Startseite Sport Ein ÖFB-Präsident zwischen Konflikten, Leonard Cohen und Rainer Maria Rilke » abseits.at

Ein ÖFB-Präsident zwischen Konflikten, Leonard Cohen und Rainer Maria Rilke » abseits.at

von Max

Der neue ÖFB Präsident Wolfgang Bartosch spricht im abseits.at Interview über die aktuellen Herausforderungen mit Konfliktpotenzial, das Bild des Verbands nach außen und seine kulturellen Kraftquellen.

abseits.at: Herr Bartosch, wie hört sich das an: Präsident des Österreichischen Fußballbundes?

Wolfgang Bartosch: Es war in meiner Lebensplanung so nicht vorgesehen. Ich bin bis 2027 als Präsident des Steirischen Fußballverbands im Amt und habe nicht damit gerechnet im ÖFB noch so eine Rolle zu bekleiden.

Hatten Sie Zeit nachzudenken, ob sie das Amt annehmen?

Quasi keine. Klaus Mitterdorfer trat zurück, dass ein Vizepräsident das Amt übernimmt kam nicht zustande, also wurde ich gefragt und ich musste mich relativ spontan entscheiden. Das waren sehr bewegte Tage für den ÖFB.

Gerhard Götschhofer, Präsident des Oberösterreichischen Verbands, hat Protest gegen die Wahl eingelegt. Wie geht Sie mit diesem Widerspruch um? Auch Tirols Verbandschef Josef Geissler ist ja mit Rechtsgutachten in die Wahlsitzung gekommen.

Zum einen glaube ich nicht, dass Herr Götschhofer Erfolg mit dem Protest haben wird, vor allem muss man mit Kritik aber so umgehen: Man muss sich ihr stellen und sie aushalten. Ich habe da ein klares Credo: Zusammenarbeit suchen, niemanden ausgrenzen. Ich nehme mir aber auch heraus zu behaupten, dass man mit solchen Aktionen wie der Protesteinlegung den Ruf des ÖFB weiter nachhaltig schädigt. Das Verhalten widerspricht in jedem Fall der Mission, die ich für mich als Präsident verortet habe.

Wie sieht diese aus?

Das Präsidium soll mehr zum Aufsichtsrat und der Vorstand aufgewertet werden. Das Hauptamt soll gestärkt werden. Wir brauchen eine neue unternehmerische Struktur.

Auch der Machtkampf zwischen Generalsekretär Thomas Hollerer und ÖFB Wirtschaftsbetriebe CEO Bernhard Neuhold schreit nach einer Lösung…

Ich führe hierzu gerade Gespräche. Fakt ist, dass man immer Mehrheiten braucht und wenn man diese nicht hat, kann man ein Amt nicht bekleiden. Hollerer und Neuhold jeder für sich: großartig! Gemeinsam: Ein Desaster. Sie können nicht miteinander.

In der Öffentlichkeit wird der Streit im ÖFB verurteilt. Der Tenor lautet: Die Mannschaft performt gut, der Teamchef leistet tolle, innovative Arbeit, aber alles wird durch die Streithansln im Hintergrund schlecht gemacht. Was entgegnen Sie diesen Stimmen?

Tatsache ist, dass die Mannschaft eine starke Euro gespielt hat und auch eine gute Nations League. Obwohl es in beiden Segmenten auch Rückschläge gab. Aber die Stadien sind voll, die Fans sind begeistert und wir als Präsidium haben die Aufgabe, dieser Performance zu entsprechen und alles dem sportlichen Erfolg unterzuordnen. Das Ziel ist die WM 2026. Natürlich auch für uns Funktionäre. Das weiß auch Teamchef Ralf Rangnick. Mit ihm möchte niemand einen Konflikt. Wir müssen zusammenarbeiten und wenn wir diese Professionalität leben, tragen wir sie auch nach außen – dann kommt das auch bei den Leuten an. Mich beschäftigt es sehr, wie das Bild nach außen ist. Das Präsidentenamt ist ja kein Egotrip.

Wie schalten Sie von diesen Gedankenkreisläufen ab?

Ich bin ein großer Freund der Lyrik. Ich lese Gedichtbände von Rainer Maria Rilke und weiß seine Metaphern sehr zu schätzen. Das erlebe ich sehr bewusst, ich lese immer nur einzelne Strophen und lege das Buch dann wieder weg. Ich führe eigene Tagebücher in denen ich die Zeilen reflektiere und für mich persönlich verarbeite. Das erdet.

Sie gelten auch als großer Fan von Leonard Cohen…

Er begleitet mich schon seit meinem 15. Lebensjahr. Für viele gilt Cohen als zu melancholisch, fast schon depressiv. Ich nehme ihn als das genaue Gegenteil wahr. Auch bei seinen Werken führe ich eigene Aufzeichnungen, lasse mich inspirieren. Ich bin auch Mitglied im Leonard Cohen Forum und reise gerne auf die Insel Hydra, wo Cohen lebte und wirkte. Das ist meine Kraftquelle, die Insel ist vollkommen autofrei. Um es kurz zu sagen: Leonard Cohen bereitet mir nicht nur nach langen Tagen Ruhe und Entspannung.

Wahrscheinlich gelten Sie deswegen landläufig als entspannt und ausgeglichen. Gibt es trotzdem etwas, das Wolfgang Bartosch zur Weißglut bringt?

Aggression. Nicht reflektierendes, beleidigendes Verhalten. Wenn ich über längere Zeit damit konfrontiert werde, laufe ich Gefahr, selbst solche Gefühle zu entwickelt. Ich kann diese aber zum Glück gut unterdrücken. Auch beim Fußball ist das so: Ich kann nicht verstehen, wie man diesen Sport mit Aggressionen verhaut, Stichwort Hooligans, die ja auch hierzulande ein Problem darstellen. Hier haben wir noch viel zu tun, damit sich die Situation verbessert.

Gibt es etwas, worin sie sich selbst gern verbessern würden?

Der Mensch sollte immer danach streben, sich zu verbessern. In so vielen Situationen könnten wir besser oder zumindest anders reagieren. Daraus gilt es zu lernen. Das gilt auch für mich. Ich versuche zwar immer reflektiert zu agieren, bin aber auch nicht frei von Fehlern.

Am 18. Mai endet, Stand jetzt, ihre Amtszeit und ein neuer Präsident übernimmt den ÖFB. Wie wollen Sie den Verband im Idealfall übergeben?

So, dass alle aktuell offenen Fragen im Sinne des ÖFB geklärt sind und das Präsidium ein ebenso sympathisches, erfolgreiches Bild abgibt wie es die Nationalmannschaft am Spielfeld macht.

Abschließend: wie wird Weihnachten gefeiert?

Ruhig. Mit Frau, Kindern und Enkeln.

Philipp Braunegger für abseits.at

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