Startseite Politik „Die Umgangskultur bereitet mir Sorgen“

„Die Umgangskultur bereitet mir Sorgen“

von Max

Korinna Schumann ist als SPÖ-Sozialministerin in der Regierung auch für die heiklen Bereiche Gesundheit und Pflege zuständig.

KURIER: Frau Schumann, Sie sind als SPÖ-Ministerin Teil der Dreier-Bundesregierung, die vor rund 60 Tagen die Arbeit aufgenommen hat. Wie sehr hat sich in diesen 60 Tagen Ihr Leben verändert?

Korinna Schumann: Wir sind gleich losgestartet, weil es angesichts der budgetären Situation, die wir geerbt haben, einfach notwendig war, gerade in meinem Ressort eine Vielzahl von Gesetzen und Änderungen auf den Weg zu bringen. Aber wir erledigen unsere Aufgabe, weil wir großartige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Haus haben.

War es schwer gewesen, Sie in die Regierung zu holen? Immerhin sind Sie davor in den Spitzengremien der Gewerkschaft etabliert gewesen.

Ich habe mich gefreut, dass mir das Vertrauen geschenkt wurde. Ich habe immer gewusst, dass ich diese Aufgabe nicht allein heben werde. Nur im gemeinschaftlichen Team kann man Dinge in so herausfordernden Zeiten auch umsetzen.

Was ist der große Unterschied zwischen der Arbeit als Gewerkschafterin und jener als Ministerin? Ist es einfach, dass Sie nun mehr in der Öffentlichkeit stehen?

Die Frage, ob man in der Öffentlichkeit steht, ist für mich nicht so wichtig. Es ist vielmehr die Frage, was man macht, was man weiterbringen kann. Als Ministerin wird von mir auf Grundlage des Regierungsprogramms eine Umsetzung gefordert. Gewerkschafterin, das hat man im Herzen drinnen, das bleibt man. Den Respekt vor den Leistungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer habe ich natürlich auch ins Ministeramt mitgenommen.

Respekt, das ist ein gutes Stichwort. In der Spitzenpolitik kommt der meist abhanden, da wird man unter der Gürtellinie attackiert, wie etwas ein FPÖ-Posting gegen Sie gezeigt hat?

Ich kann das einordnen. Da habe ich meine Lebenserfahrung. Die Umgangskultur miteinander bereitet mir dennoch Sorgen. Das kann nicht der richtige Weg sein, weil es gibt sehr viele Menschen, vor allem Frauen, die unter einer solchen Art von Beleidigungen wirklich leiden und sich nicht wehren können. Ich habe es leichter aus meiner Position heraus, aber wir müssen gesellschaftlich daran arbeiten, dass wieder ein anderer Umgangston herrscht. Die Zeiten sind schwierig, da ist es gut, wenn man zusammenhält.

Kommen wir zur aktuellen Politik: Die Gesundheitskasse ÖGK hat Vorschläge gemacht, wo und wie im Gesundheitswesen eingespart werden soll. Wie steht man in Ihrem Ministerium dazu?

Die ÖGK ist im System der Selbstverwaltung, sie trifft ihre eigenen Entscheidungen, weil sie ihre budgetär schwierige Situation lösen muss. Ich glaube, es ist wichtig, dass die Maßnahmen, die gesetzt werden, nicht im Übermaß belasten. Wir müssen jetzt schauen, dass wir das Gesundheitssystem wieder vorwärtsbringen, dass wir aus dem Tal des Defizits herauskommen. Mir ist es wichtig, mit allen Beteiligten, die im Bereich der Gesundheit entscheidend sind, im guten Einvernehmen einen gemeinsamen Weg zu finden. Österreich hat ein großartiges Gesundheitssystem, aber viele Menschen haben das Vertrauen in dieses System verloren. Weil sie sagen, die Wartezeiten sind zu lang, es ist nicht die Versorgung, die ich brauche. Da muss man hinschauen, da muss man auch Maßnahmen setzen.

Zum ausführlichen Interview mit Sozialministerin Korinna Schumann

Da kommt es Ihnen sicherlich zugute, dass Sie als Gewerkschafterin wissen, wie man verhandelt. Gerade bei der Gesundheit sind viele Player – von den Bundesländern bis zur Ärztekammer – mit am Tisch, die alle ihre Position nicht aufgeben wollen.

Alle wissen um die budgetäre Situation. Allen ist klar, dass wir dieses Gesundheitssystem auch gut erhalten und in die Zukunft bringen wollen. Da sind die Kräfte der Vernunft stark genug.

Ein Punkt ist, dass über das System der Zwei-Klassen-Medizin seit Jahrzehnten diskutiert wird, es aber weiterhin Realität ist. Es gibt immer mehr Wahlärzte bzw. Privatordinationen, wo die rasche Versorgung auch davon abhängt, wie bezahlt wird.

