Trotz steigender Popularität steht der heimische Frauenfußball vor großen Herausforderungen: geringe finanzielle Unterstützung und zu wenig mediale Präsenz. Viele Spielerinnen müssen neben dem Fußball arbeiten. Warum?
Im Sommer 2017 sorgte die österreichische Frauenfußball-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft in den Niederlanden für Furore – sie erreichte das Halbfinale. Plötzlich standen die Spielerinnen im medialen Rampenlicht, die Euphorie war groß, und es schien, als könnte dies der Beginn einer sichtbaren Frauenfußball-Ära sein. 2024 zeigt sich jedoch, dass der Weg zur Professionalisierung im Vergleich zum Männerfußball immer noch ein steiniger ist. „Den Zug haben wir ab 2017 verpasst“, sagt Stefanie Enzinger, ehemalige Nationalteamspielerin und heutige Frauenfußball-Beauftragte in der Daseinsgewerkschaft younion, zur WZ.
Die Sichtbarkeit wächst, aber nur langsam
„Ein entscheidender Faktor für die Etablierung des Frauenfußballs ist die Sichtbarkeit“, sagt Nina Potz, die seit Juli 2024 beim Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) als Liga-Managerin für die Frauen-Bundesliga zuständig ist, im Gespräch mit der WZ. „In den letzten Jahren hat der Frauenfußball in Österreich aber deutlich an Fahrt aufgenommen, besonders durch mehr Medienberichterstattung und Live-Übertragungen von Spielen.“ Inzwischen würde jede Woche ein Spiel der Frauenbundesliga im Fernsehen übertragen werden, alle anderen Partien seien online und im TV (ÖFB-TV Livestreams und ORF Sport+ Livespiel in jeder Runde) zu sehen . „Doch der Weg bis hierher war lang“, seufzt Potz.
Enzinger sieht die Entwicklung weniger positiv: „Das Interesse ist da, aber es wird medial noch immer viel zu wenig darüber berichtet. Es hat sich zwar etwas verbessert, aber es gibt immer noch viel zu wenig Übertragungen von Spielen.“ Die spärliche mediale Präsenz führe dazu, dass viele Menschen kaum wissen würden, wann und wo sie die Spiele im TV oder online sehen können. „Wenn es Übertragungen gibt, sind diese oft schwer zugänglich, weil man sich über Plattformen (etwa joyn.at, Anm.) einloggen muss, um die Spiele zu sehen. Das schreckt viele ab.“
Nebenverdienst statt Hauptberuf
Eine der größten Hürden auf dem Weg zur Gleichberechtigung zwischen Männer- und Frauenfußball bleibt jedoch die finanzielle Situation. Während in anderen Ländern wie Deutschland oder England bereits ein hohes Maß an Professionalität erreicht werden konnte, „sind wir noch weit davon entfernt, dass man von Professionalität im Frauenfußball sprechen kann“, meint Enzinger. In den USA ist Frauenfußball sogar beliebter als Männerfußball. Hierzulande kann die Liga dem Großteil der Spielerinnen jedoch keine existenzsichernde Bezahlung bieten. Laut einer Studie der younion-Sportgewerkschaft, die eine Umfrage unter österreichischen Bundesliga-Spielerinnen startete, müssen „viele Spielerinnen neben dem Fußball arbeiten, um ihre Lebenshaltungskosten zu decken“. Die meisten der Spielerinnen würden studieren – wie auch Enzinger: „Viele müssen sich nach absolviertem Studium aber entscheiden, ob sie beim Fußball bleiben oder einem Job nachgehen.“ Viele wählen den Job.
Nina Potz sieht das ein wenig positiver: „Im Vergleich zum Männerfußball ist der Frauenfußball noch eine kleinere und jüngere Sportart, die gerade erst wächst. Es gibt mittlerweile Spielerinnen, die von ihren Verträgen leben können. Das war vor wenigen Jahren noch nicht vorstellbar.“ Laut younion-Studie sind es neun Prozent, die keiner Nebenbeschäftigung nachgehen. „Die Professionalisierung schreitet voran, aber eben langsam“, sagt Enzinger. Das führe dazu, dass viele talentierte Spielerinnen ins Ausland abwandern, wo sie bessere finanzielle und sportliche Perspektiven haben.
