Das Foto aus der „Villa Knips“ in der Döblinger Nusswaldgasse, das auf einer Schauwand im Leopold Museum fast bis zur Lebensgröße aufgeblasen wurde, zeigt gewissermaßen das Alpha und Omega der Wiener Moderne.
Da ist das wunderbare Porträt, das die Dame des Hauses, Sonja Knips, 1897 bei Gustav Klimt beauftragte, was den Startschuss für dessen modernen Stil gab (das Bild ist heute im Belvedere zu bewundern). Das Teppichmuster mit den markanten Ranken wurde von Julius Zimpel, einem Neffen Klimts, entworfen.
Erbaut wurde die Villa, in der das Gemälde neben dem Esstisch zu hängen kam, aber erst 1924/’25 – „ein Zeichen einer ausklingenden, Ihnen gewiss lieben Zeit“, wie der Architekt, Josef Hoffmann, in einem Schreiben an die Bauherrin und Industriellengattin formulierte.
Natürlich gab der Ober-Gesamtkunstwerker und Mitbegründer der Wiener Werkstätte den Teppich und die Möbelbezüge auch diesmal bei derselben Firma in Auftrag: dem Unternehmen „Johann Backhausen & Söhne“, das im Heinrichshof gegenüber der Hofoper – die nunmehr Staatsoper heißt – ein Verkaufslokal unterhielt.
Kunst und Gewebe
Die Geschichte des Textilproduzenten ist buchstäblich so eng mit jener der Wiener Moderne verwoben, dass eine Bewahrung des Archivs mit seinen Stoffmustern, Entwürfen und Katalogen einen unbedingten kulturellen Auftrag darstellt. Zuletzt kümmerte sich darum die Unternehmerin und Designerin Louise Kiesling, die den Betrieb 2014 aufgekauft hatte. Doch Kiesling starb 2022, und ihre Söhne sahen keine Perspektiven für die Weiterführung der Firma, die in späteren Jahren Aufträge für die Ausstattung der Suntory-Konzerthalle in Tokio, aber auch die Anfertigung von Sitzbezügen in ÖBB-Zuggarnituren ausgeführt hatte.
Das Museum für Angewandte Kunst (MAK) wäre mit seinen umfassenden Beständen zur Wiener Werkstätte der natürliche Ort für das Archiv gewesen. „Leider haben die Bedingungen, zu denen das Archiv dem MAK als zehnjährige Dauerleihgabe zur Verfügung gestellt worden wäre, nicht ganz den Vorstellungen des MAK entsprochen“, heißt es dort auf Nachfrage. Nun ist der Bestand also – vorerst – im Leopold Museum gelandet: Die Schausammlung zu „Wien 1900“ und die Programmatik würden schließlich den Gesamtkunstwerk-Charakter der Wiener Kunstproduktion hervorstreichen, sagt Direktor Hans Peter Wipplinger, der zur vereinbarten Dauer der Leihgabe keine exakte Angabe macht.
Textile Preziosen
Die Präsentation der Schätze, die bis 9. März 2025 im Untergeschoß des Museums gezeigt werden, ist jedenfalls sehenswert – macht sie doch nicht nur die Entwicklung des Unternehmens, sondern auch den Stellenwert von Textilien in der Wiener Kunstproduktion deutlich.
Neben Stars der Secessionszeit wie Josef Hoffmann, Koloman Moser und Dagobert Peche (dem übrigens das MAK demnächst eine große Schau widmet) lieferten zahlreiche weniger bekannte, teils anonyme Designerinnen und Designer Entwürfe, die in der Ausstellung entlang chronologisch aufgereiht sind.
Die sogenannten „Dessinbücher“, in denen die einzelnen Muster säuberlich nummeriert abgelegt wurden, zeigen allerdings auch, dass die Firma keineswegs nur auf die Avantgarde abonniert war: Neobarocke Muster finden sich da teils Seite an Seite mit Stoffentwürfen, deren Modernität selbst mehr als 100 Jahre später noch verblüfft. Dass auch in so manchen Wohnungen der Epoche ein bunter Stilmix herrschte, demonstrieren einige historische Fotos.
In einzelnen Kojen der Schau werden dann aber jene Projekte detailliert vorgestellt, bei denen wirklich alles „aus einem Guss“ gestaltet war – allen voran das Palais Stoclet in Brüssel, das Opus magnum von Josef Hoffmann und der Wiener Werkstätte. Klimts Entwürfe für das Bild im dortigen Speisezimmer sind übrigens ein Glanzstück der „Wien 1900“-Schausammlung. Im MAK.