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Die haben ja ganz ,normale‘ Probleme

von Max

Drei Freundinnen machen seit Jahren gemeinsamen Urlaub. Doch diesmal kommt keine richtige Stimmung auf: Elli (Pia Hierzegger) kämpft mit einer Brustkrebserkrankung, Astrid (Ursula Strauss) nervt mit Mülltrennung und Isabella (Diana Amft) leidet an ihrer Beziehung zu einem verheirateten Mann. Doch dann passiert etwas Unvorhergesehenes – und die drei Frauen fahren in ein Luxushotel auf dem Lido von Venedig.

Ein Gespräch mit Pia Hierzegger über ihre erste Regiearbeit „Altweibersommer“ (derzeit im Kino), Frauen um die 50 und ihren 24-Stunden-Marathon „The Second Woman“ bei den Wiener Festwochen.

KURIER: Frau Hierzegger, Sie haben einmal in einem Interview gesagt, dass Sie sich das Regieführen sehr anstrengend vorstellen, weil man sehr viel Entscheidungen treffen muss. War es sehr anstrengend?

Pia Hierzegger: Ich hätte auf mein jüngeres Ich hören sollen (lacht). Es war anstrengend. Tatsächlich muss man sehr viele Entscheidungen treffen, aber dadurch, dass man dauernd rundum beschäftigt ist, ist es auch nicht so schlimm. Gerade beim Dreh habe ich es nicht so schlimm gefunden, weil mich auch mein Team sehr unterstützt hat. Das war wirklich super. Wirklich schwergefallen ist mir der Schnitt, weil ich das nicht gekannt habe und weil es da so viele Möglichkeiten gibt. Da hatte ich die meisten Schwierigkeiten, habe aber auch am meisten gelernt.

Haben Sie Lust bekommen, ab jetzt mehr Regie zu führen?

 Ich warte jetzt einmal die Resonanz auf „Altweibersommer“ ab. Wenn es niemanden interessiert oder ich merke, dass die Leute nichts damit anfangen können, bringt es nichts. Dazu sind zu viel Arbeit und Geld involviert, als dass man sich daraus ein persönliches Hobby macht. Ich hätte keine Lust, dauernd Regie zu führen, aber die Abwechslung zwischen Schreiben, Spielen und Regie führen wäre sicher reizvoll.

Ihr Roadmovie heißt „Altweibersommer“, was eine ironische Anspielung auf das Alter der Frauen ist, die darin die Hauptrolle spielen. Ging es Ihnen um eine Sichtbarmachung von Frauen jenseits der 50?

Es sind mehrere Dinge zusammengekommen. Ich merke, dass die Rollen für Frauen in diesem Alter tendenziell auf Rollen wie „die Mutter von“ oder „die Frau von“ eingeschränkt werden. Sie haben oft keine eigene Geschichte, sondern arbeiten der „Hauptgeschichte“ zu. Das ist eigentlich nicht schlimm, aber wenn man eigene Geschichten erzählen will, die etwas mit dem eigenen Leben zu tun haben, dann muss man selber etwas machen. Dann hat mich auch das Thema sehr interessiert: Ich komme immer mehr darauf, dass mich nach einer Vorführung junge Menschen ansprechen und zu mir sagen: „Diese Frauen haben ja ganz ,normale’ Probleme!“ Und ich denke mir: „Klar, was glaubt ihr denn? Dass Frauen in meinem Alter die ganze Zeit nur über körperliche Gebrechen und Medikamente sprechen?“ Natürlich passiert das auch. Aber dass man mit 50 noch Gefühle hat oder mit dem Leben ringt und sich auch noch verändern kann, das ist das, was mich am meisten interessiert hat.

Debüt als Regisseurin von „Altweibersommer“: Pia Hierzegger

Das Alter 50 kommt auch mit bestimmten Einschränkungen einher – beispielsweise ist dann die Familiengründung abgeschlossen. War das auch eine Überlegung?

Am Anfang war das noch nicht so sehr eine Überlegung, weil ich zu Beginn des Schreibens Mitte 40 war. Aber dass beispielsweise die meisten Frauen in dem Alter keine Kinder mehr bekommen, dass also bestimmte Züge abgefahren sind und ein neuer Abschnitt beginnt, ist immer mehr Thema geworden. Am meisten hat mich aber die Konstellation zwischen den drei Freundinnen interessiert: Sie fahren seit Jahren traditionell miteinander weg und lügen sich vor, dass sich nichts verändert hat – und dabei hat sich ganz viel verändert. Was da passiert, wenn diese Tradition einmal bricht, hat mich als Ausgangspunkt eigentlich am meisten bewegt. Alle anderen Sachen sind dann dazugekommen.

Ursula Strauss spielt Astrid, eine umweltbewusste, mülltrennende Frau, die keinen Alkohol aus der Dose trinkt, weil sie aus Aluminium ist. Kurz gesagt: Astrid ist ein bisschen die Spaßbremse in der Runde. Warum bieten Menschen, die alles richtig machen, immer das größte Humorpotenzial?

