Ex-Ministerin Leonore Gewessler hat angekündigt, dass sie sich um die Nachfolge bewirbt. Haben die Grünen nicht Angst, dass ihr Spektrum verkleinert wird, weil sie fast ausschließlich mit Klimaschutz in Verbindung gebracht wird?
Die Grünen haben eine DNA, die heißt saubere Politik und saubere Umwelt. Das zeichnet uns aus, egal, in welche Rollen wir gewählt werden. Leonore Gewessler ist eine Frau, die sich vor einigen Jahren klar dafür entschieden hat, in die Politik zu gehen. Sie will die Zukunft für die nächsten Generationen gestalten. Leonore Gewessler ist der Öffentlichkeit als Klimaschutzministerin bekannt. Gleichzeitig habe ich in den vergangenen Jahren so viel mit ihr erlebt und dabei ihren unfassbaren Facettenreichtum kennengelernt. Ich freue mich, dass sie für die Funktion der Bundessprecherin kandidiert und den Menschen so noch viel mehr von sich zeigen kann. Sie kann jetzt weiterhin die grünen Herzen erobern.
Beim Thema Klimaschutz hat sie in den vergangenen Jahren aber auch sehr stark polarisiert.
Leonore Gewessler hat die guten Charaktereigenschaften, die man braucht, um eine Partei zu führen. Sie ist eine integre Person und hat Visionen. Die Entscheidung, Bundessprecherin der Grünen zu werden, trifft man ja nicht leichtfertig. Da sind auch viele Menschen im Hintergrund, die sie auf diesem Weg begleiten werden. Leonore Gewessler wird nun auch die Möglichkeit haben, sich den Menschen auch in anderen Bereichen zu präsentieren. Aber eines bleibt klar: Klimaschutz gibt es nur mit den Grünen. Das zeigt uns die Bundesregierung gerade einmal mehr.
Kommen wir zu dieser neuen Regierung. Wie sind Sie mit der Arbeit der Dreier-Koalition zufrieden? Anfang des Jahres hatte sich Werner Kogler sogar als Mediator angeboten, damit diese Dreier-Konstellation zustande kommt.
Gehen wir doch noch einmal in diese Zeit zurück, in der die verschiedenen Regierungsmöglichkeiten verhandelt worden sind. Für uns war es schon ein Schock, dass die drei Parteien ÖVP, SPÖ und Neos am Anfang gesagt haben, sie können nicht miteinander. Die waren sich da nicht bewusst, welche Verantwortung sie getragen haben. Dass es dann wieder anders gekommen und eine Kanzlerschaft von Herrn Kickl im letzten Moment verhindert worden ist, ist gut und richtig. Es muss da etwas dagegen gesetzt werden, wenn wir unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat schützen wollen. Mittlerweile sind die drei Parteien in ihrem Regierungsalltag angekommen und man sieht halt schon, dass sie sich entschieden haben, aufgrund der finanziellen Lage viel zu kürzen und leider genau dort einzusparen, wo wir Zukunftsfelder haben und eigentlich investieren müssten.
Sie sprechen die Einschnitte bei den Klimaförderungen an?
Genau. Prinzipiell spreche ich an, wo man sparen und wo man sich Geld holen will. Klar ist, dass man es sich bei den Millionenerben nicht holt. Eine Millionärssteuer wird es nicht geben. Man holt sie auch nicht bei den klimaschädlichen Subventionen. Stattdessen holt man sie bei den Unterstützungen für die Menschen.
Die Millionärssteuer hat es auch mit den Grünen nicht gegeben.
Sie ist auch nicht im türkis-grünen Regierungsprogramm gestanden. Wir haben aber auch nicht gesagt, dass das eine Grundvoraussetzung für eine Regierungsbeteiligung ist. Andreas Babler ist mir da schon etwas anders in Erinnerung. Er hat gesagt, dass das auch die Reichen schultern müssen. Die, die viel haben, müssen für jene, die wenig haben, einen Beitrag leisten. Von dem sehen wir jetzt nichts mehr.
