„Ich habe das Gefühl, dass Menschen wissen, wer wir sind“, bestätigt De Beer. „Und wofür wir stehen. Aber es ist wichtig, dass man nie das Gefühl hat, fertig zu sein. Wir überlegen viel, wie wir aktiv Menschen erreichen, die noch keinen Zugang zu uns haben.“
Daher geht die Volksoper mit einem neuen Musiktheaterprojekt in zahlreiche Volksschulen, um dort „im Sinne der Chancen- und Bildungsgleichheit“ zwei Jahre lang zu singen und zu tanzen. Am Schluss gibt es Aufführungen für die Familien der Schülerinnen und Schüler.
De Beers fröhliche Offenheit war von Anbeginn ein auszeichnendes Element. Nun aber hat sie neue Kontexte bekommen: Die öffentliche Stimmung hat sich durchaus verändert, in Amerika merkt man, wie schnell Initiativen in Richtung Diversität und Offenheit wieder rückabgewickelt werden können.
Spürt sie mehr Gegenwind, beobachtet sie diese Veränderungen? „Plötzlich merkt man, wie wichtig es ist, offen zu bleiben“, sagt die Direktorin. „Aber Diversität muss in alle Richtungen gehen. Wir versuchen nie, Vorstellungen zu machen, damit ein Teil des Publikums sich ärgert. Wir versuchen Brücken zu bauen zu allen, so verbindend wie möglich zu sein. Aber man muss auch dazu stehen, wofür man steht.“
Ärger aber ist überall ein begleitendes Element des Musiktheaters: Manch einer empfindet Regie, die Anliegen über eine Bebilderung hinaus hat, als Zumutung. „Ein kleiner Teil von Wien besteht aus ziemlich lauten Leuten, die es irgendwie lieben, sich zu ärgern“, sagt De Beer. „Aber man muss nicht immer nur auf die hören. Wenn wir mit dem Publikum reden, sind die Menschen so eloquent, nuanciert in ihrem Urteil – auch wenn es mal negativ ist“, sagt De Beer.
Eine Umarmung
„Wir antworten auf Hassende mit Liebe und Kunst. Dieses Feeling, das ist unsere Identität. Und ich finde jetzt nach drei Jahren hat sich das bewährt“, sagt Musikdirektor Ben Glassberg.
„Und wenn es den Menschen nicht gefällt, dann können sie trotzdem kommen. Und sei es nur für eine Umarmung.“
Die Umstände haben sich auch finanziell ziemlich deutlich geändert: Die Milliardenlücke im Budget scheint immer größer zu werden, man sucht allüberall Sparpotenziale.
Sorgt man sich, dass da die Kultur ins Visier gerät? „Ja, darüber denken wir selbstverständlich nach“, sagt Geschäftsführer Christoph Ladstätter.
„Die politische Frage ist: Wollen wir das, was wir künstlerisch, kulturell in dieser Stadt haben, auf diesem Niveau behalten oder nicht? Wien hat als Kulturstadt weltweit einen einzigartigen Ruf. Im Musiktheater aber ist hier der Olymp. Das ist ein USP für Wien, Oper ist das Alleinstellungsmerkmal in dieser Stadt.“
Personalkosten
Es sei jedoch Aufgabe der Institutionen, Einnahmen zu sichern, weswegen die Ticketpreise (außer die billigste Kategorie) um 7 Prozent erhöht werden. „Wir haben die höchsten Sponsoreneinnahmen, die wir je hatten.“
Und man müsse schauen: „Wo können wir noch effizienter werden? Musiktheater ist die personalintensivste Kunst. Wenn ich bei Personalkosten sparen muss, dann ist der Spielplan in dieser Vielfalt und auf diesem Niveau nicht zu halten. Das ist eine strategische Entscheidung des Eigentümers.“
Die Volksoper könne die kommende Spielzeit mit den vorhandenen Mitteln „wohl überstehen“. Dann aber werde es wegen der Inflation eng.
Die Direktorin hat aber auch wirklich viel vor, oder? Ladstätter: „Eine Direktorin, die kommt und sagt: Ich mach vieles neu, zerstöre nichts, halte das alte Publikum, schaffe Neues, tu wahnsinnig viel für die Jugend, viel für die Entwicklung unseres Nachwuchses, unglaublich viel Vermittlung – also, als Kulturmanager muss ich das wohl mit aller Energie ermöglichen und unterstützen.“