Für mich ist es wichtig, dass alle Menschen die Sicherheit haben, dass sie die beste Versorgung erhalten. Dazu muss ich auch wieder das Vertrauen in unser Gesundheitsversorgungs- und Sozialversicherungssystem aufbauen.

Ein Punkt im Gesundheitswesen bzw. in der Pflege ist auch die Frage des Personals. Jetzt wurde für diese Personen die Schwerarbeiterregelung auf den Weg gebracht. Wie wichtig ist dieser Schritt?

Das war eine langjährige Forderung der Beschäftigten und natürlich auch der Gewerkschaft. Mit der Aufnahme in die Schwerarbeit zeigt man den Beschäftigten den Respekt, den sie verdienen, weil sie sowohl körperlich als auch psychisch Großartiges leisten.

Wie schwierig ist es eigentlich, in Zeiten des Sparens ein Ressort wie das Sozialministerium zu führen? Es gibt jetzt kein Geld mehr zum Verteilen.

Einfach ist es nicht. Aber ich komme aus dem Sozialministerium, ich habe 29 Jahre in diesem Ministerium gearbeitet und dort die verschiedensten Zeiten erlebt. Es ist zwar klar, dass wir einsparen müssen, aber trotzdem müssen wir schauen, dass die vulnerablen Gruppen nicht unter die Räder kommen.

Im Wiener Wahlkampf war die Höhe der Mindestsicherung ein Thema, weil die Bundeshauptstadt da mehr auszahlt als die anderen Bundesländer. Sie haben sich als Ziel gesetzt, dass das vereinheitlicht wird. Wie soll das gelingen?

Es ist ein großes und wesentliches Ziel, die Sozialhilfe zu vereinheitlichen, aber auch jene Menschen, die in der Sozialhilfe und arbeitsfähig sind, in Richtung Arbeitsmarktservice AMS zu bringen. Das ist ein ganz wichtiger Schritt, um auch aus dem Auffangnetz Sozialhilfe wieder heraus und hinein in eine Beschäftigung zu kommen. Gleichzeitig kommt dazu noch die Vereinbarung, dass wir eine Kindergrundsicherung einführen werden. Durch Transferleistungen, aber auch durch Sachleistungen.

Die Kindergrundsicherung war immer das große Thema der SPÖ. Ist man sich in der Dreierkoalition einig, dass das kommen soll?

Das ist Teil des Regierungsprogramms und wir sind jetzt am Weg, die ersten Vorarbeiten dafür zu leisten. Gemeinsam mit den Ressorts von Claudia Plakolm und Christoph Wiederkehr.

Aktuell wird auch über eine Pensionsreform diskutiert. Die Neos wollten ja eine Anhebung des Antrittsalters, die SPÖ war strikt dagegen. Die Frage ist, wie lange sich der Staat den Pensionsbrocken noch leisten kann.

Wir haben die Ergebnisse der Pensionssicherungskommission. Wichtig ist, zu sagen, dass unsere Pensionen sicher sind. Wir haben jetzt eine stärkere Ausgabenentwicklung, das geht aber wieder runter. Die staatliche Pension ist jedenfalls eine sichere Pension. Jetzt geht es darum, zu schauen, wie wir Menschen länger in Beschäftigung halten können. Das ist für die Entlastung des staatlichen Systems eine wichtige Frage. Wie können wir Unternehmen motivieren, ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu halten oder auch anzustellen?

Sie haben dazu schon im ORF heftige Diskussionen geführt. Da gab es den Vorwurf, dass es für Unternehmen sehr schwierig und teuer ist, ältere Mitarbeiter zu halten.

Ich glaube, wir müssen da Vorurteile abbauen. Es gibt ein unglaubliches Potenzial an älteren Arbeitskräften, die große Talente haben, die auch noch immer einen großen Schwung mitbringen. Die sagen, ich würde gerne länger arbeiten, aber man gibt mir nicht die Chance dazu.

Eine Frage ist die jährliche Erhöhung der Pensionen. Ist da jemals darüber diskutiert worden, eine Art Nulllohnrunde für Pensionisten zu machen, um den Staatshaushalt zu sanieren?

Es gab eine Debatte, es gab auch einen Plan – aber nicht in den Verhandlungen der Dreierkoalition. Es gab auch die Debatte, dass man keine Erhöhung durchführt, aber das gesetzliche Pensionsantrittsalter auf 67 Jahre anhebt. Dazu sagen wir Nein, das ist nicht unser Weg. Wir schauen darauf, wie wir die Leute tatsächlich länger in Beschäftigung halten können. Davon haben wir alle viel, viel mehr.

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