„Viele Spielerinnen machen finanziell ein Minus. Sie müssen selbst für Trainingskleidung, Fahrtkosten und Fußballschuhe aufkommen, und das, obwohl sie eigentlich schon genug Belastungen durch ihre sportlichen Verpflichtungen haben“, so Enzinger. Für die männlichen Spieler wäre das undenkbar. Die Prämien, die die Spielerinnen pro Match erhalten, sind oft gering und variieren stark von Verein zu Verein und Spielerin zu Spielerin. „Im Durchschnitt haben viele Spielerinnen am Ende des Monats zusätzliche Kosten von etwa 200 Euro, die sie aus eigener Tasche zahlen müssen.“
Ungleiche Verteilung der Mittel und Ressourcen
Ein weiteres Problem, das die Entwicklung des Frauenfußballs in Österreich bremst, ist die Verteilung der finanziellen Mittel und der strukturellen Möglichkeiten innerhalb der Vereine. „In großen Vereinen hat der Männerfußball in der Regel Priorität, weil er die größte Einnahmequelle darstellt“, erklärt Enzinger. Zuerst wird in die Kampfmannschaft der Männer investiert, bevor die Frauenmannschaft bedacht wird. „Oft geht es so weit, dass die Frauenmannschaft sogar hinter der zweiten Männermannschaft oder den Nachwuchsteams zurückgestellt wird.“
Die Problematik sieht auch Potz: „Die Finanzierung ist von Verein zu Verein unterschiedlich. Manche Vereine haben mehrere Sektionen, darunter Männer- und Frauenfußball, während andere reine Frauenfußballvereine sind, die ihre Gelder eigenständig verwalten müssen.“ Besonders für reine Frauenfußballvereine bedeutet das, dass sie sich selbst um die gesamte Infrastruktur kümmern müssen, was zusätzlich hohe Kosten verursacht. „Je weniger Ressourcen zur Verfügung stehen, desto schwieriger wird es für die Spielerinnen, sich sportlich weiterzuentwickeln und erfolgreich zu sein“, sagt Potz. „Das führt dazu, dass der Frauenfußball nicht die gleiche Aufmerksamkeit und Unterstützung bekommt wie der Männerfußball.“
Der Weg zur Professionalisierung
Um den Frauenfußball in Österreich zu unterstützen, sind strukturelle Veränderungen notwendig: Ein entscheidender Schritt wäre die Einführung einer Lizenzierung, die Vereine verpflichtet, bestimmte infrastrukturelle und finanzielle Kriterien zu erfüllen, um in der ersten Liga spielen zu dürfen. „Das würde bedeuten, dass Vereine nicht nur sportlich qualifiziert, sondern auch in der Lage sein müssen, ihren Spielerinnen vernünftige Bedingungen zu bieten – von Trainingsmöglichkeiten bis hin zu einer angemessenen Bezahlung“, meint Enzinger. „Mit besseren Bedingungen könnten sich die Spielerinnen stärker auf den Fußball konzentrieren, was die Qualität der Liga insgesamt verbessern würde.“
Auch die Anziehung von Sponsoren spielt dabei eine zentrale Rolle. „Je besser die Bedingungen für die Spielerinnen, desto attraktiver wird die Liga – sowohl für Zuschauer als auch für Sponsoren“, sagt Potz. Ein Teufelskreis. In einem sind sich Enzinger und Potz einig: Es gibt positive Entwicklungen in den letzten Jahren. Der Weg ist noch ein beschwerlich langer, aber mit jedem Fortschritt wird die Lücke zum Männerfußball ein Stückchen kleiner.
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Infos und Quellen
Gesprächspartnerinnen
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Stefanie Enzinger spielte von 2015 bis 2023 im österreichischen Frauen-Nationalteam, von 2017 bis 2023 beim SKN St. Pölten, davor etwa bei SK Sturm Graz oder FC Wacker Innsbruck. Sie ist Frauenfußball-Beauftragte in der „Daseinsgewerkschaft younion“, eine Teilgewerkschaft des Österreichischen Gewerkschaftsbundes.
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Nina Potz ist seit Juli 2024 beim Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) als Liga-Managerin für die Frauen-Bundesliga tätig. Sie spielt und trainiert seit 2009 bei ihrem Heimatverein, dem SC Neusiedl am See. Außerdem hat sie sich beim Burgenländischen Fußballverband für den Mädchen- und Frauenfußball eingesetzt.
Daten und Fakten
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Neuer Modus in der Frauen-Bundesliga: Es wird in der jetzigen Saison 24 oder 23 statt bisher 18 Spiele geben: Nach 18 Runden geht es für die vier Topteams in der Meistergruppe im Hin- und Rückspiel um den Titel, die sechs anderen Vereine treten in der Qualifikationsgruppe nur mehr einmal gegeneinander an.
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England gilt als Ursprungsland des Fußballs, wo 1863 die Fußballregeln vereinheitlicht wurden. Das erste Spiel der Fußballerinnen, England-Nord gegen England-Süd am 23. März 1895, wurde von gut 10.000 Zuschauer:innen verfolgt. Gespielt wurde in Röcken und darunter Hosen, um sich dem Frauenbild der damaligen Zeit anzupassen. 1921 wurde den Frauen in England jedoch die Benutzung der Stadien verboten, denn Fußball sei für Frauen „nicht geeignet“. Erst 1970 wurde es Frauen in Großbritannien wieder erlaubt, in Stadien zu spielen.
In Österreich wurde 1934 der 1. Damen-Fußball-Club „Kolossal“, später DFC Wien, gegründet, trainiert wurde unter der Leitung des Radprofis Ferry Dusika. 1936 wurde eine Meisterschaft für Frauenteams durchgeführt. 1936 verbot der österreichische Fußballbund, Schiedsrichter oder Sportplätze für Damenwettspiele zur Verfügung zu stellen. 1938 wurde, mit dem Anschluss Österreichs an Deutschland, die sogenannte Damenfußballunion endgültig aufgelöst und der Fußball der Frauen verboten. Er entsprach nicht dem Frauenbild der Nazis.
Die Frauenliga des Österreichischen Fußballbundes (ÖFB) wurde 1972 gegründet. Es dauerte aber noch bis 1982, bis der Österreichische Fußballbund den Frauenfußball auch offiziell anerkannte.
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Die US-amerikanische Fußballerin Carli Lloyd zählt zu den bestbezahlten Spielerinnen; sie verdiente im Jahr 2021 rund 530.000 Euro, während der bestbezahlte Fußballer Lionel Messi im selben Jahr 126 Millionen Euro erhielt.