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Ein Kampf für die Freiheit

von Max

Seit dem russischen Angriffskrieg hat die Ukraine bereits einige Volltreffer kassiert. Aber das Land schlägt sich tapfer, hält mit der Unterstützung des Westens dagegen – so gut es halt geht. Mittendrin im Kriegswahnsinn: Vitali Klitschko, der jahrelang das Schwergewichtsboxen dominierte, versucht als Bürgermeister von Kiew die Ruhe und Kontrolle zu bewahren. 

Hart im Nehmen war der über zwei Meter große Hüne schon immer. Besser war er nur noch beim Austeilen: 45 seiner 47 Profikämpfe gewann er –  41 davon durch K.o. Nun  heißt der Gegner Wladimir Putin. Im Ring würde er gegen Vitali Klitschko keine einzige Runde überstehen. Wette gilt! Aber als russischer Präsident muss man nicht selbst kämpfen, um jemand in die Knie zu zwingen, um zu morden. Das geht vom Schreibtisch aus. So einen hat jetzt zwar auch Vitali Klitschko, aber hinter diesem sitzt er selten, wie die ab 13. September exklusiv auf Sky abrufbare Dokumentation „Klitschko – Der härteste Kampf“ zeigt. Regie führte Kevin Macdonald, ein Schotte, der für seinen Film „Ein Tag im September“, der die Ereignisse der Geiselnahme von München 1972 nachvollzieht, im Jahr 2000 mit einem Oscar ausgezeichnet wurde. Preisgekrönt auch sein  Spielfilm „Der letzte König von Schottland“ über den ugandischen Diktator Idi Amin (2006). 

Sport und Bomben

Ähnlich gut gelungen ist ihm nun sein Porträt über Vitali Klitschko, in dem er  seine sportlichen Höhen und Tiefen   mit seinem derzeit geführten  Kampf gegen den russischen Aggressor kombiniert. „Da  ich  keine  klassische Kriegsberichterstattung liefern wollte, dachte ich mir, dass es eine gute Idee wäre, ein sportliches Element einzubauen“, sagt der Regisseur im KURIER-Interview. 

Mitten im Kriegsgebiet 

Ausgehend von den sportlichen Erfolgen von Vitali (53) und seinem  jüngeren Bruder Wladimir (48), der ebenfalls ein großer Boxer war, zieht Macdonald eine Verbindung zu den derzeitigen Kämpfen, in denen es um Freiheit, Demokratie und die ukrainische Zukunft geht. Man sieht Vitali Klitschko an der Front, vor zerbombten Hochhäusern, bei Pressekonferenzen und Medienterminen. Es sind starke Bilder, Bilder des Grauens, Szenen, die nachhallen, einen noch länger beschäftigen. Sie liefern einen Eindruck, was es heißt, mitten im Kriegsgebiet zu leben.  

In Kiew, wenn dort nicht gerade Luftschutzwarnung herrscht, sind die Straßen voller Menschen. Die Leute gehen einkaufen, zur Arbeit und abends in eine Bar. Es werden auch immer noch neue Restaurants, neue Geschäfte eröffnet. Man sieht Menschen, die Spaß haben. Menschen, die Babys bekommen. Menschen, die heiraten. Das ukrainische Volk ist unglaublich widerstandsfähig und mutig, was mich extrem beeindruckt hat“, sagt der in London lebende Regisseur. Er wolle mit seinem Film dazu beitragen, Unterstützung für das kriegsgebeutelte Land, die dort lebenden Menschen zu sammeln.  Außerdem  gehe es um das Recht der Ukraine, ein unabhängiges Land, souverän zu sein.  

Der Oscarpreisträger Kevin Macdonald führte Regie

Laut Macdonald habe es eine ganze Weile gedauert, bis die Klitschko-Brüder wirklich überzeugt von diesem Film  waren. „Ich musste erst ihr Vertrauen gewinnen. Zum Glück konnte ich sie überzeugen. Die danach folgenden Dreharbeiten gingen über eineinhalb Jahre. Im November 2022 sei man zum ersten Mal in die Ukraine gereist, wo man dann Vitali von früh bis spät mit der Kamera begleitete. 

„Die größte Herausforderung war es,  alles unter einen Hut zu bringen. Man hat ja nur begrenzt Zeit, in unserem Fall waren es knapp 100 Minuten. Außerdem wurden wir beim Drehen oft von Luftangriffen gestört, mussten nach dem Alarm innerhalb von wenigen Minuten einen Luftschutzkeller aufsuchen“, sagt der Regisseur.

Hier die Langfassung des Interviews mit Kevin Macdonald:

KURIER: Was für einen Film wollten Sie machen: einen über den Krieg, einen übers Boxen, einen über die Klitschko-Brüder?
Kevin Macdonald: Ich wollte einen Film über den Krieg in der Ukraine drehen, der dazu beitragen soll, Unterstützung für das Land, die dort lebenden Menschen zu sammeln, denn es geht um das Recht der Ukraine, ein unabhängiges Land, souverän zu sein. Ich wollte aber keine weitere klassische Kriegsberichterstattung liefern, das ganze Leid dokumentieren. Also dachte ich mir, dass es eine gute Idee wäre, ein sportliches Element in den Film einzubauen – damit kann man vielleicht auch noch mehr Menschen erreichen. Und damit bin ich bei den Klitschkos gelandet. Und so wurde es eine Geschichte über zwei Brüder, über zwei Jahrhundertboxer, die nun in diesen Krieg verwickelt sind.

