Startseite Politik Die Armen verloren ihren Anwalt

Die Armen verloren ihren Anwalt

von Max

„Brüder und Schwestern, guten Abend.“ Mit diesen schlichten Worten begrüßte der damals frisch gewählte Papst Franziskus am 13. März 2013 die Gläubigen im Vatikan. Es waren diese Einfachheit und Nahbarkeit, die zu den Markenzeichen des Kirchenoberhauptes aus Argentinien werden sollten: Ein schmuckloses Brustkreuz aus Eisen statt aus Edelmetall, nicht die auffälligen roten Papstschuhe, sondern ganz ordinäre orthopädische in schwarz, und als Domizil nicht der Apostolische Palast, sondern das Gästehaus Santa Maria.

Als bescheidener Hirte mit dem großen Herzen für alle Armen und Ausgestoßenen wird Jorge Mario Bergoglio in Erinnerung bleiben. Am 21. April 2025 verließ er diese Welt, er wurde 88 Jahre alt.

Er folgt damit seinem Vorgänger Benedikt XVI., dessen Begräbniszeremonie er Anfang Jänner 2023 noch leitete. Zuletzt war die Amtszeit Franziskus’ vom Krieg in der Ukraine geprägt, immer und immer wieder mahnte der Papst Frieden ein, „Krieg ist Wahnsinn, wie ein Krebs“, formulierte er eindringlich.

Papst Franziskus war ein Mann des Ausgleichs.

Stets war der am 17. 12. 1936 in Buenos Aires Geborene ein Mann des Ausgleichs, der Versöhnung – auch wenn es darum ging, den Dialog zu anderen christlichen Kirchen zu starten. So kam es 2016 auf Kuba zur historischen ersten Begegnung der Oberhäupter der römisch-katholischen Kirche, eben Papst Franziskus, und der russisch-orthodoxen mit Patriarch Kyrill I. an der Spitze. Dass Letzterer dann der Aggression von Kremlchef Putin in der Ukraine religiösen Flankenschutz gewährte, ließ den ersten Lateinamerikaner auf dem Stuhl Petri still leiden.

Innerkirchlich setzte er zwar auf Reformen, doch diese pendelten zwischen Überholmanövern und Bremsvorgängen. So öffnete Franziskus für Homosexuelle zunächst die Kirchentüre etwas, traf 2015 sogar mit rund 50 im Vatikan zusammen – Segnungen von schwulen und lesbischen Paaren lehnte er aber zunächst ab, ehe er knapp vor Weihnachten 2023 dafür doch die Türe öffnete, ein wenig, nicht ganz. Und nach der Amazonas-Synode, deren Teilnehmer sich mehrheitlich für ein Ende des Pflichtzölibats und ein Frauen-Diakonat ausgesprochen hatten, konnte bzw. wollte der Papst nicht mitziehen.

Papst Franziskus bei der Verabschiedung seines Vorgängers, Benedikt XIV.

Progressive Katholiken nervte das.

Sie hatten vom 266. Pontifex mehr erwartet, Konservativen ging der Südamerikaner dagegen viel zu weit – Franziskus blieb in der Mitte: „Als Dialog-Papst hat er den Freiraum innerhalb der katholischen Kirche erweitert und ein Klima geschaffen, sodass Themen breit diskutiert werden konnten“, sagte Regina Polak, assoziierte Professorin für Praktische Theologie und Religionsforschung an der katholisch-theologischen Fakultät an der Universität Wien, einmal zum KURIER. Klare Entscheidungen blieben da fallweise auf der Strecke, auch, um eine Spaltung der Herde zu verhindern, wie Vatikan-Insider Marco Politi meint.

Stecken blieben sowohl eine substanzielle Reform der Kurie und des gesamten Vatikans ebenso wie eine grundlegende Aufarbeitung sexueller Übergriffe durch Kleriker – nach wie vor eine offene Wunde der Kirche, auch wenn Franziskus in der Causa immer wieder klare Worte fand. Bleiben wird von seinem Pontifikat, dass er die Mitbestimmung von Laien und da vor allem von Frauen forcierte. Was in dem synodalen Prozess gipfelte, der 2021 begann.

Papst Franziskus (1936-2025):  Die Armen verloren ihren Anwalt

Als Fußballfan drückte er dem FC San Lorenzo die Daumen.

Bleiben wird vor allem auch der radikale und bedingungslose Einsatz des Jesuiten für die Armen. 

Dieser geht zurück auf seine Frühzeit in den Slums von Buenos Aires. Schon in den 1960er- und in den 1970er-Jahren als Seelsorger sah er das Elend dieser Menschen hautnah. Hilfe ließ er ihnen angedeihen, einen sozial-revolutionären Impetus, wie viele Befreiungstheologen dieser Zeit, hatte er nicht. Mit großem Herz, letztlich aber struktur-konservativ agierte der Argentinier zeitlebens.

Was ihn aber später, 2013, als Pontifex nicht daran hinderte, in seiner Schrift „Evangelii gaudium“ (Die Freude des Evangeliums), eine Art Regierungserklärung, mit dem Kapitalismus scharf ins Gericht zu gehen: „Diese Wirtschaft tötet. Nein zu einer Wirtschaft der Ausschließung. Nein zu einem Geld, das regiert statt zu dienen. Nein zur sozialen Ungleichheit, die Gewalt hervorbringt.“ Zuvor hatte er bereits von der „sozialen Sünde“ gesprochen.

Papst Benedikt forderte eine „arme Kirche für die Armen“

In diesem Sinne forderte der erste Jesuiten-Papst, der letztlich immer viel mehr Pfarrer war als Pontifex mit Pomp, eine „arme Kirche für die Armen“ – und Marginalisierten. Insofern führte ihn seine erste weitere Reise im Juli 2013 auf die Mittelmeerinsel Lampedusa, zu den dort gestrandeten Migranten aus Afrika. Immer wieder setzte er sich für diese ein, aber auch für die Erhaltung der Schöpfung.

Unermüdlich kämpfte er dafür – und gab der Nachwelt gerade in dieser kritischen und kriegerischen Epoche seine innerste Überzeugung als Vermächtnis mit: „Es ist die mühsamste und die faszinierendeste Aufgabe, (…) fest zu stehen, wenn alles zusammenzubrechen scheint, Wächter zu sein und Baumeister inmitten von Trümmern, fähig zu träumen.“

über uns

Wp logo2

Damit wir Ihnen möglichst schnell weiterhelfen können, bitten wir Sie, je nach Anliegen über die hier genannten Wege mit uns in Kontakt zu treten.

Aktuelle Nachrichten

Newsletter

2020-2022 – Wiener Presse. Alle Rechte vorbehalten