Mächtige Männer, das ist ihr Thema. Seit Jahren beschäftigt sich Anne Applebaum mit Autokraten, hat über sowjetische Gulags ebenso geschrieben wie über Donald Trumps Amerika. Ihre scharfzüngige Kritik kommt dabei keineswegs aus dem linken Lager: Die Autorin, studierte Historikerin und mit dem Pulitzerpreis ausgezeichnet, nennt sich selbst liberalkonservativ.
Kürzlich war die 60-Jährige in Wien; im Interview erklärt sie, was Trump mit den Autokraten der Welt gemein hat – und was nicht.
KURIER: Haben Sie damit gerechnet, dass Donald Trump ein derart großes Comeback schafft?
Anne Applebaum: Erwartet habe ich es nicht, aber ich habe es für realistisch gehalten. Die Meinungsumfragen gaben genügend Hinweise darauf. Wer überrascht war, hat wohl zu wenig US-Medien gelesen.
Demokratie galt spätestens seit 1989 als das erstrebenswerte Gesellschaftsmodell. Heute kippen immer mehr Länder in den Autoritarismus, die Menschen wählen autokratische Politiker. Warum?
Wir leben in Zeiten rasanter Veränderungen – politisch, sozial, wirtschaftlich, demografisch, auch moralisch und in puncto Information. In solchen Umbruchszeiten haben sich die Menschen immer schon nach einfachen Antworten, nach Homogenität und Einheit gesehnt. Sie fühlen sich von der Kakophonie demokratischer Debatten überfordert, wollen diesen Lärm der Argumente nicht. Sie wollen klare, einheitliche Führung.
Diese Dynamik haben wir schon oft gesehen, etwa nach der Französischen Revolution mit dem Aufstieg Napoleons. Menschen haben schon immer Autokraten gewählt, das ist nichts Neues.
Aber damals kannten die Menschen die Vorzüge der Demokratie nicht, es gab kaum Medien. Warum wählen Menschen heute trotzdem Politiker, die ihre eigenen Rechte einschränken könnten?