Es gibt da aber auch den Vorwurf, dass Türkis-Grün in den vergangenen fünf Jahren ganz einfach zu viel Geld ausgegeben hat.
Eines möchte ich schon klarstellen: Für das Budget verantwortlich ist der Finanzminister. Das war Magnus Brunner. Was wir in den vergangenen fünf Jahren gemacht haben, war ein Investitionsprogramm für die Bereiche, die wir verantwortet haben. Gerade beim Ausbau der erneuerbaren Energie und des öffentlichen Verkehrs ist da viel passiert. Ich komme aus Kärnten, da wird gerade der Koralm-Tunnel fertiggestellt. Das sind alles riesige Konjunkturpakete. Es ist so auch der Grundpfeiler gelegt worden, dass wir in Zukunft genug Energie haben. Aber ja, uns ist nicht alles gelungen. Zum Beispiel, dass durch diesen Ausbau niedrigere Energiepreise bei den Menschen auch ankommen. Da hätten wir einiges besser machen können.
Wenn es um den Verkehr geht, dann hat Leonore Gewessler als Ministerin Schritte gesetzt, die jetzt wieder umgedreht werden könnten. Sie hat große Straßenbauten wie etwa den Lobautunnel oder die Marchfeld-Schnellstraße gestoppt. Wie werden die Grünen damit umgehen, wenn diese Straßen nun doch gebaut werden? Reagiert man mit Aktionismus?
Für Aktionismus sind wir sowieso bekannt. Was wir Grüne jetzt sehen, ist, dass der Verkehrsminister Peter Hanke sich nicht entscheidet, um der Bevölkerung etwas vorzumachen. Man müsse alles noch einmal prüfen, heißt es. Am Ende des Tages will er den Lobautunnel bauen und das gehört endlich auf den Tisch. Michael Ludwig ist da sehr viel klarer in dieser nicht nachvollziehbaren Entscheidung. Wir Grüne sagen, der Lobautunnel durch den Nationalpark geht sich im Jahr 2025 nicht mehr aus. Das sagt auch die Wissenschaft. Erstens ist das ein fossiles Projekt, zweitens wird es ein Milliardenprojekt. Und die Milliarden brauchen wir derzeit woanders. Die Menschen haben zwar genug vom Stau durch Wien, aber der Tunnel wird keinen einzigen Stau auflösen.
Eine Frage zu Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig. Er hat einen Teil der Umweltagenden von Ministerin Leonore Gewessler bekommen. Was die Grünen kritisieren. Dabei sollten Landwirtschaft und Klimaschutz gut zusammenpassen, weil die Bauern benötigen eine intakte Umwelt, um Lebensmittel produzieren zu können.
Ja, die Bäuerinnen und Bauern sind die ersten, die die Klimakrise massiv spüren. Jedes Jahr sind wir mit Hochwasser, Dürren oder Starkregenereignissen konfrontiert. Deshalb wird es auch immer schwerer, erfolgreich einen Hof zu bewirtschaften. Es gilt alle Anstrengungen zu unternehmen, um die Erderwärmung so zu stoppen, dass wir uns noch anpassen können. Da braucht es das Verständnis eines Ministers, der nicht nur auf der Seite der Fossil-Lobby, der Pharma-Lobby oder der Großgrundbesitzer ist. Es braucht einen Minister, der sein Ohr und sein Herz bei den Menschen hat. In der Vergangenheit hat es zu keiner guten Entwicklung geführt, als diese beiden Bereiche in einem Ministerium zu finden waren.
Theoretisch kann Sie der Landwirtschaftsminister aber noch überraschen.
Überraschungen sind immer möglich. Schauen wir einmal. Momentan hat er sich eher in die Gegenrichtung hinausgelehnt und das Freihandelsabkommen Mercosur mit Lateinamerika fast schon begrüßt. Wir stehen hier klar an der Seite der Bäuerinnen und Bauern in Österreich.