Startseite Sport Fabian Hürzeler und die riskante Revolution bei Brighton & Hove Albion » abseits.at

Fabian Hürzeler und die riskante Revolution bei Brighton & Hove Albion » abseits.at

von Max

Mit gerade einmal 31 Jahren ist Fabian Hürzeler der jüngste Trainer in der Premier League – und bereits jetzt gilt er als eine der spannendsten Personalien der Liga. Unter seiner Führung zeigt Brighton & Hove Albion eine faszinierende Mischung aus aggressivem Offensivfußball und riskanten taktischen Anpassungen. Die Fans feiern den spektakulären Spielstil, jedoch bleiben die defensiven Schwächen ein großes Fragezeichen.

Wer ist Fabian Hürzeler?

Der junge deutsche Trainer Fabian Hürzeler übernahm Brighton am 1. Juli und unterschrieb gleich einen Dreijahresvertrag. Eine durchaus riskante Entscheidung des Premier-League-Klubs, aber auch Indizien für gutes Trainerscouting bzw. eine klare Vorstellung, wo man spielerisch hin will.

Zuvor war Hürzeler 1 ½ Jahre Trainer des FC St. Pauli, führte den Kultklub zurück in die Bundesliga. Sein Punktschnitt von 2,16 nach 55 Partien kann sich sehen lassen. Vor allem wenn man bedenkt, dass Hürzeler in Hamburg eigentlich nur als Interimscoach startete. Zuvor war er Co-Trainer unter Timo Schultz, arbeitete in derselben Position für Deutschlands U18- und U20-Nationalteams und war davor vier Jahre lang Spielertrainer beim bayrischen Regionalligisten Pipinsried. Eine Funktion, die er bereits im Alter von 23 Jahren antrat.

Wie viele Trainer der neuen Generation war Hürzeler zudem kein Fußballer, der in den höchsten Ligen kickte. Der gebürtige Texaner, Sohn eines Schweizer Vaters und einer deutschen Mutter, durchlief den Nachwuchs des FC Bayern München, kickte dann zudem in den zweiten Mannschaften von 1860 München und Hoffenheim, sowie für Pipinsried und Eimsbüttel, wo er seine Karriere erst mit seinem Cheftrainerengagement bei St. Pauli beendete.

Der Fußballer Hürzeler hinterließ also auf der großen Bühne kaum Eindruck – allerdings erwies sich der heute 31-Jährige schnell als starker Pädagoge und vor allem brillanter Taktiker.

Kontrolle durch Risiko in Brighton

Bei seinem neuen Klub Brighton baut Hürzeler auf den Grundlagen seines Vorgängers Roberto De Zerbi auf, geht aber mit noch mutigeren Ansätzen ans Werk. Der Spielaufbau beginnt in einem 3-3-4-System, bei dem der Torwart aktiv ins Aufbauspiel eingebunden ist. Dadurch entsteht ein numerischer Vorteil, der es ermöglicht, den Ball zirkulieren zu lassen und große Lücken im Mittelfeld zu öffnen. Den dafür notwendigen, spielstarken Keeper hatte Brighton mit dem jungen Niederländer Bart Verbruggen bereits vor Hürzelers Ankunft im Kader. Er kam ein Jahr zuvor um 20 Millionen Euro aus Anderlecht.

Eine entscheidende Rolle spielt dabei die Einladung des gegnerischen Pressings: Sobald ein Spieler den Torwart attackiert, wird automatisch ein Feldspieler frei. Dieses Prinzip löst eine Kettenreaktion aus, bei der immer wieder freie Räume für das Aufbauspiel entstehen. Brighton gelingt es so, mit nur wenigen Ballberührungen die erste Pressinglinie des Gegners zu umspielen.

Die Rolle der dritten Pässe und Läufe

Ein Schlüsselelement in Hürzelers Strategie ist der Einsatz von sogenannten „third-man“-Pässen und Läufen. Diese Spielzüge sorgen dafür, dass der Empfänger des Balls stets genügend Platz vor sich hat, um den Ball sofort weiterzuleiten. Dabei kommen häufig die Außenstürmer ins Spiel, die den Ball an den Flanken übernehmen und durch schnelle Dribblings an den gegnerischen Abwehrspielern vorbeiziehen.

Verglichen mit der letzten Saison wagt Brighton unter Hürzeler zudem mehr direkte Angriffe. Lange Bälle vom Torwart auf den Mittelstürmer, der den Ball ablegt, gehören nun ebenso zum Repertoire wie schnelle Kombinationen durch das Zentrum. Dadurch entsteht eine große Dynamik, die Brighton regelmäßig gute Abschlussmöglichkeiten beschert – und die Mannschaft in ihren Angriffsbemühungen zudem sehr polyvalent macht und dem Gegner nie eine geradlinige Einstellung auf die Angriffsvarianten ermöglicht.

Offensivrotationen: Flexibilität im letzten Drittel

Ein weiteres Markenzeichen von Hürzelers Taktik sind die cleveren Rotationen, insbesondere bei den Außenverteidigern. Diese tauschen je nach Spielsituation die Positionen mit den Außenstürmern oder rücken ins Zentrum, um dort Überzahlsituationen zu schaffen. Diese Flexibilität führt zu zahlreichen Dreiecksbildungen auf den Flügeln, die es Brighton ermöglichen, die gegnerische Defensive auszumanövrieren und die die Mannschaft noch unberechenbarer machen.

Ein Beispiel dafür war der Führungstreffer durch Georginio Rutter bei der 2:4-Niederlage gegen gegen Chelsea am 6. Spieltag: Der linke Außenverteidiger zog ins Zentrum, um den Ball in einer freien Position zu erhalten, bevor er ihn schnell auf die Außenbahn weiterleitete. Dort nutzte Mitoma den Raum, um den Verteidiger im Eins-gegen-Eins zu schlagen und eine gefährliche Flanke in den Strafraum zu schlagen.

