IS-Lager
Zuvor hatten die SDF mit Unterstützung Washingtons gegen den IS gekämpft, Hunderte Terroristen und deren Familien gefasst und eingesperrt. Ohne die kurdischen Kämpfer hätte es in Ostsyrien niemanden gegeben, der sich dem IS am Boden entgegengestellt hätte.
Aus dem gewonnenen Gebiet errichteten sie eine einigermaßen stabile Verwaltung, die säkularen und demokratischen Mustern folgen soll – „Rojava“ genannt. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht die SDF jedoch als deckungsgleich mit der in der Türkei agierenden Arbeiterpartei PKK an – und bezeichnet sie als Terroristen.
Weitere türkische Operationen gegen die Kurden sollten nach 2019 folgen – stets mit Billigung der USA.
Dass die Kurden im Zweifel von Washington im Stich gelassen werden, hat seit den 60er-Jahren im Irak beinahe schon Tradition.
Und auch dieses Mal sieht es ganz danach aus als wiederholte sich die Geschichte: Denn einige Jahre und einen Regimewechsel später sieht die Lage für die syrischen Kurden, die im Norden und Nordosten Syriens ein großes Gebiet kontrollieren, düster aus.
Verworrene Beziehung
Die Regierung des ehemaligen Terror-Führers Ahmed al-Sharaa ist in großem Stil von der Türkei abhängig, Ankara prüft bereits die Möglichkeit, eigene Militärstützpunkte im Herzen Syriens zu errichten – und es wird erwartet, dass die Türkei eine große Rolle in der Neuaufstellung der syrischen Streitkräfte spielen wird.
Dort sollen – zumindest laut einem kürzlich geschlossenen Abkommen zwischen den SDF und Damaskus – auch SDF-Truppen vertreten sein. Eine Integration der SDF in die neue syrische Regierung könnte potenziell zu einer Stabilisierung der Lage in Nordostsyrien beitragen, ergäbe aus sicherheitspolitischer Sicht viel Sinn. Wäre da nicht die Realpolitik. Es ist alles andere als sicher, ob die Türkei da mitspielen wird.
Dazu kommt, dass einige Querverbindungen zwischen IS-Angehörigen im Gefängnis und Angehörigen der herrschenden Kraft in Syrien, „Hayat Tahrir al-Sham (HTS)“, bestehen. Es ist fraglich, was mit jenen Insassen passiert, übernähme die HTS die kurdischen Gefängnisse. Und noch ein Stolperstein besteht für das Abkommen zwischen den Kurden und der Regierung: Es war erst unter Druck der USA zustande gekommen.
Und zumindest in Syrien will sich die Türkei von den USA nicht viel dreinreden lassen. Eine US-Vermittlung zwischen der Türkei und Israel – beide Staaten könnten in Syrien auf eine Konfrontation zusteuern – lehnte Ankara kürzlich ab.
50.000 Kämpfer
Das dürfte auf diplomatischer Ebene ohne große Folgen bleiben, denn Donald Trump hat wenig Interesse an einem weiteren Engagement in Syrien. Vergangene Woche ließ er mitteilen, dass ein großer Teil der 2.000 im Land stationierten US-Soldaten binnen zwei Monaten abgezogen werde.
Der Schritt war lange angekündigt und ist keine große Überraschung für die SDF, die mit etwa 50.000 Kämpferinnen und Kämpfern eine der schlagkräftigsten Truppen in Syrien stellen. Doch vor allem der Artillerie und der Luftwaffe der türkischen Streitkräfte haben sie wenig entgegenzusetzen.
Die Türkei zählt seit dem Sturz des Langzeitmachthabers Bashar al-Assad zu den großen Gewinnern in der Region – und will das Vakuum, das vor allem der Iran, aber auch Russland hinterlassen haben, möglichst vollständig ausfüllen.
In diese Vakuum versucht auch der IS, der nach wie vor existiert, wieder vorzudringen. Angesichts dieser Bedrohung argumentiert die Türkei, dass Damaskus die Terrormiliz mit türkischer Unterstützung in Schach halten könne, wodurch die Notwendigkeit bewaffneter kurdischer Kräfte entfiele.
Es ist jedoch auch durchaus möglich, dass die Türkei das Thema SDF in mittlerer Zukunft außen vorlässt. Denn derzeit ist mit Israel, das vehement gegen eine zu starke türkische Präsenz in Syrien ist, der Hauptfeind im Kampf um die neue Ordnung in Nahost.