Kaum hatte die EU-Kommission gestern verkündet, dass Brüssel zum Zollgegenschlag gegen die USA ausholen würde, da überraschte Donald Trump erneut. Der US-Präsident kündigte eine 90-tägige Zollpause für mehr als 75 Länder an, die bisher keine Gegenzölle auf sein Zollregime erhoben und Verhandlungsbereitschaft gezeigt hätten. „Ich habe eine 90-tägige Pause genehmigt und in diesem Zeitraum einen erheblich reduzierten reziproken Zoll von zehn Prozent“, schrieb Trump. US-Finanzminister Scott Bessent erklärte, die Zollaussetzung solle Zeit für Verhandlungen geben.
Dem US-Präsidialamt zufolge bleibt ein Basiszollsatz von 10 Prozent für praktisch alle Einfuhren in die USA in Kraft. Trumps Ankündigung betrifft offensichtlich auch nicht bestehende Zölle auf Autos, Stahl und Aluminium.
Merz erleichtert
CDU-Chef Merz, der demnächst offiziell deutscher Kanzler sein wird, reagierte erleichtert und lobte die EU und deren Geschlossenheit in der Reaktion auf die Zollpolitik Trumps. „Am besten machen wir alle zusammen im transatlantischen Handel null Zölle. Dann ist das Problem gelöst“, sagte er in einem Interview mit RTL.
Nur wenige Stunden zuvor hatte die EU-Kommission ihre Liste präsentiert: Jeans, Orangensaft, Zahnseide – das hört sich nicht gerade nach den größten Exportschlagern der USA an. Doch auf solche Produkte will die EU ab Beginn nächster Woche Einfuhrzölle kassieren, zwischen zehn und 25 Prozent. Es ist der erste Schritt in einer Abfolge von Maßnahmen. Die hat die EU-Kommission am Mittwoch beschlossen und den Mitgliedsstaaten vorgelegt. Wie inzwischen üblich legte sich nur Ungarn quer, was aber an der klaren Mehrheit nichts ändert.
Grundsätzlich will es die EU vorsichtig angehen und die Tür für Verhandlungen weiter offenlassen. Man sei vorerst nicht darauf aus, eins zu eins und Cent für Cent zu reagieren, erklärt EU-Handelskommissar Maros Sefcovic die Strategie, jetzt sollten einmal die Märkte in den USA reagieren, für Aktien und auch für Waren, wo man mit sehr raschen Preisanstiegen rechnet. Massive Belastungen für US-Bürger und damit Druck auf Trump.
Man wolle den US-Präsidenten fürs Erste einmal „schmoren lassen“, meint ein Mitarbeiter der EU-Kommission gegenüber dem Handelsblatt.
Whiskey für Champagner
Einige der US-Produkte, gegen die eigentlich sofort Zölle verhängt werden sollten, sind aber von den Listen, die seit Tagen in Brüssel kursieren, in letzter Minute verschwunden. Whiskey etwa oder Motorräder der Marke Harley-Davidson. Trump hatte gedroht, auf EU-Zölle auf Whiskey mit absurd hohen Zöllen auf alkoholische Getränke aus Europa zu reagieren. Frankreich und Italien, die um ihre Geschäfte mit Champagner und Prosecco fürchteten, hatten sich quergelegt. Italien machte sich außerdem um seine Motorräder wie Ducati oder Moto Guzzi Sorgen, falls es tatsächlich Harley erwischen sollte. Auf 66 Seiten listet die EU insgesamt 1.680 Waren auf.
Schwerer wiegende Maßnahmen hat sich die EU vorerst für Mitte Mai aufgehoben. Doch die Hoffnung ist groß, dass binnen 90 Tage die Zollschranken der USA gegen die EU nach unten fallen