 Ich glaube deswegen, weil man sich selbst so gut darin erkennt; und weil es so lächerlich ist und trotzdem gut. Es funktioniert auch deswegen, weil Uschi sich so darauf einlässt. Sie lässt sich darauf ein, dass sie die Nervensäge ist – und das macht es lustig. Auch dass sie allen immer alles mitteilt und erwartet, dass die anderen mitmachen. Etwa, wenn sie statt „Klimawandel“ „Klimakatastrophe“ sagt oder statt auf den Kirtag zu gehen, lieber im Wohnmobil hockt, Suppe kocht und wünscht, dass die anderen auch zu Hause bleiben.

Was mögen Sie am Roadmovie?

 Ich glaube, es ist dieses in Bewegung sein und eine Fahrt ins Ungewisse machen. Beim Schreiben hat es mir sehr viel Spaß gemacht, weil es leicht ist, über neue Schauplätze etwas Neues zu erzählen. Ich bin weit davon entfernt, wieder ein neues Drehbuch zu schreiben, weil gerade so viel los ist, aber: Es würde mich interessieren, etwas räumlich viel Kleineres zu schreiben – eine Geschichte, die mit nur wenig auskommt. Das fände ich total spannend.

Pia Hierzegger über "Altweibersommer": "Die haben ja ganz ,normale' Probleme"

Aufbruch in den Süden an den Lido von Venedig: Ursula Strauss (re.) und Diana Amft (li.) in „Altweibersommer“

Die Figur Elli, die Sie spielen, leidet an Brustkrebs. Warum wollten Sie der Geschichte einen tragischen Unterton geben?

Weil ich immer das Gefühl habe, dass es um etwas gehen muss. Am Anfang war die Krankheit meiner Figur gar nicht Teil des Drehbuchs. Doch als sie dann dazu kam, hatte ich den Eindruck, dass Spannung in die Geschichte hineinkommt. Die Vorsicht, wie man mit dieser Frau umgehen soll – all diese Umstände waren wie das Salz, das die Geschichte verändert hat. Jeder Satz bekommt eine andere Spannung, wenn er angesichts des Todes gesagt wird. Mir war aber trotzdem wichtig, dass die Krankheit nicht das Hauptthema ist, sondern nur eine Facette des Films.

Sie haben in „Ivo“ eine sterbende Frau gespielt, jetzt leidet Ihre Figur an Krebs. Wird man durch so eine Rolle verändert?

 Bei „Ivo“ hat diese Rolle etwas mit mir gemacht. Ich habe sehr viel über die Krankheit gelesen, die aufhört, Signale an die Muskel zu senden (ALS – Amyotrophe Lateralsklerose, Anm.) und deswegen zu einer Lähmung führt. Das war schon sehr arg für mich. Es gab dann auch eine Szene, wo echte Bestatter in Köln gespielt haben, dass sie mich abholen und in einen Leichensack stecken und zumachen – das war schon sehr anstrengend und hat nicht dazu beigetragen, dass ich am Abend sehr fröhlich war. Aber was Elli betrifft: Da war ich durch die lange Vorbereitung gewappnet. Und der Ausnahmezustand des Regieführens hat dafür gesorgt, dass ich über die Krankheit nicht so viel nachgedacht habe – eher im Vorfeld und dann im Nachhinein. In diesem Alter um die 50 passiert es auch immer öfter, dass Menschen im Umfeld krank werden.

Pia Hierzegger
Geboren 1972 in Graz, begann Pia Hierzegger ihre Schauspielkarriere 1993 als Mitglied des renommierten Grazer Off-Theaters Theater im Bahnhof

Filme
Ihr Leinwanddebüt gab sie 2004 in Michael Glawoggers „Nacktschnecken“, mit ihm  folgten „Slumming“ (2006) und „Contact High“ (2009). Weiters: „Wilde Maus“ (2015) von  Josef Hader, Eva Spreitzhofers „Womit haben wir das verdient?“ (2016), „Wie kommen wir da wieder raus?“ (2023) sowie Marie Kreutzers   „Der Boden unter den Füßen“ (2019). Sie arbeitet auch als Regisseurin, Drehbuchautorin und Moderatorin

Theater 
Im Rahmen der Wiener Festwochen tritt sie in „The Second Woman“  der  australischen Regisseurinnen Nat Randall und Anna Breckon auf. In dem 24-Stunden-Marathon spielt sie  dieselbe Szene mit 100 verschiedenen, ihr unbekannten Partnern durch

Sie führen mit Ihrer Filmtochter, die versehentlich schwanger wird, ein sehr ernsthaftes Gespräch über die Möglichkeit einer Abtreibung. Was war Ihnen bei dieser Szene wichtig?

