Der milde Herbst verlängert die Zeckensaison. Schuld ist der Klimawandel. Er bringt mehr und neue Insekten, die länger aktiv sind und tropische Krankheiten übertragen.
Sie sitzen in Büschen, in Wiesen und im Gestrüpp, lauern … und beißen zu. Auch jetzt noch im Herbst. Schuld ist der Klimawandel. Denn Zecken bleiben aktiv, solang es ausreichend warm und feucht ist. Selbst im Oktober laufen wir daher noch Gefahr, gebissen zu werden und uns eine gefährliche Infektionskrankheit einzufangen.
„Der überdurchschnittlich heiße Sommer, gefolgt von dem schönen Herbst, stellt die Zeichen heuer auf eine lange Zeckensaison“, sagt Georg Duscher vom Institut für veterinärmedizinische Untersuchungen der Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) zur WZ. „Wir beobachten generell, dass die Zeckenzeit in Österreich früher beginnt und später endet. Heuer wurden die erste Bisse schon im Jänner registriert. Außerdem finden sich Populationen in immer höheren Regionen, wo sie früher nicht heimisch waren“, warnt er. Selbst im Gebirge, wo man die Blutsauger traditionell nicht erwartet, können sie mittlerweile zuschlagen.
Zeckensaison das ganze Jahr? Im Rahmen eines EU-Projekts namens SURVector baut die Ages ein bundesweites Stechmücken- und Zecken-Monitoring auf. Ziel ist, in Österreich eine gesamtheitliche Überwachung für neu auftretende Krankheitserreger einzurichten, in der Stechmücken, Zecken und andere Gliederfüßer gesammelt und auf relevante Krankheitserreger untersucht werden. Die Zivilbevölkerung hilft mit. Man will Gewissheit erlangen, welche Arten wo leben, wann und wie lang im Jahr sie aktiv sind und wie verbreitet neue Arten sind, die sich dank Erderwärmung auch im Norden immer wohler fühlen.
Neue Seuchenträger
Zecken können mehr als 25 Infektionskrankheiten übertragen. Die in Europa am weitesten verbreitete Art ist der gemeine Holzbock. Ein Drittel der Artenvertreter:innen überträgt die bakterielle Infektion Borreliose. Sie kann zahlreiche Symptome in verschiedenen Organen hervorrufen. Typisch sind eine ringförmige Hautrötung um den Biss, Fieber, Muskel- und Kopfschmerzen, Müdigkeit, aber auch Nervenschmerzen, Taubheitsgefühle, Seh- oder Hörstörungen, die noch Jahre nach dem eigentlichen Biss auftreten können. Eine Impfung dagegen gibt es nicht.
Der Klimawandel bringt uns durch die längere Insekten-Saison aber nicht bloß das Risiko, häufiger gestochen oder gebissen zu werden, sondern auch neue Seuchenträger, in der Fachsprache Vektoren genannt. Eine tropische, bis zu zwei Zentimeter große Riesenzecke der Gattung Hyalomma hat begonnen, sich in Europa anzusiedeln. An sich stammt sie aus Asien, wo sie das Krim-Kongo-Hämorrhagische Fieber (erstmals 1956 in der Demokratischen Republik Kongo entdeckt) überträgt. Mittlerweile werden allerdings Fälle dieser Infektionen auch am Balkan und in der Türkei nachgewiesen, die auf die Bisse des Parasiten zurückzuführen sind.
„Krim-Kongo geht mit konstantem Fieber, Schüttelfrost, Muskel- und Gliederschmerzen, Durchfall, Darmblutungen und Bluterbrechen einher und führt, abhängig vom Stamm, in zwei bis fünfzig Prozent der Fälle zum Tod“, sagt der Virologe Florian Krammer von der Icahn of Medicine School in New York und der Medizinischen Universität Wien zur WZ. „Es gibt mittlerweile Fälle durch Zeckenbisse in Spanien. Und in Frankreich wurde die Krankheit zwar noch nicht in Menschen, aber immerhin in Zecken nachgewiesen“, erklärt er. In Österreich seien hingegen bisher die Riesenzecken, aber nicht das Virus gefunden worden. Es sei damit zu rechnen, dass sich die Art auch in Mitteleuropa und in Österreich weiter ausbreiten werde, warnt Krammer.
