Von wo kommen derzeit die meisten Migranten? Aus Nordafrika?
Ja, aus Libyen, Ägypten und anderen afrikanischen Ländern. Die Gründe sind nicht nur Kriege oder geopolitische Instabilität, Armut und rechtliche Unsicherheit, sondern auch der Klimawandel. In manchen Regionen in Afrika kann man als Familie nicht mehr überleben. Dabei können wir noch nicht einmal die Auswirkungen des Krieges im Libanon abschätzen.
Bisher haben wir noch keine zusätzlichen Flüchtlingsströme vom dort gesehen, aber die Erwartung ist: Flüchtlinge werden kommen. Libanon hat 5,5 Millionen Einwohner und 2,5 Millionen Flüchtlinge im Land, die meisten aus Syrien. Wenn viele von ihnen wieder vertrieben werden, müssen wir mit zusätzlichen Flüchtlingen aus dem Libanon rechnen.
Ist der Plan Asylverfahren an ein Drittland auszulagern, wie es Italien mit Albanien vorhat, auch eine Möglichkeit für Griechenland?
Migration ist in Europa eines der kontroversesten Themen in der öffentlichen Debatte geworden. Ich meine die illegale Migration, und ich sage explizit illegale und nicht irreguläre Migration. Sie schafft Probleme, Unsicherheit und stärkt die extremistischen Parteien, wie man etwa in Deutschland bei den Wahlen sehen konnte. Allgemein herrscht der Eindruck vor, Europa gehe nicht streng genug gegen die illegale Migration vor.
Es gibt tatsächlich noch viel zu tun, aber wir müssen uns auf ein Fundament stützen, und das ist der neue europäische Asyl-und Migrationspakt. Der basiert auf europäischer Solidarität und der relativ gleichmäßigen Verteilung der Bürden. Und nicht mehr so wie früher, als wir Staaten, wo Migranten zuerst angekommen sind, besonders schwer zu tragen hatten.
Griechenland muss laut neuem EU-Asylpaktan an seinen Außengrenzen Zentren errichten, wo Asylsuchende dann im Schnellverfahren erfahren sollen, ob sie überhaupt um Asyl ansuchen dürfen. Und wenn nicht, müssen sie rückgeführt werden. Da kann für Griechenland auch eine große Belastung werden…
Ja, Rückführung in die Heimatländer müssen durchgeführt werden. Und die Heimatländer müssen besser kooperieren. Aber der Asylpakt muss gemeinsam umgesetzt werden und der Grenzschutz weiter verstärkt werden. Wenn wie bisher jedes Land macht, was es will, kommen wir nirgendwo hin und alles wird noch schlimmer werden. Leute, die wirklich Asyl brauchen, weil sie vor Kriegen fliehen, müssen auch weiterhin Asyl bekommen. Streng, aber fair müssen wir vorgehen.
Erwarten Sie mehr Solidarität auch von Österreich?
Wir teilen dieselben Ansichten mit Österreich – nämlich streng, aber gleichzeitig auch fair zu sein. Mit meinem österreichischen Ressortkollegen Gerhard Karner, aber auch mit den anderen EU-Partnern sind wir einer Meinung, dass wir Europa für die illegale Migration weniger attraktiv machen müssen.
Wie soll das funktionieren?
Indem wir in erster Linie unsere Wege für die legale Zuwanderung verbessern, die sich nach unseren Bedürfnissen richtet und nicht nach den Menschenhändlern.
Und dann sollten wir die Verfahren zur Rückführung und auch zu den eigentlichen Asylverfahren nachbessern. Und drittens brauchen wir besseren Grenzschutz. Aber fest steht auch, dass man die illegale Migration nie wird vollkommen auf Null drehen können. Das ist unmöglich.
Wenn es unmöglich ist- wie hoch ist das das Ausmaß an Zuwanderung, mit dem Europa zurechtkommt?
Das liegt an der Toleranz unserer Gesellschaften. Viele sind sehr skeptisch, sorgen sich, sehen das Gleichgewicht gefährdet. Deutschland etwa zieht wegen seiner großzügigen sozialen Leistungen viel mehr Migranten an, als die Gesellschaft tolerieren kann. Eine einzelne negative Tat wie die Messerattacke in Solingen kann asymmetrisch starke negative Folgen nach sich ziehen. Das trägt zum negativen Bild in der Gesellschaft bei. Wenn das Gefühl verloren geht, innerhalb unserer europäischen Grenzen sicher zu sein, ist das sehr gefährlich. Dann könnten die Wähler extremen und populistischen Stimmen anheimfallen. Die aber bieten keine Lösungen, und für die Demokratie sind sie sehr gefährlich.