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Es kann ganz plötzlich vorbei sein

von Max

Der „Eat the Rich“-Thriller ist derzeit hoch im Kurs. Auch auf Netflix: Ein Underdog schleicht sich in höchste Gesellschaftskreise ein und delektiert sich an deren Niedergang. In dem Mystery-Schocker „Delicious“ von Nele Mueller-Stöfen spielt die österreichische Schauspielerin Valerie Pachner eine Superreiche, die mit ihrer Familie Luxusurlaub macht. Alles ändert sich, als eine  junge Frau als  Haushälterin  bei der Familie zu arbeiten beginnt und Böses im Schilde führt.   

KURIER: Frau Pachner, in „Delicious“ spielen Sie eine reiche Ehefrau namens Esther, die sich an einen jungen Franzosen verliert und ihre geamte Existenz in Frage stellt. Was hat Sie an dieser Rolle interessiert?

Valerie Pachner: Es hat mich interessiert eine Frau zu spielen, die ein Selbstverständnis von Reichtum und Macht hat. Sie spürt, dass sie in ihrem Leben sehr stark gefangen und nicht glücklich ist – und sie bricht aus. Sie erleidet eine Form von Identitätsverlust und fragt sich, wer sie ist – jenseits von ihren Privilegien. All das fand ich spannend.

Der Film spielt im attraktiven Setting von Südfrankreich. Was waren die schwierigsten Momente beim Dreh?

Letztlich sind es oft die physischen Herausforderungen, die am schwierigsten sind (lacht). Diesmal war es eine Szene, wo ich im Meer schwimme. Wir haben 2023 in der Provence, bei Avignon, gedreht, wo es einen ewig langen Sommer gab und richtig heiß war. Ich habe mich schon die ganze Zeit auf die Szene am Meer gefreut. Aber genau in der Woche, an der wir ans Meer gefahren sind, hat das Wetter gewechselt und es wurde plötzlich richtig Herbst. Wir standen während der Drehpausen in Jacken am Strand und mussten dann ins kalte Wasser gehen. Das war ein bisschen herausfordernd (lacht).

Es gibt eine Szene, in der die Haushälterin Theodora zu Esther sagt: „Sei nicht so streng mit dir selbst.“ Sind Sie jemand, der mit sich streng ist?

Ja, das kenne ich schon auch gut von mir selbst. Den Moment, wo Esther aus ihren familiären und beruflichen Pflichten ausbricht, habe ich auch persönlich als sehr befreiend erlebt. Ich spiele ja eine Figur, die sich selbst sehr stark einengt und in eine Art Korsett zwängt, sich dann aber wirklich befreien kann. Das war sehr interessant, weil ich diesen Prozess wirklich physisch miterleben konnte.

„Delicious“ erzählt davon, wie sich weniger privilegierte Menschen an den Superreichen rächen. Wie gehen Sie mit Privilegien um?

Natürlich erzählt der Film von Superreichen, aber letztlich haben wir alle Privilegien – auch wenn sie graduell unterschiedlich sind. Das ist meiner Ansicht nach auch eine Stärke des Films, dass man eine Art Wachheit für die eigenen Privilegien entwickelt. Für mich kam das Spielen einer superreichen Figur vor allem über ein Gefühl des Selbstverständnisses: Alles wird selbstverständlich genommen – das luxuriöse Umfeld ebenso wie der Umstand, dass immer jemand anderer für einen arbeitet. Und dieses Selbstverständnis ist auch nicht „böse“ gemeint. Aber genau dieses Selbstverständnis vom eigenen Lebensstandard kennen wir in gewisser Weise alle. Dieses Gefühl von „ich zahle ja eh dafür, dass jemand etwas für mich macht“… Doch es geht darum, die Wachheit über den eigenen Lebensstandard zu bewahren, egal wie mehr oder weniger reich oder privilegiert man ist. Der Film erzählt davon, dass es auch ganz plötzlich vorbei sein kann und man sich besser heute als übermorgen überlegt, wie man lebt.

Superreich und glücklich? – Netflix-Thriller „Delicious“

Wie haben Sie sich dieser Frage gestellt?

