In der Nacht auf Montag haben die Europäische Union, die USA und weitere G7-Staaten als Reaktion auf den Einmarsch von Russland in der Ukraine schwerwiegenden Sanktionen in Kraft gesetzt, die es Moskau erschweren sollen, den Krieg in der Ukraine zu finanzieren. Darunter ein Verbot von Transaktionen mit der russischen Zentralbank.
Nach Angaben von EU-Chefdiplomat Josep Borrell werden etwa die Hälfte der Finanzreserven der russischen Zentralbank eingefroren. Er erklärte allerdings: „Wir können nicht die Reserven der russischen Bank blockieren, die in Moskau oder in China sind.“ Russland habe seine Reserven zuletzt mehr und mehr in Ländern geparkt, in denen sie nicht blockiert werden könnten.
Geschätzte 620 Milliarden US-Dollar hält Russlands Zentralbank insgesamt in Reserve, ein Fünftel davon in Gold, den Rest in Fremdwährungen. Immerhin drei Prozent dieses Vermögens sind in Österreich angelegt (siehe Grafik).
Zentralbank in Turbulenzen
Mit den jüngsten EU-Sanktionen hat die russische Zentralbank den Zugriff auf ihre Reserven im westlichen Ausland verloren. Damit fehlt dem Geldinstitut ein wichtiges Mittel, um die russische Währung Rubel zu stabilisieren. Die Währung befindet sich seither auf Talfahrt.
„Russland wird dadurch massiv geschwächt“, sagt Volksökonom Klaus Prettner. „Die Finanzierungs- und Geschäftsmöglichkeiten der russischen Banken wurden enorm erschwert.“ Sie könnten nun in Schieflage geraten, auch einen Bankenansturm schließt der Ökonom und Professor an der Wiener Wirtschaftsuniversität nicht aus. Aufgabe der russischen Zentralbank ist es, sicherzustellen, dass der Rubel gegen Euro oder US-Dollar austauschbar, also konvertibel, ist. Sie ist auch dafür zuständig, dass der Zahlungsverkehr läuft.
Der geschwächte Rubel wirkt sich bereits jetzt auf die Menschen in Russen aus. Ihr Vermögen schrumpft mit dem Verfall des Rubel-Kurses. Bereits am Wochenende hatten sich, noch vor Bekanntwerden der neuen Maßnahmen, Schlangen vor russischen Bankautomaten gebildet. Die Menschen versuchen, ihr Erspartes abzuheben und es in ausländische Devisen umzutauschen, bevor die Kurse weiter fallen würden.
Rubel stürzt ab
Der Rubel stand zum Handelsbeginn am Montagvormittag bei knapp 101 zum Dollar und bei gut 113 zum Euro – verglichen mit 83,50 beziehungsweise 93,50 vor Russlands Angriff auf das Nachbarland. Schon in den Tagen davor war der Rubel wegen des Krieges eingebrochen. Die Moskauer Börse blieb am Montag geschlossen. Angesichts der aktuellen Lage werde der Handel ausgesetzt, teilte die russische Notenbank am mit.
Leitzins wird erhöht
Als Reaktion auf die Sanktionen und den Rubel-Absturz hatte Russlands Zentralbank den Leitzins mit einem Schlag von 9,5 Prozent auf 20 Prozent fast verdoppelt. Damit wolle man „finanzielle Stabilität und Preisstabilität gewährleisten und die Ersparnisse der Bürger vor Wertminderung schützen“, erklärte die Notenbank dazu. Sie signalisierten ihre Bereitschaft zu weiteren Anhebungen.
Die Anhebung des Leitzinses würgt jedoch die Kreditnachfrage ab, sagt Ökonom und Osteuropa-Experte Vasily Astrov: „Damit wird es zu einem Einbruch der Konsumentenkredite und Hypotheken kommen.“ Die Abwertung des Rubels werde zudem zu einer Beschleunigung der Inflation führen. Die Folgen: Die reale Kaufkraft der russischen Bevölkerung vermindert sich, die Wirtschaft rutscht in die Rezession. „Russland hat sich verkalkuliert,“ sagt Astrov.
Um das russische Finanzsystem zu stützen, untersagte die Zentralbank Wertpapierhändlern, russische Wertpapiere im Besitz von Ausländern zu verkaufen. Mit Kapitalspritzen und Fremdwährungsgeschäften sollen zudem russische Geldinstitute gestützt werden. Wird das reichen?
Panikverkäufe von Staatsanleihen
Bei russischen Staatsanleihen lösten die verschärften Sanktionen am Montag Panikverkäufe aus. So verloren die Papiere mit Laufzeiten bis 2024 und 2043 jeweils mehr als 50 Prozent an Wert. Im Gegenzug verdoppelten sich die Renditen auf 17,073 beziehungsweise 20,003 Prozent.
Reaktionen des Kreml
Das russische Präsidialamt hat eingeräumt, dass die westlichen Sanktionen deutliche Spuren hinterlassen. „Die wirtschaftliche Realität hat sich erheblich verändert“, meinte Sprecher Dmitri Peskow am Montag in Moskau vor Reportern. „Die Sanktionen sind hart, sie bereiten Probleme“, sagte der Kreml-Sprecher. „Aber Russland hat das nötige Potenzial, um den Schaden auszugleichen.“
Russlands Präsident Wladimir Putin wollte am Montag mit seinen Ministern über die Folgen der Strafmaßnahmen für die Wirtschaft seines Lands beraten. In Moskau, St. Petersburg und anderen Städten gab es währenddesen teilweise kein Geld mehr an Bankautomaten. Auf der Sanktionsliste stehende Banken zahlten nichts mehr aus. Auch in Läden berichteten Verkäufer über massenhaft Probleme, als Kunden mit Geldkarten der gelisteten russischen Banken bezahlen wollten.
Wird Russland weiterhin Gas liefern?
Die Sanktionen könnten auch Folgen für die Gaslieferungen haben. Gabriel Felbermayr, Chef des Wirtschaftsinstituts Wifo: Russland könne mit den Euro-Einnahmen aus den Gaslieferungen nun nur noch wenig anfangen. „Das ist, als ob man anschreiben ließe irgendwo im Ausland. Da baut sich ein Euro- oder Dollar-Guthaben auf, das Russland aber nicht mehr einsetzen, kann, um etwa Dinge zu kaufen, die für die Kriegsführung relevant wären.“