Die Schattenseite: Die anfällige Defensive

So aufregend Brightons Offensivspiel auch ist, so problematisch zeigt sich die Defensive, was auch noch einer der Gründe dafür ist, wieso die Mannschaft noch nicht ganz oben mitspielen kann. Hürzeler setzt auf eine extrem hohe Abwehrlinie, die zwar das Spielfeld für den Gegner vor allem im zweiten Drittel stark verkleinert, jedoch bei schnellen Gegenangriffen immer wieder ins Wanken gerät.

Die größten Probleme treten dabei auf, wenn die Mittelfeldspieler des Gegners ungehindert den Ball annehmen und in Ruhe aufdrehen und nach vorne spielen können. In diesen Situationen fehlt es Brighton oft an der nötigen Intensität, um den Ballführenden sofort unter Druck zu setzen. Gegner wie Tottenham, Chelsea und Liverpool nutzten dies in den letzten Partien eiskalt aus. Verloren hat Brighton allerdings nur gegen Chelsea und Liverpool.

Liverpool hat in ähnlichen Situationen vorgezeigt, wie eine effektive Absicherung funktionieren könnte: Verteidiger wie Virgil van Dijk verlassen die Kette, um den ballführenden Spieler direkt zu attackieren. Diese aggressive Verteidigungsarbeit fehlt Brighton bislang – und sie könnte der Schlüssel sein, um die Schwachstellen im eigenen Spiel zu beheben. Allerdings wäre das „nach vorne Verteidigen“ einer hoch stehenden Abwehrkette noch ein weiterer Risikofaktor. Hier mangelt es Brighton einerseits noch ein wenig an individueller Qualität im Vergleich zu anderen Top-Klubs der Premier League, andererseits ist auch klar, dass die Mannschaft nach nicht mal vier Monaten unter dem neuen Trainer noch nicht perfekt „auschoreografiert“ sein kann.

Potenzielle Gegenstrategien: Wie man Brighton knackt

Mannschaften, die erfolgreich gegen Brighton gespielt haben, zeigen, dass eine geschickte taktische Ausrichtung den Hürzeler-Plan durchkreuzen kann. Roma etwa verhinderte in der vergangenen Europa-League-Saison konsequent, dass Brighton – damals noch unter Vorgängercoach De Zerbi – durch die Mitte spielen konnte. Statt aggressiv zu pressen, schirmten die Römer die zentralen Passwege ab und zwangen Brighton, das Spiel über die Außenbahnen aufzubauen. Dort konnte die Defensive die Angriffe effektiv abfangen und diagonal nach vorne stoßen. Ein weiterer Vorteil hierbei war, dass Brighton sukzessive in ungefährliche Zonen gedrängt wurde.

Chelsea und Tottenham hingegen nutzten gezielt die Zwischenlinienräume zwischen dem Brighton-Mittelfeld und deren Abwehr, um gefährliche Situationen zu kreieren. Spieler wie Cole Palmer zogen sich in diese Zwischenräume zurück, um den Ball zu empfangen und anschließend präzise Pässe in die Tiefe zu spielen. Allerdings ist Palmer auch ein Spieler, der exakt solche Situationen sucht und sie wie kaum ein anderer Spieler ausspielen kann.

Dass Brighton gerade mit derartigen Ausnahmespielern Probleme hat, zeigen auch die bisherigen Saisonergebnisse und die Tatsache, dass man Mittelständler und schwächere Klubs konsequent in Schach halten kann, während die Ergebnisse gegen die „Großen“ noch etwas ausbaufähig sind.

Ein gefährlicher Balanceakt

Hürzeler verfolgt eine mutige Vision, die Brighton im oberen Tabellenmittelfeld etabliert hat. Doch der Erfolg seines Ansatzes hängt maßgeblich davon ab, ob es ihm gelingt, die defensive Stabilität zu verbessern, ohne dabei die offensive Schlagkraft zu verlieren. Hierfür könnte es auch punktuelle Kaderveränderungen im Winter benötigen – auch wenn Brighton im Sommer bereits mehr als stolze 230 Millionen Euro für Neuverpflichtungen ausgab, dabei aber die defensive Zentralachse weitgehend vernachlässigte.

Sollten die Schwächen in der Rückwärtsbewegung nicht abgestellt werden, drohen gerade gegen Topteams weitere Rückschläge. Gelingt es jedoch, die Balance zwischen Angriff und Verteidigung zu finden, könnte Hürzeler nicht nur Brighton, sondern auch sich selbst auf ein neues Niveau heben. Auf den Präsentierteller hat sich der junge Deutsche allerdings bereits gecoacht und was in der zweiten deutschen Bundesliga seinen Anfang nahm, könnte in der Premier League schon bald zu höheren Ehren führen.

Brightons Saison bleibt also ein spannendes Experiment – ein Spiel auf Messers Schneide zwischen Spektakel und Scheitern. Von Letzterem ist momentan allerdings nur wenig zu sehen: Brighton steht aktuell auf dem sechsten Rang, punktegleich mit dem Dritten und nur vier Punkte hinter dem Zweiten Manchester City, das man vor der Länderspielpause sensationell mit 2:1 besiegte. Das nächste „Big Game“ gibt es für Hürzeler und seine „Seagulls“ erst am 30. Dezember auswärts bei Aston Villa. Bis dahin warten in sieben weiteren Spielen nur Teams, die aktuell in der unteren Tabellenhälfte zu finden sind. Ein weiterer Sprung nach oben ist im Winter also nicht unwahrscheinlich.

Daniel Mandl, abseits.at

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