Als ich nach der Schule ein Jahr in Honduras lebte, habe ich zum ersten Mal ganz klar die sozialen Unterschiede gesehen, die es in der Welt gibt und die keineswegs naturgegeben sind, sondern strukturell am Laufen gehalten werden. Ich hatte damals stark das Bedürfnis, etwas zu ändern, und internationale Entwicklung studiert. Gleichzeitig bin ich aber auch schnell an die Grenzen dessen gestoßen, was man persönlich ändern kann. Das ist eine extrem schwierige Frage. Ich glaube aber, dass man nur gemeinsam zu einer Lösung kommen kann. Deswegen muss man im Gespräch bleiben, über die Ungleichheiten in der Welt reden, sich selbst befragen im Sinne von „check your privileges“ – und genau das versucht auch dieser Film.

Es gibt einen vergleichbaren Film namens „Saltburn“, in dem sich ein Underdog bei Superreichen einschleicht. Als Zuseherin ist man tendenziell auf seiner Seite. In „Delicious“ bleiben die Sympathien klar auf Seiten der reichen Familie. Warum diese Perspektive?

Ich glaube, es geht darum, als Zuseherin die eigenen Privilegien zu finden und sich mit denen zu identifizieren, denen es gut geht und die sagen: „Ich bin die Welt.“ Mit denen will man als Publikum mitgehen. Und dann dringt plötzlich etwas ein, das diesen Status verändern und unterlaufen will. In „Delicious“ haben sich die jugendlichen Eindringlinge radikalisiert und agieren wie Monster – ganz so, wie das im Film verwendete Zitat von Gramsci: „Die alte Welt liegt im Sterben, die neue ist noch nicht geboren. Jetzt ist die Zeit der Monster.“ Deswegen hat der Film für mich auch so eine Dringlichkeit im Sinne von: Wir müssen aufpassen, dass sich die Gesellschaft nicht so radikalisiert, dass es dann irgendwann zu spät ist. Dazu fällt mir der Fall in den USA ein, wo jemand einen Versicherungschef erschossen hat und für diese Tat bei vielen Menschen Zustimmung fand. Dass es soweit kommt, ist schon krass. Deswegen finde ich, dass es eine Art von Dringlichkeit gibt. Man lebt so in seinem angenehmen Leben dahin, wie auch meine Figur in „Delicious“. Aber man sollte Bewusstsein dafür entwickeln, was und wie man eigentlich lebt – sowohl im gesellschaftlichen wie auch im persönlichen Bereich.

Sie haben zuletzt mit Adrian Goiginger gedreht – einen Film namens „Vier minus drei“? 

Ich spiele Barbara Pachl-Eberhardt, die 2008 ihre gesamte Familie bei einem Unfall verlor und ein Buch über dieses Erlebnis geschrieben hat. Der Film ist eine Adaption des Buches und darüber, wie sie mit dem Verlust umgeht. Das war eine sehr schöne, sehr bewegende Arbeit. Die Geschichte hat mich sehr berührt. Es war ein sehr intensiver, sehr anstrengender Dreh, aber auch sehr sehr schön.

Sie haben in sehr unterschiedlichen nationalen Zusammenhängen gearbeitet – mit österreichischen, aber auch amerikanischen Regisseuren, in kleinen Produktionen oder mit Netflix. Wie erleben Sie die Unterschiede und haben Sie Präferenzen?

Ich finde es schön, in verschiedene Kontexte eintauchen zu können und das Filmschaffen in so verschiedenen Produktionsgrößen zu erfahren. Das ist total toll und jede dieser Erfahrungen war super. Aber im Kern ist das, was beim Filmemachen passiert, immer gleich – und das ist es auch, was mich interessiert: Das gemeinsame Filmemachen. Und das finde ich auch so schön, weil es über die Produktionsgröße und über nationale Grenzen hinausgeht. Das Filmemachen ist wie eine eigene Sprache – und dann ist es auch egal, woher jemand kommt und wieviel Kohle in dem Projekt steckt. Denn das, was wirklich passiert, ist die Essenz dessen, was das Filmemachens ist und was mir Freude macht. Es ist dann nochmals schöner, wenn ich an unterschiedlichen Orten und auf so verschiedene Arten und Weisen erfahren kann, wie schön dieses Zusammenarbeiten an einem Film ist.

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