Mücke mit gestreiften Beinen
Mehr als die Hälfte der Erkrankungen, die von Zecken und Stechmücken übertragen werden, können durch Extremwetter und Klimaveränderungen häufiger werden, warnen weitere Forscher:innen in einer Überblicksstudie im Fachjournal Nature Climate Change. „In Europa beobachten wir den Einfluss durch klimawandelbedingte Ereignisse auf Krankheitserreger. Das ist besorgniserregend, da nur für wenige der neuen Erreger zugelassene Impfstoffe existieren“, sagt dazu Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin in Hamburg.
Viren können sich verbreiten, wenn sie einmal eingeschleppt sind.
Florian Krammer
Im Mittelpunkt des oben erwähnten SURVector-Projekts stehen neben Borreliose-Bakterien und Krim-Kongo-Fieber-Viren auch durch Stechmücken übertragene Viren. Die Asiatische Tigermücke wirkt mit ihren gestreiften Beinen zwar elegant, gilt aber als besonders gefährlich. „Es gibt diese Art in Österreich – ich selbst habe heuer im Sommer in Graz eine erschlagen, die mich stechen wollte. Sie überträgt nicht nur eine, sondern viele Infektionen“, berichtet Krammer und nennt eine Liste: Zika-Virus, Gelbfiebervirus, Dengue-Fieber, Chikungunya-Fieber.
Nehmen wir etwa das Dengue-Fieber: Wer nicht geimpft ist, bekommt Fieber, Ausschlag, Kopf-, Muskel-, Glieder-, Knochen- oder Gelenkschmerzen und bei einem schweren Verlauf innere Blutungen, die tödlich sein können. In Zukunft werden wir also umdenken müssen. Dengue-Fieber und alle anderen genannten Scheußlichkeiten kann man sich nicht mehr nur in den Tropen, sondern mittlerweile auch in Europa holen.
Tropische Krankheiten in Österreich
Cluster von Menschen, die sich durch Mückenbisse mit Dengue angesteckt hatten, wurden bisher in Frankreich, Spanien oder Italien nachgewiesen. „Momentan sind diese Cluster klein. Aber das wird sich in den kommenden fünf bis zehn Jahren vermutlich ändern und man wird dann auch in Österreich sporadisch mit solchen Erkrankungen rechnen müssen. Ich glaube nicht, dass sich das alles rasant entwickeln wird, aber es ist problematisch, denn diese Viren können sich verbreiten, wenn sie mal eingeschleppt sind und auch die passenden Mücken sich hier aufgrund höherer Temperaturen ausgebreitet haben“, sagt Krammer. Die Lösung ist wieder ein Stich: Gegen Dengue und Chikungunya gibt es Impfungen.
Sowohl Tigermücken als auch Zecken, ob groß oder klein, können in unseren Breiten überwintern. Zecken etwa besitzen ein spezielles Antifrost-Glukoseprotein, das verhindert, dass Eiskristalle ihre Körperzellen zum Platzen bringen. Theoretisch könnten sie uns sogar im Winter beißen. Denn ab fünf bis sieben Grad werden die Tiere beim richtigen Verhältnis von Wärme zu Luftfeuchtigkeit und Windverhältnissen umtriebig. „Wenn uns schönere Temperaturen schon früher oder noch später im Jahr ins Gebirge locken, warten sie dort schon auf uns, wo wir noch gar nicht damit rechnen“, meint dazu der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter von der Medizinuniversität Wien zur WZ.
