Mit dem steigenden Bewusstsein für die endliche Ressource Boden und die Problematik, die mit der Zersiedelung des ländlichen Raums einhergeht, gilt das Einfamilienhaus heute als Auslaufmodell. Oft als Flächenfresser, Landschaftszerstörer und Forcierer des motorisierten Individualverkehrs bezeichnet, steht es in einem deutlichen Widerspruch zu einer nachhaltigen Siedlungsentwicklung. An der Beliebtheit dieser Wohnform hat das allerdings bislang wenig geändert. In Österreich leben rund 41 Prozent der Bevölkerung in einem Einfamilienhaus (Stand 2019), und pro Stunde kommen 2,2 neue Ein- und Zweifamilienhäuser hinzu (Stand 2022). Und das, obwohl so viele der bereits gebauten Häuser leer stehen, dass man auf das Neubauen heute ganz und gar verzichten könnte.
Dass diese höchst umstrittene Wohnform aber noch lange nicht totgesagt werden muss, zeigt ein ambitioniertes Projekt in Hagenberg im Mühlkreis, Oberösterreich. Das Hohe Schwarze, wie das Büro Schneider Lengauer Pühringer Architekten das Haus nennt, hat bereits mehrere hochkarätige Architekturpreise eingeheimst, darunter den Best Architects und den German Design Award 2024. Und das aus gutem Grund. Denn auf all das, was man dem Wohntyp Einfamilienhaus klimapolitisch anlasten kann, liefert das Mühlviertler Vorzeigeprojekt eine überzeugende Antwort.
Auf kleinem Fuß
Auf einer Grundfläche von 14 mal sechs Quadratmetern wächst das Haus 14,5 Meter in die Höhe und schafft auf vier Stockwerken eine Wohnnutzfläche von insgesamt 180 Quadratmetern. Während sich in den unteren Geschossen die Schlaf- und Sanitärräume befinden, bildet das oberste Geschoss den familiären Treffpunkt. Hier, direkt unter dem Giebel, wird gekocht, gegessen und von der überdachten Terrasse in die Mühlviertler Landschaft geblickt.
Hier an diesem Standort, unter diesen Rahmenbedingungen und in dieser nachhaltigen, nutzungsoffenen Bauweise hat das Einfamilienhaus seine Berechtigung.
Die umliegenden Häuser im Ortsteil Anitzberg überragt Das Hohe Schwarze nämlich um mindestens fünf Meter und kann damit als dörfliches Hochhaus bezeichnet werden. Dass es sich trotzdem harmonisch in die Umgebung einfügt, liegt am dunklen Baukörper, der einer Fassade aus schwarz gefärbten Tannenbrettern geschuldet ist. „Durch eine geringe Gebäudegrundfläche und die geschickte Platzierung des Neubaus entsteht im Westen ein neuer Vorplatz und im Osten eine Gartenfläche“, beschreibt das Architekturbüro den Vorteil der vertikalen Verdichtung.
Im familiären Ensemble
Das hohe Einfamilienhaus wurde von Architekt Andreas Pühringer geplant, der es seit 2022 mit seiner Familie bewohnt. Das Grundstück, das an die väterliche Tischlerei angrenzt, hat er geerbt. Zusammen mit den Betriebsgebäuden und dem Eltern- und Großeltern-Wohnhaus nebenan bildet der Neubau nun ein familiäres Ensemble, das die Betriebszufahrt zum gemeinsamen Hof erklärt. So wurde aus einem reinen Erschließungsweg ein belebter Ort, auf dem jeden Tag vier Generationen zusammenkommen.
Damit das Haus in Zukunft bei Bedarf auch anders genutzt werden kann, verfügt das Hohe Schwarze über ein flexibles Raumkonzept und eine barrierefreie Erschließung. Auf diese Weise ließe sich das Gebäude zu einem späteren Zeitpunkt auch in ein Bürohaus oder in ein Studentenheim umfunktionieren.
„Das Einfamilienhaus als solches wird mittlerweile ja mit guten Argumenten totgesagt. Hier an diesem Standort, unter diesen Rahmenbedingungen und in dieser nachhaltigen, nutzungsoffenen Bauweise hat es hingegen seine Berechtigung“, wie Bauherr Pühringer anlässlich der Verleihung des Best Architects Awards erklärte.
Zu 90 Prozent aus Holz
Der kompakte Baukörper, der auf den ersten Blick wie ein Bürohaus anmutet und ganz ohne auskragende Elemente auskommt, ist in konstruktiver Holzbauweise gefertigt.
Vorfertigung, statische Berechnung und Werkplanung kamen vom Brettsperrholzproduzenten Binderholz mit Hauptsitz in Tirol. Neben dem Vorteil langfristig CO2 zu binden, den der nachwachsende Baustoff Holz mit sich bringt, können durch diese Bauweise auch beim Innenausbau Ressourcen geschont werden. So bilden die in Sichtqualität gefertigten Wände, Decken und Treppen zugleich die fertigen Oberflächen in den Innenräumen.
Durch eine geringe Gebäudegrundfläche und die geschickte Platzierung des Neubaus entsteht im Westen ein neuer Vorplatz und im Osten eine Gartenfläche.
Dass auch der Rest der Einrichtung wie aus einem Guss zu sein scheint, liegt an der elterlichen Tischlerei nebenan, die den gesamten Innenausbau inklusive Küche, Möbel, Fenster und Türenübernahm. Auf diese Weise ist ein Wohnhaus entstanden, das zu 90 Prozent aus Holz besteht. In der Konstruktion sind insgesamt 128 Kubikmeter Fichtenbrettsperrholz verbaut.
Im Innenraum schaffen das helle Holz, die grauen Terrazzoböden und die großformatigen Fenster ein lichtdurchflutetes und behagliches Wohnambiente. Dass das Hohe Schwarze auf sehr kleinem Fuß steht und für den Neubau keine zusätzliche Grünfläche versiegelt werden musste, könnte als Vorbild für die ländliche Raumplanung dienen und der grassierenden Versiegelungswut etwas entgegensetzen.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Kurt Hörbst, SLP Architekten
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