Startseite Kultur Die ganze Welt ist Gaga. Wer braucht da noch die gleichnamige Lady?

Die ganze Welt ist Gaga. Wer braucht da noch die gleichnamige Lady?

von Max

Die europäische Autoindustrie („Vebrennermotor forever!“) und Popsängerin Lady Gaga haben, ein wenig überraschend, das gleiche Problem: Ihr Geschäftsmodell ist abgelaufen.

Vor eineinhalb Jahrzehnten, zum Start ihrer Karriere, hob sich angesichts von Lady Gagas extravaganten (und stoffarmen) Kostümen, ihrer Mode- und Gesangssignale an die queere Community und ihrer für Hitparadenverhältnisse originellen Songs so manche Augenbraue. Jetzt aber ist die ganze Welt Gaga. Wer braucht da die gleichnamige Lady?

„Mayhem“, ihr neues Album, ist der erstaunlich unterinspirierte Soundtrack zu dieser Frage: Eine Berufskrise in 14 Songs.

Auf dem Cover sieht Stefani Joanne Angelina Germanotta alias Lady Gaga so aus, wie man sich derzeit halt so fühlt: Fertig. Traurig. Schwarz-weiß. 

Das passt natürlich nur bedingt zur Nische, in der sie groß geworden ist. Diese Nische aber (kurz zusammengefasst: hervorragende Popsängerin, bei deren schrillen Auftritten verlässlich die ungewöhnlichsten Dinge passieren, siehe Fleischkleid) ist derzeit übervoll: Schrillheit und eine offensive Sexyness ist längst zur Poproutine geworden. Selbst bei so stocksteifen Veranstaltungen wie den Brit Awards sorgen Auftritte von Sabrina Carpenter and Charli XCX für mehrere Hunderte Beschwerden bei der TV-Aufsicht. Das Provokationspotenzial auf Basis von Äußerlichkeiten und Hinternwackeln ist ausgeschöpft.

Und ebenso Routine ist die musikalische Fadesse: Als Lady Gaga groß wurde, war die Währung des Popbusiness noch die Aufmerksamkeit. Man tat alles, siehe wieder: Fleischkleid, um aufzufallen. In der derzeitigen Streamingökonomie aber ist das Gegenteil gefragt: Songs, die mit soviel Gehörgangsgleitmittel eingeschmiert sind, dass man sie durchlaufen lässt, ohne in der App auf „weiter“ zu drücken. Der Wille zur Originalität ist mit der Aussicht verschwunden, damit Geld zu verdienen. Macht ja nichts.

Und genau so klingt nun „Mayhem“: Das neue Album ist voll von Songs, die man um zirka 2.35 Uhr in der Großraumdisco auch noch durchsteht. Ihr Ablauf ist streng nach Streamingvorschrift: Nach einer muskulösen Exposition im Viervierteltakt erhebt sich Lady Gagas Stimme möglichst rasch zum hymnenhaften Refrain.

Diese aseptische Überraschungsfreiheit wird noch unterfüttert mit dem musikalischen Zitateschatz, innerhalb dessen sich Lady Gaga bewegt: Man hört, wie überall sonst, die 70er und die 80er und die 90er durch. Das gewinnt seit ungefähr 40 Jahren keinen Originalitätspreis mehr.

Was alles natürlich nicht heißen soll, dass das Album kein Erfolg wird. Es ist das alles von fleißigen Auskennerproduzenten auf Mittwipp- und sicherlich auch Tanztauglichkeit getrimmt, ein hochverarbeiteter Musikhappen nach dem anderen flutscht da reibungslos den Gehörgang runter. Und auch der letzte Hit, „Die With A Smile“ mit Bruno Mars, ist nun Teil von „Mayhem“.

Auf der Plusseite ist, dass Lady Gaga nach mehreren Umwegen („Joker“-Filmflop, Duette mit Tony Bennett) wieder Anschluss an ihre Hauptanliegen sucht: Tanzbarkeit und Gemeinschaft. Dementsprechend kennt man von Lady Gaga auch die Themen der neuen Songs, sie kreisen um Sex, Berühmtheit und „Na na nana naaaaa“. In „Perfect Celebrity“ singt sie davon, dass man es ja schließlich liebe, sie zu hassen. Das Problem ist nur: Derart große Emotionen weckt dieses Album längst nicht mehr.

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