Regisseur Edward Berger hat mit seinem Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ deutsche Filmgeschichte geschrieben. Nicht nur wurde das Actiondrama mit dem Österreicher Felix Kammerer in der Hauptrolle 2022 insgesamt neunmal für den Oscar nominiert; erstmals schaffte es auch ein deutsches Werk in die Kategorie „Bester Film“. Insgesamt konnte „Im Westen nichts Neues“ vier Oscars zurück an die Heimatfront bringen.
Spätestens damit hatte Berger, der in New York Filmproduktion studierte, den Amerikanern eindrucksvoll bewiesen, dass er ein Händchen für Genrekino hat. Die Türen in Hollywood stehen ihm weit offen.
Während der Regisseur sich in „Im Westen nichts Neues“ ins lautstarke Schlachtengetümmel geworfen hatte, kocht er in „Konklave“ raffiniert ein dichtes Kammerspiel zum effektvollen Thriller hoch und lässt diesen gedämpft implodieren. Unterlegt mit Spannungsmusik, aber auch mit Mut zur Stille, komponiert Berger einen packenden Vatikankrimi, dessen überraschendes Ende ebenso unvorhergesehen wie zutiefst befriedigend ist.
Der Papst ist tot. Auf leisen Sohlen schleichen die Kardinäle der katholischen Weltkirche durch die Gemächer des Vatikans. Allen voran Ralph Fiennes als Kardinal Lawrence, der sich neben seinen All-Male-Starkollegen wie Stanley Tucci und John Lithgow auf die Suche nach einem würdigen Nachfolger begibt. Basierend auf dem britischen Bestseller von Robert Harris, treibt Berger die wahlberechtigten Kardinäle ins Konklave der Sixtinischen Kapelle zusammen; dort spitzt sich die in allen Details festgehaltene Wahlprozedur in mehreren Durchgängen zu. Schwarzer Rauch bedeutet, die Kardinäle sind noch zu keiner Einigung gekommen; wird der Rauch weiß, steht der neue Papst fest.
„Diejenigen, die Macht suchen, sind dieser Macht nicht würdig“, heißt es einmal bei Plato. Dass die katholische Kirche immer wieder von internen Skandalen erschüttert wird, ist kein Geheimnis und liefert reichlich Stoff für ein smartes, viersprachiges Drehbuch.
Intrigen-Spiel
Nicht nur brennender Glaube, auch Sexismus, Korruption und Intrige beflügeln einige der aussichtsreichsten Kandidaten in ihrem Kampf um das höchste Amt.
Zudem macht die Rede von der gespaltenen Gesellschaft auch vor der Kurie nicht halt: Während sich der eine Flügel um einen liberalen, fortschrittlichen Nachfolger bemüht, sucht der andere nach einem konservativen Traditionalisten.
Dazwischen steht Kardinal Lawrence, von Ralph Fiennes gewohnt eindrucksvoll gespielt als einen Zerrissenen zwischen Selbstzweifel und Gerechtigkeitssinn. Eingeklemmt in den beengten Gemächern des Apostolischen Palastes, in denen der Speisesaal den Charme einer Werkskantine hat und die Schlafräume wirken wie die Schließfächer eines Tresors, folgt er kriminellen Spuren und sucht nach Verbündeten.
Zwischendurch lockert Berger seinen in strengen Bildern komponierten Blick auf die geschlossene Anstalt mit heiteren, profanen Details auf: Nach nervösen Gesprächen der Kardinäle bleiben ausgetretene Zigarettenstummel auf dem Boden zurück, während im Salzwasser der Großküche die frisch fabrizierten Ravioli tanzen.
Frauen spielen naturgemäß so gut wie keine Rolle. Einzig Isabella Rossellini geistert als Schwester Agnes manchmal kurz durchs Bild. Erst am Ende bricht sie ihr Schweigen. Aber danach bleibt im Vatikan kein Stein auf dem anderen.
INFO: USA/GB 2024. 120 Min. Von Edward Berger. Mit Ralph Fiennes, Stanley Tucci, John Lithgow.