Startseite Politik Die Kettensäge wirkt und schmerzt

Die Kettensäge wirkt und schmerzt

von Max

Die argentinische Zentralbank wollte so die Flucht in den Dollar verhindern, die das Land jahrelang erlebt hatte, sowie eine zeitgleiche Entwertung des Peso. Doch für die Wirtschaft hieß das: Einschränkungen bei Importen, Investitionen, Kapitalflüssen.

Dass der viel gescholtene Kettensägen-Präsident den „Cepo“ nun abschaffen ließ, „ist schon ein wirklich bedeutender Durchbruch in der Wirtschafts- und Währungspolitik der Regierung Milei“, sagt Carl Moses im Gespräch mit dem KURIER. Der Wirtschaftsberater lebt seit Jahren in Buenos Aires und beobachtet die Entwicklung des südamerikanischen Landes aus nächster Nähe.

Allerdings, schränkt er ein, hat Milei das nicht ohne Unterstützung geschafft: Möglich sei der Schritt nur durch ein – in dieser Form ebenfalls überraschendes – Abkommen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Dieses sieht „nicht nur sehr hohe, sondern vor allem sehr frühzeitige Auszahlungen vor – allein 2025 sollen rund 15 Milliarden US-Dollar an Argentinien fließen, drei Viertel der Gesamtzusagen“, sagt Moses.

Positive Signale an Wirtschaft und Märkte

Hat Milei also geliefert, was er versprochen hat? Der Deal berge Chancen und Risiken, findet Moses: Die Reform sende ein positives Signal an internationale Märkte, die ja auch entsprechend zuversichtlich reagiert hätten.

Wenn die Regierung sich spätestens nach den Parlamentswahlen im Oktober an die Umsetzung von besonders wichtigen und tiefgreifenden Reformen bei Pensionen, Steuern, Arbeit und beim föderalen Finanzausgleich mache, könne das den Weg zu einem wirklich nachhaltigen Aufschwung ebnen.

Es gibt allerdings auch ein Aber. Mileis Verhalten deute darauf hin, dass er sich durch den vom IWF und Washington gesponserten Erfolg nur ermuntert fühlt, seinen aggressiven Kurs fortzusetzen – „gegen Freund und Feind“, sagt Moses. So könnte er jene im Parlament vergraulen, die er für seine Reformen aber braucht – und „der positive Effekt könnte bald wieder versanden“.

Sogar die Armutsrate fällt

Bisher sprechen die ökonomischen Kennziffern für den Reformkurs Mileis. Nach Ende des ersten Amtsjahres fiel die Armutsrate mit nun 38 Prozent sogar unter den Wert, den sie unter den lange regierenden, linksgerichteten Peronisten hatte.

Die monatliche Inflation wurde von rund 25 Prozent auf zuletzt rund drei Prozent gesenkt, der Staatshaushalt schreibt erstmals seit Jahren wieder schwarze Zahlen und Argentinien ist auf dem Weg vom Energieimporteur zum -exporteur. Das entlastet den Staatshaushalt um Milliarden.

Und im zuletzt aufgeblähten Staatsapparat wurden Tausende Arbeitsverträge nicht verlängert oder gekündigt, Ministerien geschlossen, Bürokratie abgebaut. Der Abbau von Subventionen und die Stärkung des bis dato nahezu wertlosen argentinischen Peso führten aber auch dazu, dass das Leben spürbar teurer wird.

Die, die das ausbaden müssen, versammeln sich stets mittwochs vor dem Kongress. Es sind Pensionisten, die gegen die Sparpolitik der Milei-Regierung demonstrieren und eine spürbare Entlastung einfordern.

„Milei hat im Wahlkampf versprochen, dass er nur die für die Wirtschaftskrise verantwortlichen Kreise bluten lassen wird. Nun aber zahlen wir die Zeche“, sagt Ricardo (67), der „ein Leben lang gearbeitet hat“, wie er selbst sagt und nun die Preissteigerungen an allen Ecken und Enden zu spüren bekommt.

Die Mittelschicht leidet – die Pensionisten sowieso

Tatsächlich ist es nicht die „Kaste“, wie Milei die bis dato Mächtigen bei seinem kometenhaften Aufstieg samt symbolischer Kettensäge nannte, die den Preis für die Reformen bezahlt. Zu spüren bekommt seine Einschnitte die Mittelschicht. Trotz ermutigender ökonomischer Kennziffern sinkt deshalb seine bislang hohe Zustimmungsrate.

Hinzu kommen handwerkliche Fehler: Innerhalb der sehr schnell, sehr groß gewordenen libertären Bewegung gibt es bisweilen peinliche Machtkämpfe auf offener Bühne, zudem ist das Verhältnis zwischen Vizepräsidentin Victoria Villaruel und Milei angespannt.

Und dann gibt es da noch den Fall der Kryptowährung „§Libra“, die Milei per Kurznachrichtendienst X erst lobte und dann wieder beerdigte. Das Auf und Ab machte die „§Libra“-Promoter sehr reich, die Anleger aber verloren ihre Investitionen. 

Seinem Ruf als Ökonom, der die Komplexität der Wirtschaft versteht und erklären kann, hat der Skandal ziemlich geschadet. Nun folgt auch noch ein unangenehmer Untersuchungsausschuss.

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