Das heißt, dass im ersten Akt die Tochter ihre Familie mit ihrem Übertritt zum Islam überrascht?
Genau. Es beginnt damit, dass Wanda, die Hauptfigur, ihren Geburtstag feiert. Bei der Gelegenheit eröffnet ihre Tochter, dass sie online zum Islam übergetreten ist. So beginnt es. Die Familie versucht – genau wie auch im Film – auf verschiedene Arten damit umzugehen. Was mir wieder genauso wichtig ist wie im Film: Es geht mir überhaupt nicht um Religionen. Es geht mir um die feministische Debatte darum, was das Kopftuch bedeutet – nämlich die Verhüllung der „sexuellen Reize“ von Mädchen und Frauen. Es bedeutet, dass zwischen „ehrbaren“ und “nicht ehrbaren“ Frauen unterschieden wird. Wenn wir das als Gesellschaft ablehnen, müssen wir uns dazu verhalten – egal, ob wir religiös sind oder nicht.
Haben Sie in Hinblick auf Religion nicht Sorge, persönliche Gefühle von Menschen zu verletzen?
Mir ist wichtig, das auseinander zu halten: Ich möchte das Kopftuch kritisieren, aber gleichzeitig betonen, dass natürlich innerhalb einer Demokratie alle aufsetzen können, was sie wollen. Als Gesellschaft müssen wir diskutieren, warum Kopftücher getragen werden – wenn es in staatlichen Schulen und auf den Straßen passiert. Mein Credo lautet: Kinder- und Frauenschutzrechte kommen vor Religionsrechten. Mir als Atheistin und Feministin sind Religionen wurscht. Wenn ich als Filmemacherin eine Komödie darüber mache, muss ich mich von rassistischen, islamfeindlichen oder rechten Positionen abgrenzen, um klar zu machen, von welcher Position heraus ich erzähle. In einer Komödie, so wie ich sie verstehe, ist es wichtig, alle Positionen und alle Perspektiven vorkommen zu lassen und sich in keine Richtung zu fürchten. Immer, wenn ich überlege: Kann ich das machen? Dann denke ich an Monty Pythons „Das Leben des Brian“ und sage: Okay, ich mach es. Man kann Komödien nur machen, wenn man wirklich die Finger in die Wunde legt und sich nicht dauernd überlegt: Wer könnte beleidigt sein? Ich bin auch beleidigt, wenn im Kino sexistische Witze gemacht werden. Aber ich halte es aus. Mag sein, dass religiöse Menschen beleidigt sind, wenn ich Witze über Religionen mache, die ihnen nicht angenehm sind. Aber auch sie werden es aushalten.
Woher nehmen Sie den Stoff für Ihre Komödien?
Ich erzähle in meinen Komödien worüber ich mich auskenne: Ich erzähle eine Hauptfigur, die die Mutter von pubertierenden Töchtern ist. Das kenne ich – und das finde ich lustig. Ich erzähle über eine Patchwork-Situation – das kenne ich ebenfalls und finde sie lustig. Ich erzähle über Leute, die sich gegenüber ihrer Umwelt sehr achtsam verhalten und darüber, wie schwierig das manchmal werden kann, wenn die Realität reingrätscht. Gleichzeitig mache ich eine Komödie, die immer eine ganz klare Haltung hat und die zeigt, wo ich stehe. Wenn es also einen Satz gibt wie: „Die radikal Religiösen und die Rechten haben das gleiche Frauenbild“, dann wird klar von welcher Seite aus ich erzähle. Übrigens: Alles das, was ich auf die Bühne stelle, gibt es wirklich. Man kann sich nichts Verrücktes ausdenken, was im Leben nicht noch viel verrückter wäre.
In den Filmen spielen Komödienspezialisten wie Caroline Peters oder Simon Schwarz die Hauptrollen. Wie war es, mit einem Theaterensemble zu proben?
Ich habe bei den Theaterproben, wie auch beim Film, versucht, die Dinge, die sich bei den Proben ergeben, einzubauen. Teilweise habe ich auch Passagen auf das Theater-Ensemble zugeschnitten. Theater und Film ist einfach etwas ganz anderes, gerade das finde ich aber spannend, auch für Menschen, die die Filme schon gesehen haben.
Wer sind auf der Bühne die handelnden Personen?
