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Der Zauberer mit dem Kohlestift

von Max

„Meine Bilder sind in höchstem Maße fragil, weil sie in gewissem Sinne aus verbranntem Staub bestehen. Alle weißen Stellen in den Zeichnungen sind das Weiß des Papiers, und in diesem Sinne ist meine Kunst das Gegenteil von traditioneller Malerei“, sagt der Medienkünstler, Jahrgang 1953.

„Schwarz-Weiß ist für mich die Möglichkeit, die Wahrheit auszudrücken.“

Im Close Up

Longo zählt zur zweiten Generation der Pop Art, die mit Warhol, Hamilton, Lichtenstein u. a. „nur einen Wimpernschlag der Kunstgeschichte in den 60er-Jahren das Feld komplett revolutionierte, dominierte und dann verschwand“, so Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder.

In dieser Nachfolge steht Longo mit Close Ups, mit einer Bigger-Than-Life-Ästhetik und mit der Übersetzung der Fotografie in Schwarz-Weiß-Kohlezeichnungen. Er betrachtet sie als Bilder in der Tradition der Malerei und nutzte zunächst alte Vorbilder der Kunst, um sie zu dekonstruieren oder Jackson Pollocks Farbexplosion „Autumn Rhythm (Number 30)“ in Grautöne zu übersetzen.

Ereignisse wie der 11. September 2001 und der Irak-Krieg 2003 haben Longos Weltsicht ebenso stark beeinflusst wie der Vietnamkrieg und die Bürgerrechtsbewegung in seiner Jugend.

Maximale Bildwirkung

International bekannt wurde er ab 1979 mit der Serie „Men in the Cities“, tanzenden, überlebensgroßen Figuren. Um Macht – in Natur, Politik und Geschichte – zu verbildlichen, dienen ihm auch Fotografien dramatischer Situationen als Vorlagen.

Aus bereits tausendfach publiziertem Material, das oft als Teil unserer Populärkultur in unser kollektives Gedächtnis eingegangen ist, isoliert und reduziert der Zauberer mit dem Kohlestift die Motive mit dem Ziel, die Bildwirkung zu maximieren.

Das „Recycling“ bestehender originaler Schwarz-Weiß-Fotos, das Transformieren in XXX-Large Kohlezeichnungen und die auf Hell-Dunkel-Kontraste stark zugespitzten Licht- und Schatteneffekte in den Zeichnungen lassen alles ebenso real wie zugleich unwirklich erscheinen.

Freud-Zyklus

In der von Elsy Lahner kuratierten Schau gibt es auch ein Wiedersehen mit Longos legendärer Sigmund-Freud-Serie, die Schröder schon 2003 als Teil der Wiedereröffnung der Albertina zeigte.

Longo übertrug dabei Ausschnitte von Fotos, die wenige Tage vor Freuds erzwungener Emigration am 4. Juni 1938 an der Geburtsstätte der Psychoanalyse entstanden, in seine den historischen Moment der Bedrohung thematisierende Bilderwelt, den Longo so kommentierte: „Als ich diese Zeichnungen schuf, versuchte ich, Abwesenheit zu zeichnen.“

Ein ähnlicher Medientransfer vollzieht sich auch in anderen Werken zu allgegenwärtigen Themen wie Umweltkatastrophen, Gewalt, Kitsch und Klischees.

Zeit im Bild

Im Jahr 2014, als die Ferguson-Unruhen in Missouri einen dramatischen Anstieg der Rassenspannungen in den USA signalisierten, entstand die Serie „The Destroyer Cycle“. Durch sie betrachtet der Künstler das Weltgeschehen – vorwiegend durch die Linse der amerikanischen Medien – und schafft dabei Visualisierungen von Macht, Protest, Sinnlosigkeit, Zerstörung und Aggression, die ein erschütterndes Porträt unserer Zeit ergeben.

„Ich denke, dass wir uns eher in Fotografien erinnern“, so Longo, der – im Grunde ein Paradox – höchst aggressive Bilder in einem fragilen Medium herstellt. In seinen arbeitsintensiven Bildkompositionen, die ihn mitunter bis zu einem Jahr beschäftigen, will er die Illusion von Fotografien heraufbeschwören, indem er Papier verwendet, das die Körnung einer Fotografie imitiert und das Gefühl vermittelt, dass es sich fast um ein Foto handelt – gleichzeitig jedoch keines ist.

In den Arbeitstag im Atelier startet Longo gern mit klassischer Musik etwa von Chopin oder Bach, wechselt dann gegen Mittag zu Rock und Rap, um dann gegen Abend irgendwann beim Jazz zu landen. „Tatsächlich“, so Longo, „Musik ist der Treibstoff für meine Arbeit.“

www.albertina.at

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