800 Milliarden Euro für Verteidigung, 150 Milliarden für EU-gestützte Rüstungskredite, Aufhebung der EU-Schuldengrenzen für Waffenkäufe: In diesen Wochen scheint sich in Brüssel alles nur um ein Thema zu drehen: Aufrüstung. Europa, so predigt es Kommissionschefin Ursula von der Leyen derzeit pausenlos, müsse endlich militärisch auf eigenen Beinen stehen. Aufgeschreckt von den Alleingängen der USA unter Donald Trump und der offenen Verachtung des US-Präsidenten für die EU, schmiedet man große Rüstungspläne.
Gerade hat die EU-Kommission ein sogenanntes „Weißbuch“ zum Thema Verteidigung veröffentlicht, am Donnerstag, beim EU-Gipfel in Brüssel, sollen sich die Staats- und Regierungschefs ausführlich mit dem Thema beschäftigen.
Doch schon im Vorfeld werden die Vorbehalte deutlich, die viele Staaten, darunter auch Österreich, mit dem Thema europäische Verteidigung haben. Österreich bleibt beharrlich dabei, dass die Neutralität und die damit sehr eng gesteckten Grenzen für militärische Zusammenarbeit in jedem Beschluss extra erwähnt werden müssen.
Schließlich ist das Militär traditionell ein Aufgabenbereich, bei dem sich Staaten nichts dreinreden lassen wollen. Das Ergebnis, Europa gibt zwar weit mehr Geld für Verteidigung aus als etwa Russland, doch das Ergebnis ist bescheiden. Waffensysteme, die nicht zusammenpassen, Doppelgleisigkeiten und große Lücken bei all den Aufgaben, die nur europäisch gelöst werden können, etwa eine Raketenabwehr, oder Satellitenüberwachung. Die EU-Kommission jedenfalls will sich vor allem für diese gemeinsamen Projekte stark machen. Außerdem sollen anders als bisher europäische Firmen zum Zug kommen, bisher gingen ja 80 Prozent der europäischen Ausgaben für Waffen ins Nicht-EU-Ausland.
Liste mit Mängeln
Noch aber gibt es keine konkreten Vorschläge für diese gemeinsamen EU-Projekte. Die EU-Kommission zählt nur auf, wo es überall rüstungstechnisch mangelt. Wie das alles in der Praxis funktionieren könnte, sei aber keineswegs klar, bemängeln einflussreiche EU-Politiker. Mit Widerstand einzelner EU-Staaten, aber auch vieler Rüstungsbetriebe, die lieber kleinere Mengen an Waffen an einzelne Staaten teuer verkaufen, rechnen die meisten Militärexperten.
Außerdem geht in Europa, was die Bereitschaft aufzurüsten anbelangt, die Kluft zwischen dem Osten und dem Südwesten auf. Während Staaten wie Polen, oder das Baltikum, ihre Verteidigungsausgaben seit Russlands Angriffskrieg drastisch erhöht haben, halten sich Italien, oder Spanien zurück und zeigen wenig Bereitschaft, das zu ändern. Zunehmend sparsam sind viele auch bei der Unterstützung der Ukraine. Ein geplantes Milliardenpaket für Waffen und Ausrüstung ist inzwischen auf ein Zehntel geschrumpft.