Ich möchte mir nicht von außen sagen lassen, dass ein erfülltes Leben nur dann möglich ist, wenn man Kinder hat. Es wird aber gerade von konservativer Seite gerne unterstellt, dass eine Frau ihre Erfüllung nur in der Mutterrolle findet. Ich finde, das sollte jede Frau selbst entscheiden können. Abtreibung ist eine Möglichkeit und die muss jede Frau haben dürfen. Deswegen war mir diese Szene wichtig. Und auch weil ich bei den Töchtern meiner Freundinnen sehe, dass es beide Entscheidungen gibt und manche viel lockerer damit umgehen: Manche bekommen Kinder in einem Alter, wo ich selbst noch nicht einmal das Wort Kind aussprechen wollte. Andere wiederum sehen, was es für eine Belastung bedeutet, vor allem auch, wenn man noch etwas anderes machen möchte. Ich finde, die Möglichkeit der Entscheidung sollte im Kopf bleiben und nicht verdammt werden. Das war mir wichtig.

Die drei Freundinnen fahren gemeinsam an den Lido nach Venedig. War das von Anfang an so geplant?

Nein. Ursprünglich wollte ich die Geschichte in Rimini spielen lassen. Es gibt von Fellini den Film „Amarcord“, den ich als Jugendliche sehr mochte und in dem ein altes Hotel vorkommt. Ich dachte, es wäre super, den Film in der Altstadt von Rimini, in dem alten Hotel und an dem heruntergekommenen Strand spielen zu lassen. Ich hatte mir schon alles zurechtgelegt. Doch dann habe ich erfahren, dass Ulrich Seidl in Rimini dreht. Ich wusste, er würde großes Kino dort machen und wollte dazu nicht in Konkurrenz treten. Ich war vorher nie wirklich am Lido, bin dann dorthin gefahren und habe mir gedacht: Das ist doch genauso gut.

Pia Hierzegger über "Altweibersommer": "Die haben ja ganz ,normale' Probleme"

Freundschaft auf dem Prüfstand: Pia HIerzegger, Ursula Strauss und Diana Amft (von links)

Sie nehmen im Zuge der Wiener Festwochen an einer spannenden Theaterproduktion unter dem Titel „The Second Woman“ teil, inszeniert von den beiden australischen Regisseurinnen Nat Randall und Anna Breckon. Wie kam es dazu? 

Es kam eine Anfrage von den Wiener Festwochen. Ich habe keine Ahnung, warum gerade ich (lacht). Vielleicht weil sie wussten, dass ich im Performance Bereich und im Off-Theater arbeite. Ich fand die Konstellation total spannend und habe auch großen Respekt davor.

In „The Second Woman“ geht es um 100 Leben in 24 Stunden: Sie spielen eine Frau, die mit 100 verschiedenen Männern nacheinander ein und dieselbe emotionale Beziehungsszene durchspielt?

Ja, aber allzu viel will ich nicht verraten. Es gibt eine Szene, zu der ich schon einen Text habe. Mein Text bleibt gleich, aber meine Gegenüber – 100 Männer, die ich vorher nicht kennenlerne – haben einen etwas variablen Text. Es ist eine Szene, die in meiner Wohnung stattfindet. Sie ist so aufgebaut, dass jemand mich besucht und dann mit mir zehn Minuten verhandelt. Danach muss diese Person wieder gehen. Dann kommt eine andere Person und spielt die Szene noch einmal mit mir durch. Dann die nächste und so weiter. Es ist wie ein 24-Stunden-Casting. Ich bin immer dieselbe Frau.

Haben Sie geprobt?

Es wird einen Probedurchlauf mit 30 Leuten geben, die nur zu den Proben kommen. Bei der aktuellen Aufführung werden es andere Leute sein. Das Publikum sieht live dabei zu, wie ich eine Szene mit einer Person durchspiele, die ich vorher noch nie gesehen habe.

Die Performance ist für 24 Stunden angekündigt. Wie machen Sie das? Das weiß ich noch nicht. Alle zwei Stunden habe ich eine kurze Pause zum Essen, Duschen, Schlafen oder was immer ich dann machen werde. Und dann geht es weiter. Natürlich bin ich in Sorge, dass ich total müde werde. Aber eigentlich müssen die Regisseurinnen auch damit rechnen, dass jemand mittendrin einschläft. Das ist dann halt so. Dann schlafe ich halt und sie müssen mich aufwecken. Das Publikum darf je nach Belieben raus- und reingehen.

Was ist die Idee dieser Inszenierung? Die Entstehung von etwas Unvorhersehbarem?

Genau. Die Szene ändert sich jedes Mal. Dadurch, dass immer eine andere Person die Szene spielt, verändert sie sich. Obwohl es eigentlich hundert Mal die gleiche Szene ist, wird sie jedes Mal vollkommen anders ablaufen. Das ist sehr spannend.

Und Ihre Spielpartner sind alles Laiendarsteller?

 Ja. Im Aufruf steht drin, dass keine Schauspielerfahrung notwendig ist. Aber wer weiß, vielleicht kommen auch Leute, die schon ewig mit mir spielen wollten – George Clooney zum Beispiel (lacht). Nein, ich weiß es nicht. Ich glaube, dass eher Laien gecastet werden, aber vielleicht gibt es auch ein paar Überraschungen. Zehn Spielpartner darf ich mir im Vorhinein aussuchen – für mich zum Ausruhen.

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