Die allerwichtigste Person ist Wanda, eine Ärztin, und ihre Tochter Nina, mit der sie ihre pubertären Auseinandersetzungen führt. Dann gibt es noch Wandas dunkelhäutige Adoptivtocher Klara, die eine völlig andere Perspektive mitbringt. Die Erwachsenen haben jeweils neue Partner. Ich finde nämlich, dass man Familie sehr gut über Patchwork erzählen kann. Familien sind immer komplex und man hat mit Leuten zu tun, die man sich nicht alle ausgesucht hat. In der Patchwork-Familie lässt sich das noch besser aufzeigen. Sie alle sind das Abbild einer Gesellschaft der unterschiedlichen Meinungen – das reicht von Themen wie Klimakrise, veganes Essen, Gendern und Transidentitäten. Ich versuche, möglichst alle Perspektiven, auch wenn sie uns fremd sind, sympathisch darzustellen. Damit wir verstehen, wo sie herkommen. Das Problem, dass wir heute haben, ist, dass alle ihre persönliche Meinung als Vollbesitz der Wahrheit erleben und nicht mehr bereit sind, sich mit anderen Standpunkten auseinanderzusetzen.
Welche Figuren und welche politischen Weltanschauungen stehen im Mittelpunkt?
Grundsätzlich handelt es sich um eine atheistische, feministische, liberale Patchwork-Familie. In vielen Dingen vertreten alle gleiche Werte, aber einige scheren aus. Die neue Frau des geschiedenen Ehemanns Harald beispielsweise wollte als Krankenschwester keine Masken mehr tragen und hat eine Reiki-Ausbildung zur Energie-Therapeutin absolviert. Jetzt macht sie Impfausleitungen. Harald selbst ist Anästhesist, Wanda ist Chirurgin, ihr neuer Freund Künstler. Das heißt, es handelt sich um Leute aus ganz unterschiedlichen Spektren der Gesellschaft, die sich aber in einem Familienverband befinden. Sie haben viel gemeinsam, aber es gibt auch komplette Gegensätzlichkeiten. Damit müssen sie umgehen. Das ist auch innerhalb unserer Gesellschaft die große Herausforderung: Mit Widersprüchen umzugehen. Und unsere einzige Chance dafür ist die Demokratie.
Haben alle Familienmitglieder am Tisch Platz oder gibt es Ausnahmen?
Die Familienmitglieder vertreten völlig unterschiedliche Auffassungen und regen sich sehr übereinander auf, aber sie können miteinander feiern – außer der Opa. Der Opa hat eine Demonstration mit Rechtsradikalen organisiert. Ursprünglich war er ein Hippie, aber während der Pandemie hat es ihm den Vogel herausgehaut. Man kann sich mit ihm auseinandersetzen, aber er wird nicht zur gemeinsamen Feier eingeladen. Das halte ich für wichtig. Mit denen, die sich auf dem Boden der Demokratie bewegen, müssen wir lernen, wieder eine neue Streitkultur zu pflegen, Kompromisse zu finden und auszuhalten, dass man unterschiedlicher Meinung ist. Aber es gibt Gruppierungen, mit denen solche Diskussionen nicht mehr möglich sind. Sie wollen eine Gesellschaft aufbauen, in denen Menschen für ihre Ansichten, ihre Religion oder ihre Geschlechteridentität eingesperrt werden. Sollen wir die Gräben innerhalb der Gesellschaft zuschütten? Wanda sagt: Nein. Es ist auch wichtig, einfach zu schauen, wer wo steht. Man kann Gräben überwinden, indem man Brücken baut. Aber es ist schon auch wichtig zu sagen, hier stehe ich, und hier stehen die anderen, und dazwischen ist ein Graben. Warum? Ich kann nicht mit denen diskutieren, die die Demokratie zerstören wollen. Ich kann nur mit denen diskutieren, die vielleicht eine völlig andere Meinung haben, aber die sich trotzdem auf demokratischem Boden bewegen.
Ein Teil des Humors speist sich aus Witzen über Menschen, die ganz besonders achtsam, also ganz besonders „woke“ sein wollen, aber manchmal vielleicht übers Ziel hinausschießen. Ist diese Form von Humor überhaupt noch wünschenswert, jetzt, wo die Trump-Ära der „Anti-Woken“ angebrochen ist?