Ein roter Artenvernichter
Und auch andere Gliederfüßer könnten schon früh ihr Unwesen treiben. So findet man mittlerweile die Rote Feuerameise in Europa. Zwar überträgt sie keine Krankheiten, doch ihre Bisse schmerzen enorm. Die Rote Feuerameise stammt ursprünglich aus Südamerika, breitet sich aber neuerdings auch in Australien und China aus und wurde im September 2022 erstmals in Sizilien nachgewiesen. Die nur wenige Millimeter großen Tiere ernähren sich von Insekten und werden in der Landwirtschaft gegen Schädlinge wie den Kornbohrer eingesetzt. Jedoch killen sie sämtliche andere Ameisenarten, die ihnen in die Quere kommen, sind also Artenvernichter. Befürchtet wird, dass sich die invasive Spezies, begünstigt durch den Klimawandel, rasch auch in anderen europäischen Ländern ausbreiten könnte.
Bei einem Angriff spritzen die Tiere ein Sekret aus ihrem Giftstachel oft mehrmals direkt hintereinander unter die Haut. Das Sekret enthält Substanzen, die eine brennende Hautreaktion und juckende Pusteln hervorrufen. Für Allergiker:innen kann im Extremfall sogar Lebensgefahr bestehen. „Durch die Erwärmung findet Ungeziefer, das mit Transporten unsere Breiten erreicht, entsprechende Habitate, um sich auszubreiten, stößt dann auf neue Wirte und findet neue Verbreitungswege über lebende Tiere und Menschen“, sagt der Ökologe Franz Essl. Der Klimawandel wirke sich also direkt auf Menschen, Pflanzen, Tiere und Boden und erzeuge ganz neue Kreisläufe.
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Infos und Quellen
Gesprächspartner:innen
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Georg Duscher ist Parasitologe am Institut für Parasitologie der Veterinärmedizinischen Universität Wien, Leiter des Instituts für veterinärmedizinische Untersuchungen der Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) und Vorstandsmitglied der Österreichischen Gesellschaft für Tropenmedizin.
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Franz Essl, geboren 1973 in Linz, ist Ökologe am Department für Botanik und Biodiversitätsforschung der Universität Wien. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen die weltweite Verbreitung gebietsfremder Arten und der Verlust der Artenvielfalt sowie die Folgen der Biodiversitätskrise. Vom Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten wurde er zu Österreichs Wissenschafter des Jahres 2022 gewählt.
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Hans-Peter Hutter ist Oberarzt und stellvertretender Leiter der Abteilung für Umwelthygiene und Umweltmedizin am Zentrum für Public Health der Medizinischen Universität Wien. Im Zentrum seiner Tätigkeiten stehen die Erforschung und wissenschaftlich fundierte Abschätzung von Umweltrisiken sowie die Erforschung der Auswirkungen von Umweltchemikalien auf die Gesundheit.
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Florian Krammer, geboren am 17. Dezember 1982 in Voitsberg, ist Professor für Impfstoffkunde an der Icahn School of Medicine at Mount Sinai, New York City, und Professor für Infektionsmedizin an der Medizinischen Universität Wien. Krammer forscht an universellen Grippeimpfstoffen und an Impfstoffen gegen Lassa-, Hanta- und Ebolaviren. 2019 erhielt er gemeinsam mit anderen Forscher:innen zwei Millionen Dollar von der Bill & Melinda Gates Stiftung zur Entwicklung eines Grippeimpfstoffs, der auf breiter Basis gegen viele Virusstämme schützen soll. Ab 2025 leitet er das neue Ludwig Boltzmann Institut zu Wissenschaftskommunikation und Pandemievorsorge in Wien.
Daten und Fakten
Zecken übertragen mehr als 25 Erkrankungen. Lyme-Borreliose und Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME) sind in Österreich die häufigsten von Zecken übertragenen Infektionen. Über 30 Prozent der Ixodes ricinus-Zecken (gemeiner Holzbock; häufigste Zeckenart in Europa) sind mit Borrelien infiziert. Gegen die Borreliose gibt es keine Impfung. Gegen die Gehirnhautentzündung FSME schützt eine Impfung, die alle paar Jahre zu wiederholen ist, aber sehr effektiv. Das FSME-Virus vermehrt sich in menschlichen Nervenzellen. Die Erkrankung ist meldepflichtig.