Wann haben die Arbeiten für den Film begonnen?
Ich habe Wladimir zum ersten Mal in Hamburg getroffen. Ich glaube, das war im September oder Oktober des Jahres 2022. Und dann fuhren wir im November zum ersten Mal in die Ukraine, um dort fast eineinhalb Jahre zu verbringen. Dort bin ich dann Vitali zum ersten Mal begegnet. Wir sind dann zusammen durch die Ukraine gereist. Wir waren das letzte Mal im Februar, März dieses Jahres für Dreharbeiten dort. 

"Klitschko": Ein Kampf für die Freiheit

Wladimir und Vitali (rechts) Klitschko. Zwei Brüder, ein Ziel: Ihre Heimat gegen Putins Russland zu verteidigen.

War es einfach oder eher schwierig, die beiden Klitschko-Brüder zu dieser Doku zu überreden?
Es hat eine ganze Weile gedauert, bis sie wirklich überzeugt von diesem Projekt waren. Ich musste erst ihr Vertrauen gewinnen. Zum Glück ist mir das gelungen. Es war sicherlich keine einfache Entscheidung. Ich denke, sie haben sich dann dafür entschieden, weil sie alles in ihrer Macht stehende unternehmen möchten, um die Ungerechtigkeit dieses Krieges zu verbreiten.

Was war bei den Dreharbeiten die größte Herausforderung?
Die vielen Geschichten und Schicksale unter einen Hut zu bringen. Man hat ja nur begrenzt Zeit, in unserem Fall waren es knapp 100 Minuten. In diesen versuche ich, die Geschichte der Klitschko-Brüder zu erzählen – von ihrer Kindheit, ihren ersten Schritten als Boxer, den Höhen und Tiefen ihres Leben. So ist es automatisch auch eine Geschichte über ihre Heimat, die Ukraine, geworden. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage: Was hat sie geprägt, was treibt sie an, welchen Rucksack tragen die beiden mit sich herum? Wenn Sie den Film sehen, werden Sie verstehen, warum aus den Klitschkos das wurde, was sie heute sind. Sie werden erkennen, dass das, was Vitali derzeit in Kiew leistet, sehr wichtig für das ganze Land ist: Er spendet den Menschen Trost, die ihre Familie oder ihr Zuhause verloren haben. Er versucht, ihre Häuser so schnell wie möglich wieder aufzubauen, eine Umgebung zu schaffen, in der die Menschen halbwegs ruhig leben können. Er kämpft scheinbar unermüdlich für sein Land.

Sie waren mehrmals in der Ukraine. Wie kann man sich das Leben, den Alltag dort vorstellen?
In Kiew, wenn dort nicht gerade Luftschutzwarnung herrscht, sind die Straßen voller Menschen. Die Leute gehen einkaufen, zur Arbeit und abends in eine Bar. Es werden auch immer noch neue Restaurants, neue Geschäfte eröffnet. Man sieht Menschen, die Spaß haben. Menschen, die Babys bekommen. Menschen, die heiraten. Das ukrainische Volk ist unglaublich widerstandsfähig und mutig, was mich extrem beeindruckt hat.

"Klitschko": Ein Kampf für die Freiheit

Aber gibt es da nicht jeden Tag Luftangriffe?
Ja, das gehört traurigerweise zum Alltag. Deshalb haben die meisten auch eine App am Handy, die einem alarmiert, sagt, dass man ab jetzt fünf Minuten Zeit hat, um sich in den nächsten Luftschutzkeller oder in die U-Bahn zu begeben, dorthin, wo man in Sicherheit ist. Man fühlt sich deshalb zwar nie wirklich in Gefahr, aber es macht müde. Denn die Raketen und Drohnen kommen oft in der Nacht, um dem Menschen den Schlaf zu rauben.

Wie kann man unter diesen Umständen einen Film drehen?
Wir sind immer in den Luftschutzkeller gegangen, wenn es einen Alarm gab. Ich habe mich zwar nie unsicher gefühlt, aber ich habe mich auch jedes Mal gefreut, als ich das Land wieder verlassen konnte, ich wieder bei meiner Familie in London war. Dort, wo man sich frei bewegen kann, keine Angst haben muss, dass einem eine Rakete im Schlaf tötet. Die Menschen, mit denen ich in der Ukraine zusammengearbeitet habe und mit denen ich Freundschaften schloss, mussten und müssen sich dagegen jeden Tag Sorgen machen.

Vitali Klitschko wirkt in der Doku sehr fokussiert. Täuscht der Eindruck?
Nein, er ist genauso ist, wie er im Film zu sehen ist. Er ist ein konzentrierter, sehr starker, sehr engagierter Mann, einer, der auch weggehen, in Amerika oder Deutschland leben könnte, wenn er wollte. Er hat sich dieser Sache verschrieben und er wird nicht aufgeben. Dieses Versprechen hat er sich selbst und den Menschen in der Ukraine gegeben. Ich denke, das macht ihn zu einer sehr heldenhaften Persönlichkeit.

Sie haben schon viele verschiedene Leute porträtiert, viele verschiedene Arten von Dokumentationen gedreht. Was ist es, was Sie an diesem Format reizt? 
Es sind die Menschen und ihrer Geschichten. Man versucht zu verstehen, wer diese Person ist, die da vor einem steht. Was treibt sie an, was beschäftigt sie, was macht ihr Freude und was bereitet ihr Angst. Ich glaube, am Ende meiner Doku über Vitali und Wladimir Klitschko versteht man, was sie antreibt, warum Vitali in die Politik gegangen ist – nämlich deswegen, um die Korruption im eignen Land zu bekämpfen. Es geht mir in meinen Filmen ums Verstehen: Ich will den Menschen und seine Beweggründe verstehen. 

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