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Deutschförderklassen bringen wenig

von Max

In Wien können 60 Prozent der Schulanfänger kaum Deutsch. Diese jüngst veröffentlichte Zahl ist alarmierend und lässt einen produktiven Unterricht kaum noch zu. Mit welchen Herausforderungen das Lehrpersonal oft allein gelassen wird, kann man in der Doku „Favoriten“ (derzeit im Kino) sehen. Fanni Marie Freudenthaler hat diesen Film von Ruth Beckermann zwar noch nicht gesehen, aber sie kennt die Probleme – denn sie betreibt in Wien eine Organisation, die Deutschkurse für Kinder im Alter von 2 bis 10 anbietet.

KURIER: Was sind die Hauptprobleme, mit denen Sie bei Ihrer Arbeit konfrontiert werden?

Fanni Marie Freudenthaler: Es gibt zwei Gruppen von Kindern, die uns beschäftigen. Die erste Gruppe besteht aus Kindern, die erst vor Kurzem nach Österreich gekommen sind und noch kein Deutsch sprechen. Die Eltern dieser Kinder wollen sie beim Deutschlernen unterstützen und schicken sie deshalb – zusätzlich zur Schule oder Kindergarten – zu uns. Diese Kinder begleiten wir von Anfang an beim Erlernen der Sprache. Die zweite Gruppe umfasst Kinder, die in Österreich geboren wurden, schon länger hier leben und oft auch den Kindergarten besucht haben, jedoch mit unzureichenden Deutschkenntnissen in die Volksschule kommen. Diese Kinder können einfache Anweisungen nicht verstehen und keine grundlegenden Konversationen führen. Diese Gruppe wird immer größer, was problematisch ist, da es den Unterricht nahezu unmöglich macht.

Woher kommt dieser Sprachmangel?

Einerseits gibt es immer mehr Kinder, die aus dem Ausland kommen und Unterstützung benötigen. Andererseits Kinder, bei denen ein Elternteil zwar muttersprachlich Deutsch spricht, die aber dennoch Sprachdefizite aufweisen und Unterstützung benötigen. Diese Kinder benötigen oft zusätzliche Förderung – vor allem vor Schuleintritt. Ein Problem ist auch, dass viele Kinder erst im letzten Kindergartenjahr, das verpflichtend ist, zum ersten Mal mit der deutschen Sprache in Berührung kommen. In diesem Jahr wird auch die Sprachstandserhebung durchgeführt, die häufig zeigt, dass die Deutschkenntnisse nicht ausreichen.

Wie kann es sein, dass Kinder, die in Österreich geboren worden sind, trotzdem Probleme mit der deutschen Sprache haben?

Es mangelt an sprachlichen Vorbildern, sowohl innerhalb der Familie als auch im sozialen Umfeld. Im Allgemeinen ist es ratsam, dass Eltern in ihrer Erstsprache bleiben und diese konsequent mit ihren Kindern sprechen. Eine solide Erstsprache ist das Fundament, auf dem andere Sprachen erlernt werden können – schriftlich wie mündlich.

Ist es daher überhaupt ratsam, Kinder zweisprachig zu erziehen?
Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Wenn beide Eltern unterschiedliche Erstsprachen haben, ist das durchaus möglich. Wenn jedoch ein Elternteil eine Zweitsprache nicht gut beherrscht, sollte man sich auf die Erstsprache konzentrieren. Zweisprachigkeit erfordert mehr als nur den Wunsch, das Kind in zwei Sprachen zu erziehen. Ein großes Problem entsteht, wenn Eltern glauben, ihre Kinder könnten durch fremdsprachige Cartoons oder Videos eine Fremdsprache lernen. Sprachen werden durch Interaktion und emotionale Bindung erworben, nicht durch passiven Medienkonsum. Deshalb sollten Eltern ihre eigene Erstsprache korrekt weitergeben.

Würde ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr die Situation verbessern?

Ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr könnte helfen, da die Kinder dadurch früher mit der deutschen Sprache in Kontakt kommen. Es gibt Fälle, in denen Kinder erst mit fünf Jahren zum ersten Mal Deutsch hören – das ist viel zu spät. Allerdings darf man sich davon keine Wunder erwarten. Neben einem zusätzlichen Kindergartenjahr braucht es gezielte Sprachförderung. Dafür sind die Gruppen in den Kindergärten oft zu groß, und es fehlt an Personal und speziell ausgebildeten Sprachförderkräften. Meiner Meinung nach bräuchte es ein einheitliches, überarbeitetes Sprachförderkonzept in den Kindergärten. Spracherwerb gelingt nur, wenn Kinder die Möglichkeit haben, die Sprache aktiv auszuprobieren und im Austausch zu verwenden.

Gibt es Unterschiede zwischen Stadt und Land?

Es handelt sich weniger um ein Stadt-Land-Gefälle als um Unterschiede innerhalb der Städte, beispielsweise in Wien. In manchen Bezirken sind sehr viele Kinder mit nicht deutscher Erstsprache vertreten. Hier wird der Spracherwerb schwieriger, da die Kommunikation unter den Kindern häufig in deren Erstsprache stattfindet, verständlicherweise aus der Sicht der Kinder. Es findet keine systematische Sprachförderung statt, sondern man versucht lediglich, die Kinder auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Das ist sehr herausfordernd, besonders angesichts fehlender finanzieller Mittel und des Personalmangels.

Wie bewerten Sie die Deutschförderklassen?

Die Deutschförderklassen bringen wenig. Oft sind sie zu groß, voll mit verschiedenen Altersgruppen und Sprachkenntnissen. Für das spielerische Lernen fehlen gleichaltrige Kinder mit Deutsch als Erstsprache. Zudem werden die Kinder aus ihrer ursprünglichen Klasse entfernt, was sie von ihren Freunden isoliert. Das vermittelt ihnen das Gefühl, dass mit ihnen etwas nicht stimmt. Diese Trennung kann die Schullaufbahn um bis zu zwei Jahre verzögern. In der Folge sitzen Zwölfjährige mit Neunjährigen in einer Klasse, was äußerst demütigend ist und neue Probleme schafft.

Welche Tipps haben Sie für Eltern, die ihr Kind im Alltag fördern möchten?

Eltern können Sprache spielerisch fördern, zum Beispiel mit Liedern, Reimen, Fingerspielen und Bewegungsspielen, die sie leicht im Internet finden. Alles, was rhythmisch und interaktiv ist, erleichtert das Lernen. Besonders hilfreich sind Wimmelbücher, da sie Kinder zum Erzählen animieren. Auch gereimte Bücher fördern durch ihren Rhythmus den Spracherwerb. Wichtig ist, dass die Geschichten einen Bezug zum Alltag der Kinder haben, da diese so leichter in die Erzählungen eintauchen können.

Fanni und Nanni: Fanni Marie Freudenthaler hat Psychologie und Translationswissenschaft studiert und als Sprachlehrerin gearbeitet. Sie hat sich auf kindliche Sprachentwicklung spezialisiert und betreibt seit fast neun Jahren in Wien (Mariahilfer Straße 72) die Sprachschule „Fanni und Nanni“. Mehr Infos: fanniundnanni.at

 

 

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