Bombenalarm
Das begann schon bei der Wahl des Tonstudios. „Sie wurden nicht geschlossen, weil viele im Keller liegen und daher bei einem Bombenalarm sichere Orte sind. Einige Monate lang hörten wir viele Male am Tag Sirenen, mussten Schutzräume aufsuchen. Und das kommt auch jetzt wieder vor. Ich hätte mir nie gedacht, dass ich das je erleben werde.“
Kaum vom Krieg beeinflusst sind die Themen der Songs. Denn Erez und ihr Partner und Produzent Ori Rousso hatten einen Großteil von „The Vandalist“ schon vor Kriegsausbruch fertig geschrieben – darunter „Come Back Home“, eine im März veröffentlichte Single. Eigentlich handelt dieses Lied von der Liebe der beiden und der Krise, die sie in der Beziehung durchgemacht hatten. Im Kontext des Krieges aber wurde er in Israel als Lied für die von der Hamas seit fast einem Jahr festgehaltenen Geiseln gedeutet. Erez stört das nicht, das sei eben die Kraft der Musik. Und das Ziel des Paares, sich beim vierten Album vom Streben nach Ernsthaftigkeit zu befreien und von allen Zwängen losgelöst „witzig, verrückt und albern“ zu sein, ist mit „The Vandalist“ hervorragend abgedeckt. Die Texte hat Erez nämlich mit Wortspielen und deftiger Sprache vollgepackt.
Gewalttätige Worte
„PC People“ ist ein Song, der sich humorvoll-kritisch mit politischer Korrektheit auseinandersetzt, der Frage nachgeht, wann sie zu viel und einschränkend wird. „Der Sinn von politisch korrekter Sprache ist, die Gewalt in der Kommunikation zu verhindern“, erklärt die 34-Jährige. „Aber in der Cancel Culture werden genauso viele oder mehr gewalttätige Worte jenen Leuten entgegengeschleudert, die zufällig ein Wort falsch gebraucht haben. Ori und ich sind die liberalsten, progressivsten Leute – bemüht, wachsam gegenüber jeder Art von Ungerechtigkeit, Ungleichheit und Unterdrückung zu sein. Jeder weiß das. Deshalb dachten wir, es ist lustig, wenn so etwas von uns kommt.“
Den Titelsong „The Vandalist“ hat Erez allen Leuten gewidmet, die sie falsch zitierten, als sie 2021 in einem Interview über die komplexen Probleme in ihrer Heimat und in ihren Nachbarländern sprach, was einen Shitstorm ausgelöst hat. „Die Leute machten sich dadurch ein Bild von mir, das sehr einseitig war, nur weil es einfacher für sie war. Und ich verstehe das auch: Je gestresster ich bin, desto weniger kann ich komplexes Denken brauchen. Ganz besonders, wenn so viel passiert, wie gerade jetzt in Israel, will ich, dass man mir sagt, die Dinge sind entweder so oder so. Denn alles dazwischen ist zu verwirrend, um damit fertig zu werden. Aber es war schon frustrierend, entweder extrem so oder extrem anders dargestellt zu werden.“
Detailliert will sie darauf nicht eingehen, weil sie nicht „den falschen Leuten ein Forum“ geben will. Aber es ist klar, dass sie als Aktivistin, die jetzt in Krankenhäusern und bei Demos gegen Premierminister Netanjahu auftritt, im ständigen Zwiespalt zwischen der Loyalität und dem Mitgefühl gegenüber dem Leiden in ihrer Heimat und der Empathie gegenüber den zivilen Opfern im Gazastreifen steht. Man spürt es deutlich, wenn sie resigniert und seufzend auf den Punkt bringt, was ihr in dem komplexen Konflikt am wichtigsten ist: „Ich wünsche mir einfach nur, dass das alles schnell vorbei ist.“