Das finde ich eine sehr gute Frage. Über meine Komödien wurde oft geschrieben, sie seien „politisch unkorrekt“. Ich muss das immer richtigstellen, denn das sehe ich nicht so. „Politisch unkorrekt“ ist ja nichts Positives. Ich finde, wir alle sollten politische Korrektheit anstreben. Der rechte Kampfbegriff heißt jetzt „Wokeness“, früher war es die abfällige Äußerung über die „Gutmenschen“ und dann über die „politische Korrektheit“. Aber tatsächlich ist politische Unkorrektheit das Problem – das sehen wir jetzt ganz besonders in den USA. Politisch unkorrekt ist Trump. Meine Komödien kommen aber von einer ganz anderen Grundhaltung. Da geht es darum, auch einmal über sich selbst und seine eigenen Bemühungen zu lachen. Die Fülle der komplexen Themen wie Klimakrise, veganes Essen, Gendern und Transidentitäten fordern uns alle stark heraus. Gerade über diese Themen aber brauchen wir Komödien, bei denen wir gemeinsam lachen können. Lachen verbindet – und nachher können wir wieder weiter streiten, aber vielleicht leichter und weniger verbissen.
Welches dieser gesellschaftspolitischen Themen regt Sie persönlich am meisten auf?
Die Wissenschaftsungläubigkeit regt mich am allermeisten auf. Die Kampagne gegen die Corona-Impfung hat mittlerweile dazu geführt, dass Menschen auch anderen Impfungen gegenüber skeptisch sind. Ich habe noch erlebt, wie Leute an Kinderlähmung erkrankt sind und kann es nicht fassen, dass es Politiker gibt, die heute gegen die Kinderlähmungsimpfung agitieren – auch in Österreich.
Warum ist das Gendern so ein permanenter politischer Aufreger?
Weil es um Macht geht und darum, Frauen unsichtbar zu machen – sei es im öffentlichen Raum wie in Afghanistan, sei es in der Sprache wie in Niederösterreich, wo behauptet wir, dass das Gendern verboten wurde. In Wirklichkeit wird ja männlich gegendert. Wenn wirklich Lesbarkeit das Problem wäre, könnten wir ja einfach weibliche Formen für alle verwenden – in „Studentinnen“ z.B. steckt ja „Studenten“ drin. Es birgt auch keinerlei Gefahr. Das kann mich persönlich vielleicht nerven, aber es ist nicht gefährlich. Abtreibungen zu verbieten und Frauen zu zwingen, illegal abzutreiben hingegen ist lebensgefährlich.
Wie würden Sie Ihren Humor beschreiben?
Ich lache sehr gerne über mich und über Sachen, die ich kenne. Ich beobachte sehr gerne Menschen, wenn sie in schwierige Situationen geraten. Wenn man auf Konflikte mit Humor blickt, liefert das eine Außenperspektive, mit der man etwas verarbeiten kann. Ich mache mich nicht über Leute lustig. Ich muss vorab für meine Komödien immer wahnsinnig viel recherchieren. Ich will, dass sie wie ein Disney-Film funktionieren, in dem die Leute über unterschiedliche Dinge lachen können. Leute, die gläubig sind, lachen über etwas anderes als Atheistinnen. Das muss ich gut herausarbeiten, damit ich nicht eine Gruppe verliere. Ich möchte ein ganz großes Zielpublikum haben. Nachher können eh alle weiterstreiten, aber während meiner Komödie sollen sie dabeibleiben und gut bedient werden.
Über welchen Film haben Sie zuletzt gelacht?
Über „Pappa ante Portas“ von Loriot. Das ist genau mein Humor. Loriot arbeitet mit Klischees, die wir alle wiedererkennen. Ich lache niemals über eine Person, ohne dass ich nicht auch Anteile von mir darin sehe. Loriot hat einen unglaublich klugen Humor.
Was sind Ihre zukünftigen Projekte?
Derzeit schreibe ich an einer Film-Fortsetzung von „Wie kommen wir das wieder raus?“ mit Blick auf das rechte, politische Ecke. Dann schreibe ich eine Komödie gemeinsam mit dem Kabarettisten Markus Mittermeier fürs Fernsehen, und weiters einen Land-Krimi. Aber für 2025 habe ich noch kein Regie-Projekt – ich bin also offen für Angebote. (lacht)