem Krieg in der Ukraine gestiegen und infolge die Inflation. Damit sind wir in eine klassische Lohn-Preis-Spirale hineingekippt und darunter hat die Wettbewerbsfähigkeit gelitten. Die Industrie leidet am meisten unter den Umständen, es gibt gewisse Standortnachteile.
Welche Folgen hat das für Österreichs Exportwirtschaft?
Der Wert der Warenexporte ist 2024 im Vergleich zum Vorjahr um rund 5 Prozent zurückgegangen. Es ist Feuer am Dach. Es gibt eine Gefährdung des Standorts und des Wohlstands. Es ist Feuer am Dach. Es gibt eine Gefährdung des Standorts und des Wohlstands. Zum Glück sind andere Bereiche wie der Tourismus oder Dienstleistungen weniger stark betroffen. Aber diese können die rückläufigen Exporte nicht kompensieren. Und es ist schwer, da herauszukommen, weil im Umfeld ähnliches passiert ist.
War das der größte Einbruch, den es bei Exporten abseits vom ersten Pandemiejahr 2020 jemals gegeben hat?
2020 war die Dimension ähnlich, aber nicht so nachhaltig. In den vergangenen 20 bis 30 Jahren sind die Exporte meist doppelt so schnell gewachsen wie das Bruttoinlandsprodukt. Das war der Treiber für Wachstum. Unsere frühere Stärke ist nun zur Schwäche geworden.
Wie geht es weiter?
Die Stimmung bei unseren Kunden ist geprägt von sehr viel Unsicherheit und vielen politischen Ankündigungen, aber wenig Klarheit. Daher gibt es im Inland noch eine Investitionszurückhaltung. Auf Basis von Befragungen gibt es aber eine leichte Tendenz in Richtung mehr Licht als Schatten, es gibt Anzeichen, dass eine gewisse Bodenbildung erreicht ist. Und es ist auch keineswegs alles schlecht, global tätige Unternehmen aus gewissen Branchen tun sich leichter, wie etwa Infrastruktur oder Energietechnologie. Die Aktienkurse spiegeln das wieder. Wir sehen eher eine Verschlechterung der Bonität bei KMU und regional tätigen Unternehmen.
Was bedeutet das große Budgetloch für die Unternehmen?
Die OeKB emittiert jährlich selbst rund 6 Milliarden Euro an Anleihen und ich habe vor einigen Jahren Wochen mit 60 bis 70 Investoren in Asien gesprochen. Jeder Investor hat mich auf das Budget angesprochen. Ein zu großes Defizit und keine gegensteuernden Maßnahmen bringen Druck aufs Rating und verteuern die Kapitalaufnahme. Aber auch wenn es zu einem Defizitverfahren kommt, muss es nicht unmittelbar zu einem Downgrading des Ratings kommen, wenn man das Budget mittelfristig in den Griff bekommt. Man kann und muss hier viele Maßnahmen setzten. Nur auf mehr Wachstum zu hoffen, hat hingegen noch nie funktioniert.
Wie wirkt sich der Angriffskrieg in Russland auf Ihre Geschäfte aus?
Russland war ein wichtiger Markt im Export und in unserem Geschäft, das ist sofort zum Stillstand gekommen. In der Ukraine bieten wir seit Herbst 2022 wieder Deckungen für kleinere Liefergeschäfte, damit bestehende Lieferbeziehungen wie zum Beispiel bei landwirtschaftlichen Produkten nicht gefährdet sind. Seit knapp einem Jahr wird dort eine Fazilität von rund 500 Millionen Euro aufgebaut, die für den öffentlichen Sektor bestimmt ist.
Und bei einem Waffenstillstand?
Dann ändert sich die Voraussetzung. Und ich bin überzeugt, dass es dann sowohl von europäischer als auch österreichischer Seite Haftungszusagen geben wird. Ich glaube, dass wir aufgrund unserer guten Beziehung und geografischen Nähe Chancen bekommen, uns zu engagieren.
Und Russland?
Das hängt dann von den Bedingungen des Waffenstillstands ab. Über kurz oder lang wird man dann wieder über Liefergeschäfte und Absicherungen sprechen. Wir haben da unterschiedliche Erfahrungen aus der Geschichte. Manchmal wurde es sehr schnell aktiviert, manchmal hat es 30 Jahre gedauert. Man würde bezüglich Russland eher zweiteres vermuten.
Gibt es irgendwelche Waren, die derzeit versicherbar oder finanzierbar nach Russland geliefert werden können?
Nein, das ist seit 24. Februar 2022 nicht möglich. Russland ist damit eines von rund 20 Ländern, für die wir aktuell keine Deckung anbieten.